COSI FAN TUTTE

Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Wiener Staatsoper
29.1.2004

Dirigent: Bertrand de Billy

Fiordiligi - Soile Isokoski
Dorabella - Elina Garanca
Guglielmo - Hanno Müller-Brachmann
Ferrando - Rainer Trost
Despina - Simina Ivan
Don Alfonso - Alfred Sramek


A fresco...
(Dominik Troger)

Schade, dass man Mozart nicht mehr interviewen kann. Man hätte sich mit ihm zum Frühstück in einem Café verabredet und bei einer heißen Schokolade die vielleicht etwas verfängliche Einstiegsfrage gestellt: "Sind Sie mit der gestrigen Staatsopern-Cosi zufrieden gewesen, Maestro?"

Mozart hätte gelacht, ich wette darauf. Ein halb wissendes, verlegenes, verschmitztes Lachen, das sein Gegenüber ungefähr mit jener Zwiespältigkeit zurückgelassen hätte, die jede "Cosi"-Aufführung in einem selbst erzeugt. Wenn die Liebesschwüre am Pragmatismus menschlichen Trieblebens zerbrechen, bleiben nur zerspragelte Herzen zurück, die auf lange Frist wohl auch die Vernunft nicht mehr kitten kann. Aber wir werden ohnehin nie erfahren, was Mozart geantwortet hätte.

Ist die "Cosi" eine traurige Oper? An der Oberfläche knistert sie erotisch, tief drinnen spürt sie eine Verzweiflung, die dann und wann mal herausbricht, wie ein unterirdisches Vulkanfeuer. Von allen Opern Mozarts braucht die "Cosi" aber wohl am deutlichsten eine enge Tuchfühlung zwischen Ensemble, Orchester und Publikum. Die Staatsoper kann das nicht leisten, das ist einmal mehr mein Eindruck gewesen. Zwar kann der Operngucker so ein Nähe-Surrogat erzeugen, aber es braucht diese Musik auch eine tragende, wärmende Akustik des Raumes, um einen als Zuhörer ganz ins Mozartische Universum hineinzuziehen.

Bertrand de Billy nährte mit dem Orchester eine mit "Leichtigkeit" aufgezäumte klangliche Filigranität und Zurückhaltung, über deren Wertschätzung man wohl im Theater an der Wien hätte ein treffenderes Urteil fällen können. Er zwang das Publikum nicht zum Zuhören, sondern er lud es ein, zuzuhören. Das war vielleicht die falsche Strategie an diesem werktäglichen Donnerstag. Der Zwischenapplaus war jeweils kurz, der Schlussapplaus, obwohl von Bravo-Rufen durchsetzt, von der Dezibelstärke eher flau. Dabei konnte man der Aufführung keine Nachlässigkeiten vorwerfen, eher im Gegenteil.

Aber vielleicht verließ sich de Billy zu sehr auf den Wohlklang der Streicher, auf schön modellierte Phrasen, die in vornehmer Verinnerlichung schwelgten, und vermied zu sehr die Ecken und Kanten, die aus der "experimentellen Disposition" der "Cosi" notwendig entstehen müssten. Die quirlige und nicht ohne Süffisanz musizierte Ouvertüre hatte noch ein bisschen etwas von einem Kaffeetratsch an sich, wie ein schon an den Anfang gestelltes Resümee der Despina, über das man sich ein wenig lustig machen kann. (Ich habe die Ouvertüre jetzt noch im Ohr, sie schnurrt in ihm dahin wie ein entzückendes kleines Perpetuum mobile.) Und da und dort wucherten auch noch durchs Mozarts Witz gebrochene barocke Strukturen auf, interessante Assoziationen weißer Wolkerberge in blassem Freskoblau, die sich aber rasch wieder in einer rosa getönten Rokoko-Melancholie auflösten. Im Theater an der Wien, da hätte diese Architektur mehr an Substanz gewonnen, für die Staatsoper war sie mir zu leicht gebaut – aber ich beginne mich zu wiederholen.

Es waren die SängerInnen, die da mehr an Reflexionsarbeit leisten mussten. Es war Debütant Hanno Müller-Brachmann (Guglielmo), der nach der Pause mit einem verhaltenen, aber doch deutlich spürbaren Zynismus die "rationale Problematik" des Ganzen deutlich machte. Müller-Brachmann singt nahe am Wort, und seine Stimme ist nicht typisch die eines Liebhabers. Er ist mehr Exeget und weniger der Verführer. Jedenfalls fehlt ihm eine naive Weichheit, in die er sich beim Liebeswerben zurückziehen könnte. Aber er gewann im Laufe des Abends stark an Persönlichkeit und resümierte in einer sehr interessanten Erstbegegnung mit der Staatsopernbühne.

Für mich am eindrucksvollsten reüssierte Soile Isokoski, vielleicht auch deshalb, weil sie gegenüber der mehr als reizvollen Elina Garanca, die ihre jugendliche Blüte in Aussehen und Stimme prachtvoll zur Schau stellte, keinen leichten Stand hatte. Letztlich fokussierte mit gefühlvollem fast schwermütigem Vortrag aber in ihr das große Dilemma, das diese vier jungen Menschen hier erfasst hat. Die etwas leichtlebigere Dorabella hat es da einfacher. Sie war bei Garanca in besten Händen: jugendliche Koketterie, ein voller, runder, dunkelüberhauchter Mezzo, der in Erotik den raffiniert dekolletierten Kostümen um nichts nachstand.

Rainer Trost war an sich gut bei Stimme, aber sein Tenor verspricht immer mehr, als er letztlich halten kann. Er versagt sich die Entfaltung jener schmeichlerischen Töne, die sich dem feinfühligen Klang der Violinen doch so gerne anschmiegen würden. Man hat bei ihm nicht das Gefühl, dass er das Singen „sich selbst überlassen könnte“, und mir kommt es dann immer vor, als würde ich etwas vermissen – und das trübt den Hörgenuss.

Die Despina von Simina Iwan (ein geworfener Blumenstrauß!), für Stefania Bonfadelli eingesprungen, erreichte erwartungsgemäß nicht deren spitzzüngiges Intrigantentum, löste die Aufgabenstellung aber akzeptabel. Bei Alfred Sramek ist Don Alfonso wie gewohnt gut aufgehoben.

Eine gelungene Aufführung? Eigentlich schon.