DON GIOVANNI
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Wiener Staatsoper
2.6.2001


Dirigent: Leopold Hager

 

Don Giovanni - Bryn Terfel
Komtur - Goran Simic
Donna Anna - Ricarda Merbeth
Don Ottavio - Michael Schade
Donna Elvira - Soile Isokoski
Leporello - Ildebrando D' Arcangelo
Zerlina - Angelika Kirchschlager
Masetto - Wolfgang Bankl


Die Höllenfahrt des Bryn Terfel
(Dominik Troger)

Aber möglicherweise hat die er noch vor sich, oder er ist gerade auf der Reise? Es wäre eine frühe Midlife-Crisis, in der der 1965 geborene Shooting-Star der Opernbühnen da getorkelt wäre.

Das Problem ist, dass man den Glanz des kometenhaften Aufstiegs auch gerne in den stabileren Umlaufbahnen des erfahrenen, seriösen Künstlers erspähen möchte, was aber fast ein Ding der Unmöglichkeit ist, weil eben diese Erfahrung die jugendliche Unbekümmertheit zerstört, um sie langsam und qualvoll in jene Beständigkeit umzugießen, die dann aus dem Kometen einen Fixstern macht. Es scheint, als befinde sich Terfel eben in dieser Phase, wo er den Gordischen Knoten nicht mehr einfach zerschlagen kann - weil er um dessen kunstvolle Verknotung weiß. Viele Absagen in letzter Zeit lassen das vermuten.

Doch in Wien steht er nun wirklich als Don Giovanni auf der Bühne, fesch und ein zu allen Verlockungen bereites Timbre, das den Beginn des "La ei darem la mano" zu einem lasziven, fast verspielten Gurren formt, und es scheint unmöglich, das sich Zerline, das Bauernmädchen, solchen Verführungskünsten je würde gewachsen zeigen. Doch Terfel bleibt stimmlich zu sehr in den seichten Fahrwässern beliebigen Schöngesangs. Er überlässt sich nicht mehr zwanglos der Gunst des Augenblicks, und er nutzt das, was er ohnehin hat, nämlich eine außerordentliche Stimme, nicht mehr dazu, um sein Publikum zu überwältigen. Man kam schließlich ins Haus, um nicht ganz einfach Don Giovanni, sondern um Bryan Terfel zu hören - es fällt einen schwer zu schreiben, dass man "nur" Don Giovanni gehört hat. Erst am Schluß erfasste er fester - wie die Hand des Komturs - die Möglichkeiten, die sich ihm darboten, und hievte sich mit einer imposant gestalteten Höllenfahrt zurück in jene Höhen, wohin sein junger Ruhm ihn bereits entführt hatte. Aber dieser Don Giovanni hatte nicht mehr das Besondere an sich.

Terfel teilte sich die Bühne mit einer, um eine ausgewogene Mitte schwebende Sängerriege. Am meisten auf der Minusseite befand sich Angelika Kirchschlager als Zerline, erstens, weil das nicht ihre Partie ist, zweitens, weil sie eklatante Höhenprobleme erkennen ließ, vor allem im ersten Akt. Auch ein wenig auf der Minusliste Ricarda Merbeth als Donna Anna. Sie vermittelte durchwegs das Gefühl, vom musikalischen Element getrieben zu werden, immer in der Gefahr, darin zu ertrinken. Das wurde besonders im zweiten Aufzug deutlich, wo die Arien Don Ottavios (Michael Schade) und Donna Anna's hintereinander folgen. Während Schade mit bewunderswertem Ausdrucksvermögen die schwierige Arie im zweiten Aufzug zu einem Leckerbissen Mozart'scher Gesangeskunst gestaltete, glitt die Donna Anna wie über eine Eisfläche dahin. Sie erreichte zwar genauso wie Schade das Ziel, aber welcher Unterschied in der Gestaltung! Als solider, ein wenig "un-spanischer" Mittelpunkt agierte Soile Isokoski als Donna Elvira. Auf der Haben-Seite der Leporello von Ildebrando D'Arcangelo und vor allem der schon genannte Michael Schade, an diesem Abend wirklich der Mozart-Tenor par excellence.

Das Orchester unter Leopold Hager wachte erst zur Höllenfahrt richtig auf, zu deren fulminantem Gelingen auch Goran Simic als Komtur viel beitrug - bis dahin gab es wenig auffälligen "Mozart-Sound."

Ein bisschen Probleme machte das Bühnenbild, das man an und für sich nicht missen möchte (eine Schöpfung Zefirelli's), dessen Um- und Aufbauten aber nicht mehr so ganz beherrscht werden. So schwebte im zweiten Aufzug längere Zeit ein Bäumchen entschlusslos über dem Palast des Komturs, ob es sich dahinein pflanzen solle - ehe es dann wieder ganz in den Schnürboden entfleuchte, von freundlichem Applaus geleitet. Die Inszenierung ist natürlich schon längst zerflattert. Sehr stimmungsvoll immer noch die Höllenfahrt, wenn der Komtur von hinten über die plötzlich mit Nebel vollgeblasene Bühne heranmarschiert, während im Vordergrund Don Giovanni einen Kerzenleuchter theatralisch von sich schleudert.

Nachher und auch mittendrin viel Applaus für alle Beteiligten.