COSI FAN TUTTE

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Theater an der Wien
27. März 2014

Konzertante Aufführung

Dirigent: Nikolaus Harnoncourt


Concentus Musicus Wien
Arnold Schönberg Chor

Fiordiligi - Mari Eriksmoen
Dorabella - Katija Dragojevic
Guglielmo alias Guillelmo - Andrè Schuen
Ferrando - Mauro Peter
Despina - Elisabeth Kulman
Don Alfonso - Markus Werba


Despina schaukelt den Laden
(Dominik Troger)

Das Nikolaus Harnoncourt’sche „Mozartexperiment“ im Theater an der Wien wurde nach „Le nozze di Figaro“ und „Don Giovanni“ mit einer überzeugenden Aufführung von „Cosi fan tutte“ fortgesetzt und abgeschlossen.

Mit diesem „späten“ Mozart harmonierte die quellenkritische Skepsis des Dirigenten und Musikforschers Harnoncourt eindeutig am besten – analytisches Hinterfragen, eine leicht derber Humor und eine altersweise Wehmut sind passende Zugaben für diese Oper, deren Figuren zwischen frivoler Doppeldeutigkeit und aufklärerischer Schlusssentenz eingespannt sind wie in einen Schraubstock. Die aufklärerische Schlussformel steht dabei schon auf eher schwachen Beinen. Und wenn sich die Paare im Finale „wiederfinden“, dann erscheint die Moral „dass es alle so machen“ mehr als zynisch gemeinter „Philosophen-Witz“. Insofern entlassen da Ponte und Mozart in „Cosi fan tutte“ ihr Bühnenpersonal und mit ihm das Publikum in ein Zeitalter der emotionalen Unsicherheit, das mit den damaligen revolutionären gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Frankreich zu korrespondieren scheint.

Harnoncourt hat natürlich auch bei der „Cosi“ interessante Details ans „Tageslicht“ gefördert. So heißt Guglielmo bei ihm Guillelmo*, gemäß zeitgenössischen Quellen. Im langen Interview, das im Programmheft abgedruckt ist, erläutert Harnoncourt außerdem, dass der Don Alfonso eigentlich von einem hellen Bariton gesungen werden müsste – und Markus Werba, der an diesem Abend in die Rolle des „Philosophen“ schlüpfte, tat das auch mit einer sehr eloquenten, aber für die Rolle eher leichtgewichtigen und gar nicht alt klingenden Stimme. Der „vecchio (!) filosofo“ konnte hier also schwer entdeckt werden. Don Alfonso wurde übrigens als „Oberkellner“ in die Handlung eingeführt. Während der Ouvertüre räumte er ein kleines Tischchen ab und zur Seite, stellte dann ein Schachspiel darauf, und machte im Laufe der Vorstellung im Vorübergehen sogar einige Züge (allerdings von ziemlich zweifelhafter Qualität).

Nachdem der Don Alfonso in der Durchsetzungskraft seiner zynischen Altersautorität etwas schwächelte, verschob sich das Gewicht der Intrige zu Despina hin, die Elisabeth Kulman bühnenwirksam zu gestalten wusste. Sowohl das aufsässige, männerkundige Dienstmädchen als auch die köstliche Arzt- und Notar-Persiflage servierte die Sängerin mit Schwung und großer stimmlicher Anpassungsfähigkeit. Da hatten die beiden Liebespaare keine Chance, ihrem Schicksal zu entrinnen.

Die beiden Liebhaber waren mit Andrè Schuen (Guillelmo) und Mauro Peter (Ferrando) besetzt. Die Rollen waren ihnen vom Stimmcharakter nahezu maßgeschneidert. Mauro Peters Tenor klang eine Spur rauer als im Don Giovanni, was sich vor allem im ersten Teil des „Un aura amorosa“ bemerkbar machte (gemessen an dem in der Tongebung noch feinfühliger gelungenen „Dalla sua pace“ in der ersten Aufführung des „Don Giovanni“), sorgte aber im zweiten Akt für eine passend virile Konturierung seines Verführungswillens und seiner emotionalen Unruhe. Schuen hat mich weder im „Figaro“ noch im „Don Giovanni“ wirklich mitreißen können, als Guillemo konnte er aber genau das darstellen und singen, was er ist: ein attraktiver junger Mann mit einer sehr schönen Baritonstimme. Und weil die Stimmen der beiden Sänger auch in der Klangfarbe harmonierten, ergab das an diesem Abend ein ideales „Zweiergespann“.

