COSI FAN TUTTE

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Premiere
Staatsoper

Musikalische Leitung & Hammerklavier: Philippe Jordan

Regie: Barrie Kosky
Bühne & Kostüme: Gianluca Falaschi
Licht: Frank Evin
Choreinstudierung: Martin Schebesta

Fiordiligi - Federica Lombardi
Dorabella - Emily D'Angelo
Guglielmo - Peter Kellner
Ferrando - Filipe Manu / Gesang: Bogdan Volkov
Despina - Kate Lindsey
Don Alfonso - Christopher Maltman


„Cosi fan tutte als Opernprobe, die dritte“
(Dominik Troger)

„Cosi fan tutte“ als Opernprobe: Volksoper 2015, Kammeroper 2018, Staatsoper 2024. Aber Barrie Kosky hält sein Regiekonzept sicher für originell. Jedenfalls ist der neue Mozart-da-Ponte-Zyklus an der Wiener Staatsoper jetzt abgeschlossen – und die „Cosi“-Premiere war szenisch und musikalisch mit Abstand der schwächste und langweiligste der drei Premierenabende.

Aber es ist ja nicht so, dass man in Wien seit den 2000er-Jahren keine interessanten Produktionen von „Cosi fan tutte“ zu sehen bekommen hätte: 2006 gastierte eine „Cosi“ in der Regie von Patrice Chéreau im Theater an der Wien, vor zehn Jahren konnte man der Sichtweise von Michael Haneke begegnen. Beide Produktionen haben sich stark auf die „Cosi“ als „Gefühlsexperiment“ eingelassen, vor allem Haneke hat psychologisch unglaublich detailliert, fast schon pedantisch gearbeitet.

Die Vorgänger-Produktion an der Wiener Staatsoper von Roberto de Simone als Übernahme vom Theater an der Wien hat zumindest optisch einen hübschen szenischen Rahmen geboten: eine stimmungsvolle Rokokoatmosphäre mit dem Golf von Neapel im Hintergrund. (Sie wurde 2016 zum letzten Mal gespielt und hat es laut Online-Archiv der Staatsoper auf 59 Aufführungen gebracht. Geplante Neuproduktionen unter der Direktion Dominique Meyer sind nicht zustande gekommen.)

Von einem optisch ansprechenden Bühnenbild ist in der aktuellen Neuinszenierung keine Rede. Die Drehbühnenkulisse (Ausstattung: Gianluca Falaschi) zeigt Teile eines heruntergekommenen, weit in die Höhe gebauten Theaters, samt einer unansehnlichen Fluchtstiege auf seiner Rückseite. In diesem Ambiente hat Barrie Kosky die Sängerinnen und Sänger in eine hyperaktive Personenregie eingebunden. Don Alfonso agiert als Regisseur, der mit einem jungen Team eine „mehr oder weniger obskure Oper“ einstudiert – so Kosky im Programmheft zur Aufführung. Die überdrehten „sportlichen“ Aktivitäten der Mitwirkenden erschöpfen aber rasch die Aufmerksamkeit des Publikums. (Oder sollen Sänger danach beurteilt werden, ob sie auf der Bühne ein Rad schlagen können?)

Der Gedanke, aus Don Alfonso einen Theaterregisseur zu machen, ist aber zu offensichtlich und – siehe meine eingangs genannten Beispiele – so abgegriffen, dass man ihn schon deshalb nicht mehr weiter verfolgen sollte. Denn dergleichen schmeichelt nicht gerade der Kreativität eines in der Opernwelt geschätzten Regisseurs. Selbst wenn man Kosky zugute halten möchte, dass er damit den aktuellen Opernbetrieb kritisch aufs Korn nehmen wollte: Die eigentliche Handlung von „Cosi fan tutte“ kommt bei seiner Inszenierung zu stark unter die Räder. Gelungen ist eigentlich nur die Schlusspointe, wenn die jungen Gesangsolisten dem Regisseur Don Alfonso die Noten hinknallen und das Weite suchen. Das sollten Sängerinnen und Sänger öfters machen, denkt man sich, aber die brutale „Hackordnung“ an den Opernhäusern und Theatern spricht natürlich schwer dagegen.

