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Wiederaufnahme der Produktion vom Theater an der Wien
16.3.2003

Dirigent: Seiji Ozawa

Premiere 30.10.1994 im Theater a.d.Wien
Inszenierung: Roberto de Simone
Bühnebild: Mauro Carosi
Kostüme: Odette Nicoletti
Lichtgestaltung: Kurt Schöny

Fiordiligi - Soile Isokoski
Dorabella - Sophie Koch
Guglielmo - Ildebrando D' Arcangelo
Ferrando - Rainer Trost
Despina - Stefania Bonfadelli
Don Alfonso - Alfred Sramek


Hübsche Verpackung, wenig Inhalt
(Dominik Troger)

Ausverkauftes Haus (auch die Stehplätze!), sehr viele japanische Gäste, und eine Aufführung, die mich ziemlich kühl gelassen hat.

Eine erfolgreiche Mozartproduktion vom intimen, klangwarmen Theater an der Wien in die weit kühlere und viel voluminösere Staatsoper zu transferieren, ist an sich schon eine Herausforderung. Weil man aber nun die reizvollen Cosi-Aufführungen im Theater an der Wien unter Riccardo Muti, zuletzt im Juni des vergangenen Jahres, wirklich nicht so schnell vergessen wird, steht man in Anbetracht dieser Wiederaufnahme von vorneherein auf verlorenem Posten. Denn mit dem „Allerwelts-Mozart", den dieser Abend geboten hat, mag man sich denn doch nicht zufrieden geben.

Das Ganze wirkte wie ein vom Fließband laufendes, hübsch verpacktes Konfekt, basierend auf fabriksmäßigem Raffinerie-Zucker statt auf raffinierter handmeisterlicher Zuckerbäckerkunst. Aber von wegen Zucker, so böse, wie diese Geschichte eigentlich ist – und so bissig-ironisch auch Musik und Rezitative dazu sein könnten – so glattpoliert schnurrte Seiji Ozawa seinen Mozart herunter. Bei den großen Arien, wenn dann auch das Orchester gewissermaßen "Atem" braucht, um den Gefühlsausbrüchen und -irritationen der SängerInnen das nötige Gewicht zu verleihen, um sie anzutreiben oder zu stützen in ihrem Innehalten, empfand man dann plötzlich diese große Leere, die Hülle ohne Kern, das Potemkinsche Dorf dieser Mozart-Verpackung, wie die gleichnamige Kugel ohne bittersüßem Marzipan.

Und wo das Bühnenbild in hübschen Farben den Golf von Neapel aquarellisierte, verfing sich die Musik in einem sehr engen Farbraum, den auch die SängerInnen nicht wesentlich verbreitern konnten: Mozart von der Stange eben, einmal Maß genommen für drei Stunden Musik, und auch die SängerInnen nicht zu einem vielgestaltigen Nachspüren tiefgründiger Mozart'scher Liebesanalysen angespornt. Das kam nur Ansatzweise auf, etwa in der verzerrten Herionenhaftigkeit einer Sophie Koch (Fiordiligi), wenn sie sich in antike Trauerposen flüchtet, nachdem sich ihr Verlobter auf so hintertriebene Art und Weise vertschüsst hat (um wenig später als fescher Albaner wieder aufzutauchen). Das spürt man dann, wenn Soile Isokoski als Soldat verkleidet, sich wie Münchhausen an den Haaren aus ihrer vertrackten Gefühlslage herausziehen möchte. Auch die Despina von Stefania Bonfadelli war mit ihrer Suche nach individuellem Witz und Persönlichkeit ein Hoffnungsschimmer in diesem orchestralen Mozart-Einerlei. Apropos Persönlichkeit, Guglielmo und Ferrando hatten wenig davon und mussten den Damen das Feld weitestgehend überlassen. Insoferne waren die Rollen fast vertauscht, was die Glaubwürdigkeit nicht unbedingt erhöhte. Die Damen wussten in Summe einfach mehr mit ihren Stimmen anzufangen, als die Herren. Ildebrando D‘ Arcangelo verließ sich beim farblosen Absingen der Partie auf seinen wohltönenden Bariton. Rainer Trost kam, bei aller stimmlichen Feinfühligkeit, die man ihm zugestehen muss, gesanglich am wenigsten zur Geltung. Er spürte die unerbittlich den Mozartklang aufsaugende Größe des Hauses wohl am meisten. Alfred Sramek versuchte mit augenzwinkernder Philosophie dem Don Alphonso neues Leben einzuhauchen. Ich bin mir nicht sicher, ob ihm das wirklich gelungen ist.