Die Schwestern waren mit Mari Eriksmoen (Fiordiligi) und Katija Dragojevic (Dorabella) besetzt. Mari Eriksmoen war bei allen drei Produktionen dabei – mit der Fiordiligi als anspruchsvoll realisierter „Weiterentwicklung“ ihrer Susanna und Zerlina. Die Sängerin versprühte in den lebensfrohen Momenten leichtlebigen Charme, bei den verinnerlichteren, elegischen Passagen wäre für meinen Geschmack die Veredelung durch ein farblich dunkler-hinterlegtes Pathos wünschenswert gewesen, um die Gefühlstiefe der Figur noch gehaltvoller ans „Tageslicht“ zu heben. Aber vielleicht ist das auch meinerseits zu „romantisch“ gedacht, denn Eriskmoen ist beim Publikum wieder sehr gut angekommen, was auch starker Szenenapplaus bewies.

Katija Dragojevic passte von Stimmcharakter und -timbre zwar recht gut zu Eriksmoen, aber ihr Mezzo klang trotz leichter dunkler Färbung doch eher schmal, stellte Dorabella stimmlich schlank ins Rampenlicht, ohne vollblütiges, pralles Dekolleté. Doch das tat der insgesamt anregenden Gesamt- und Ensemblewirkung – vom Arnold Schönberg Chor eifrig unterstützt – keinen Abbruch und sorgte für eine stimmige Leistung.

Der Concentus Musicus spielte an diesem Abend weniger „rau“, ließ sich von Nikolaus Harnoncourt angeleitet auf die Mozart’schen Seelenabgründe nicht nur mit Zynismus, sondern auch mit gefühlvollem Verständnis akribisch ein. Da wurde boshaftes Lachen ebenso in Musik gegossen, wie zarte, aufgeregte Herzschläge oder Momente scheinbar stillstehender Zeit, die den Abschied der Verlobten im ersten Akt zu Augenblicken seltsamer Weltverlorenheit entrückten. Das Tempo war zwar oft wieder eher langsam, aber die Temporegie schien mir insgesamt nicht so zugespitzt wie beim „Figaro“ oder „Don Giovanni“.

Es wurde – wie schon angedeutet – erneut versucht, den Abend von seiner konzertanten „Starrheit“ zu befreien. Weil aber beispielsweise Don Alfonso mit Noten sang, blieben die Möglichkeiten begrenzt. Immerhin wurde die Verkleidung von Guillelmo und Ferrando angedeutet, und bei der Abreise baumelten plötzlich Papierschiffchen vom Schnürboden – ein netter Gag. Der Wechsel der Liebschaften wurde u.a. durch Bilder verdeutlicht. Aber das wars fast schon – so starke szenische Impulse wie im „Don Giovanni“ wurden nicht gesetzt. Gesungen wurde wieder vor der Wand mit den SängerInnen-Porträts. Diesmal war auch ein Bild von Harnoncourt dabei (aber erst nach der Pause). Es zeigte den Dirigenten mit aufgeregtem Blick, den Zeigefinger der rechten Hand eindeutig gegen die Stirn gerichtet: der selbstironische Hinweis eines Denkers auf den Unverstand seiner Zeitgenossen?

Die Länge des starken Schlussapplauses (kurz auch rhythmisches Klatschen) blieb unter zehn Minuten. Schade, dass dieses „Experiment“ schon wieder vorüber ist - die letzte Vorstellung folgt am 29. März.


*Die Besetzungsliste im Programmheft des Theaters an der Wien schreibt Guillelmo. Das gedruckte Libretto zur Uraufführung von 1790 ohne Doppel-L : Guilelmo. Nachzuprüfen anhand von Bildmaterial im Einleitungsteil der Online-Edition der Partitur
auf der Webseite des Salzburger Mozarteums. Wen es genauer interessiert: Ian Woodfield: "Mozart's Cosi Fan Tutte. A Compositional History" von 2008 gibt Auskunft über die unterschiedlichen Schreibweisen. Interessanter Weise hat die bei Bärenreiter erschienene Edition von 1991 die Schreibung Guglielmo beibehalten. Diese Schreibung geht laut Woodfield auf ein Dresdner Libretto von 1791 zurück.