Und weil man sich als bekennender Opernliebhaber von Neuinszenierungen ohnehin nichts mehr erwartet, war die musikalische Ausführung die eigentliche Enttäuschung des Premierenabends und verstärkte die Fadesse beträchtlich. Das Orchester unter Philippe Jordan pflegte einen schwerfälligen „Romantizismus“, der Mozarts Humor samt seinen emotionalen Affektiertheiten unter Gleichförmigkeit begrub. Im Programmheft spricht Jordan davon, dass das Besondere der „Cosi“-Musik darin liege, dass jede Nummer für sich „besonders und anders“ sei (S. 25). Aber das war am Premierenabend nicht zu entdecken. Jordan hat wieder am Hammerklavier begleitet. Seine Stärken liegen nach meinem Dafürhalten ohnehin eher im (spät-) romantischen Repertoire, von den drei von ihm dirigierten Mozartpremieren („Don Giovanni“, „Figaro“, „Cosi“) hat mich die „Cosi“ am wenigsten überzeugt.

Daran hatte auch die Besetzung einen großen Anteil. Denn nicht nur im Orchestergraben mangelte es an der beredten Klarheit herausgearbeiteter Nuancen, sondern auch auf der Bühne. Was soll man zum Beispiel von einer Dorabella halten, die im Programmfolder als „eine der weltweit besten jungen Sängerinnen“ angepriesen wird? Natürlich wird man dann Vergleiche anstellen und schnell bemerken, dass man den etwas hart timbrierten, für ihre Jugend auffallend vibratolastigen Mezzo der Emily D’Angelo mit solchen euphorischen Zuschreibungen schwer wird in Einklang bringen können. Aber könnte es sein, dass ihr androgynes Aussehen so gut ins Regiekonzept gepasst hat, dass man ihr anstelle eines Platzes im Opernstudio gleich eine Premiere angeboten hat?

Wie sich der Fall beim nicht minder jungen Tenor Filippe Manu verhält – laut Programmfolder „eines der aufregendsten jungen Talente“ – ließ sich am Premierenabend nicht überprüfen. Er war erkrankt und hat nur die Rezitative mit eigener Stimme beigetragen. Dass er ein unglaublich agiler Darsteller ist, war allerdings festzustellen. Aber siehe oben: Sollen Sänger turnen oder singen? Manu wurde am Beginn vom Staatsoperndirektor persönlich angesagt und er hat Bogdan Volkov als einspringenden, singenden Ferrando angekündigt. Und siehe da: Volkov stand die ganze Zeit ruhig vor seinem Notenpult im Orchestergraben und bot als Retter in der Not die nuancierteste gesangliche Leistung des Abends. Mit seinem feinsinnigen lyrischen Tenor malte er fast schon zu zart Mozarts musikalische „Aura“ und bewies damit zumindest, dass man Mozartgesang auch subtiler anlegen kann.

Die Damen waren der eigentliche Schwachpunkt dieser Premiere. Neben der Dorabella enttäuschte Federica Lombardi als Fiordiligi. Sie hatte nicht nur mit der „Felsenarie“ im ersten Akt zu viel Mühe (es gab nachher sogar zwei, drei Buhrufe), sondern sie fand zu keiner einheitlichen Gesangslinie, forcierte, ließ wenig Tiefe hören, sorgte für zu forsche Spitzentöne. Kate Lindseys Mezzo zählt zu jenen nüchternen Stimmen, denen für Mozart ein reichhaltiges Farbenspektrum fehlt. Sie hat, was ihr an Stimmreiz abging, mit dem ihr eigenen trockenen Humor gut „überspielt“.

Auch Christopher Maltman (Don Alfonso) und Peter Kellner (Guglielmo) haben einen nicht mit Stimmschmelz verwöhnt. Maltman wusste seine Erfahrung einzubringen und seine misogyne „Philosphie“ kam mehr robust als gewitzt über die Rampe. Peter Kellner blieb in seinen Liebesbezeugungen ähnlich zweckgebunden, ohne dabei viel gesanglichen Charme zu entwickeln. Damit fehlte der Aufführung aber insgesamt die Versöhnung des zynischen Inhaltes mit den aufgewühlten Seelenregungen der Figuren – und damit die emotionale Doppelbödigkeit des Entwurfes insgesamt, der die Gefühle der beiden Paare nicht leugnet, auch wenn er ihnen übel mitspielt.

Die Mehrheit Publikum schien zufrieden, spendete rund zehn Minuten langen, eher undifferenzierten Schlussapplaus. Beim Regieteam gab es deutliche Buhrufe, aber keine größere Teile umfassende, kollektive Entrüstung. Auffallend war, dass nach der Pause einige Plätze leer geblieben waren, es gab sogar im Parkett ein paar kleine Lücken – nicht viele, aber doch bezeichnend. Dabei wurde es erst nach der Pause so richtig langweilig, und das Bühnenbild, jetzt auf die erwähnte Fluchtleiteransicht gedreht, war in seiner funktionalen Tristesse kaum mehr auszuhalten.