Die hübsche stilgemäße Inszenierung hat natürlich auch im Rahmen des Theaters an der Wien viel mehr Wirkung entfacht und ließ dort in so mancher Szene auch ein gewisses, kammerspielhaftes, erotisches Knistern aufkommen – was bei den Staatsoperndimensionen unmöglich erscheint. Fazit: Wer eine der Aufführungen unter Muti im Theater an der Wien gehört hat, kann sich bis auf weiteres den Weg in die Staatsoper ersparen. Diese "Cosi"-Übernahme bringt in keinem Punkt einen künstlerischen Mehrwert, den man nicht versäumen darf.

Der Applaus am Schluss – nach mehr beiläufigen Beifallskundgebungen während des Abends – war stark.

"So machen's alle, das ist ja das Problem" bringt Wilhelm Sinkovicz in der Presse vom 18.3. die Aufführung auf den Punkt. Für ihn "zerbröselt" die Aufführung "unter Seiji Ozawas Händen". Er subsummiert die Leistung Ozawas unter dem Satz: "Mozart-Stil ist seine Sache jedoch offenkundig nicht." Und er diagnostiziert bei ihm auch eine mangelnde Führung der Sänger. Im übrigen vermisst er, bei einer gewissen Wertschätzung für die Darsteller, ein Mozart-Ensemble: "Heute ist von Ensemble keine Rede mehr."

Für Gert Korentschnig im Kurier (18.3.) war es durchaus eine "Unfallfreie Übersiedlung". Im Gegensatz zu Sinkovicz war er mit der Inszenierung schon im Theater an der Wien nicht zufrieden und bezüglich Muti und Ozawa mag er sich "auf Grund der Unterschiedlichkeit der beiden Stile und der besonderen Qualitäten gar nicht festlegen. Der auswendig dirigierende Ozawa ist jedenfalls ein kluger Gestalter, der den Interpreten alle Freiräume gibt und für Schwung und aufregende Hörerlebnisse sorgt." Die Sänger kommen bei ihm - mit gewissen Einschränkungen bei Rainer Trost - gut weg.

Für Ljubisa Tosic im Standard (19.3.) war es "eine verlustreiche Übersiedlung". Er vermisst nicht nur die fehlende "Intimität" des Theaters an der Wien, "auch vom detailliert angelegten Umgang mit den Figuren ist nicht sehr viel geblieben - es regieren oberflächliche Opernkonvention und ein spannungsarmer Konversationston." Die SängerInnen schlugen sich für ihn "sehr anständig", Rainer Trost klang für ihn etwas zu "angestrengt".

Manfred A. Schmid in der Wiener Zeitung (18.3.) titelt "Große Momente sind rar".Ozawa beweist für ihn "nicht immer eine glückliche Hand. Die von ihm angeschlagenen Tempi tun der Sache oft nicht gut und scheinen mit den Sängerinnen und Sängern nicht gerade akkordiert zu sein." Auf Seite der Protagonisten "haben alle ihre großen Momente". Und betreffend Inszenierung und Bühnebild: von der "mittelmeerischen Luftigkeit" und "verspielten Heiterkeit" war "nur noch wenig vorhanden"