COSI FAN TUTTE

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Theater an der Wien
Premiere
3.6.2006

Dirigent: Daniel Harding

Inszenierung: Patrice Chérau
Bühne: Richard Peduzzi
Licht: Bertrand Couderc
Kostüme: Caroline de Vivaise

Mahler Chamber Orchestra
Arnold Schönberg Chor

Produktion des Festival d´Aix-en-Provence in Koproduktion mit den Wiener Festwochen und der Opéra National del Paris

Fiordiligi - Erin Wall
Dorabella - Elina Garanc
a
Guglielmo - Stéphane Degout
Ferrando - Shawn Mathey
Despina - Marie McLaughlin
Don Alfonso - Ruggero Raimondi


Liebes-Experiment

(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien lud zur Premiere von „Cosi fan tutte“. Die französisch-österreichische Koproduktion war bereits im Sommer 2005 in Aix-en-Provence zu sehen gewesen und übersiedelte jetzt nach Wien. Die Aufführung glänzte durch eine sehr gute Personenregie und eine überzeugende Ensembleleistung.

In der Inszenierung von Patrice Chérau werden wie in einem chemischen Labor verschiedene (Liebes-)Elemente zur gegenseitigen Reaktion gezwungen. Diese Mixtur, eingangs noch etwas träge, gewinnt im Laufe der Aufführung zunehmend an Explosivität. Die offene, aber etwas karge Bühnenkonzeption mit italienischem Charakter (Richard Peduzzi) ist diesem Vorgang nicht hinderlich. Sie schlägt sogar zwei Brücken über das Orchester und bezieht das Parterre mit ein. Chérau lässt auch dort spielen (und vergrämt das Publikum, das von hinteren Rangplätzen nicht hinuntersieht). Die Bühnenrückwand ist ungeschminkt sichtbar („Vietato Fumare“ in roter Schrift auf kalkweißer Wand). Seitlich befinden sich Galerien wie in einem Hinterhof. Die Kostüme sind schlicht, aber mit Geschmack das 18. Jahrhundert evozierend.

Erst Despinas Auftritt verschaffte dem Abend Schwung, dann stimmte die Mischung und die Bühnenchemie begann. Der zynische Don Alfonso (Ruggero Raimondi) – als ziemlich lebendiges und gesanglich nach wie vor präsentes „Bühnendenkmal“ – und die kecke, stimmlich vorzügliche Despina (Marie McLughlin), waren die Katalysatoren, die die Elemente Fiordiligi, Dorabella, Guglielmo und Ferrando zur Reaktion zwangen. Die beiden Drahtzieher gaben sich manch verschwörerisches Stelldichein, nicht ohne anzudeuten, dass sie sich näher bekannt sein dürften, als es die bürgerliche Moral erlaubt.

Im Mittelpunkt stand Elina Garanca als Dorabella. Hätte sich nur ein Teil ihres wunderbar runden, vollströmenden Gesanges auf das Orchester übertragen... (aber davon später). Sie füllte das Haus mit ihrer prachtvoll erblühenden Stimme, deren satte Grundierung Dorabellas Lebenslust und Liebesfeuer in betörender Weise miteinander verband. Aussehen und Bühnenbewegungen boten die bestmögliche Ergänzung: Garanca zu hören und zu sehen ist ein Vergnügen.

Der Guglielmo von Stéphane Degout war recht angenehm anzuhören, ein werbender Kavalier, und wirkte auf Mozart schon bestens eingestellt – was mir von seinem „Soldatenzwilling“, Shawn Mathey (Ferrando), zu behaupten schwerer fällt. Dessen Timbre war deutlich nasal geprägt, etwas hart, die Stimme wurde insgesamt zu steif geführt, was sich weniger dazu eignet, in den Piani liebeheischend wegzuschmelzen. Außerdem fand ich, dass sich die beiden, Guglielmo und Ferrando, von der Bühnenerscheinung zu ähnlich sahen. Vielleicht war das so gewollt, um der Verwechslungsmöglichkeit höhere Plausibilität zu verleihen. (Wobei Liebe bekanntlich sowieso „blind“ macht... ) Erin Wall gab eine sympathische, etwas behutsam wirkende Fiordiligi. Für die großen Mozart-Arien fehlten ein wenig die Lockerheit und eine intensivere Farbgebung.

Dirigent Daniel Harding und das Mahler Chamber Orchestra exekutierten die Partitur – wie schon in der „Zauberflöte“ (Premiere 13.5.2006) – ohne Esprit, staubtrocken, minimalistisch. Nicht nur das Vorspiel klang wie planiert, kein munteres Geplauder, das sich in kurzen Seufzern fängt, keine Frivolitäten, keine elegischen Abschiede oder Liebesbezeugungen: mir wurde seitens des Orchesters den ganzen Abend lang viel zu nüchtern und witzlos musiziert. Zum Glück wurde das von Chéraus exzellenter Personenregie weitestgehend aufgefangen, die der Bühnenaktion viel Schwung und den persönlichen Emotionen der Charaktere viel Ausdruck verliehen hat. Bestens: der Arnold Schönberg Chor.

Der Schluss dieser Inszenierung bleibt offen, die Elemente scheinen sich neu zu verbinden, aber wie stabil diese Bindung sein wird, wer weiß das schon. Don Alfonso hat mit seiner „Vernunft“ die Wechselhaftigkeit der Liebe bewiesen, Despina hat ihre eigene Kammermädchen-Moral bestätigt gefunden. Das Publikum hat Mitleid mit den Liebenden und ihrer Seelenpein. Kein Vorhang fällt, weil das Bühnenbild ohne Vorhang auskommt.

Der Applaus war überaus zustimmend und es gab keine negativen Reaktionen – eine Rarität.