COSI FAN TUTTE

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Konzerthaus
9. September 2019
Semikonzertante Aufführung


Dirigent:Teodor Currentzis

Regie: Nina Vorobyova
Kostüme: Svetlana Grischenkova
Licht: Alexey Khoroshev

musicAeterna Orchestra
musicAeterna Choir

Fiordiligi - Nadezhda Pavlova
Dorabella - Paula Murrihy
Guglielmo - Konstantin Suchkov
Ferrando - Mingjie Lei
Despina - Anna Kasyan
Don Alfonso - Konstantin Wolff


„Finale mit Cosi fan tutte“
(Dominik Troger)

Mit „Cosi fan tutte” ist der „Da-Ponte-Opern“-Zyklus unter der musikalischen Leitung von Teodor Currentzis zu Ende gegangen. Das Wiener Konzerthaus wird die drei Vorstellungen als Erfolg verbuchen, das Interesse war ebenso groß wie der Publikumszuspruch. So einen Saisonstart legt man nicht alle Jahre hin.

Teodor Currentzis ist ein „ganz besonderer Fall“. Sein intensives Mitleben auf dem Podium vermittelte den Eindruck, als möchte er am liebsten alles selber machen: dirigieren, musizieren, singen. Er versuchte die Mitwirkenden wie die Technik in einem Tonstudio zu „regulieren“, wandte sich in den Ensembles zu den Sängerinnen und Sängern links und rechts und rechts und links, und hätte für zehn Hände und fünfzig Finger genug „Arbeit“ gehabt. Er stampfte mit, er sang mit, er lebte mit. Aber hat das Resultat diesen schweißtreibenden, körperlichen Aufwand gerechtfertigt?

Das vordergründige opera-seriahafte Pathos, das Mozart seinen Figuren in der „Cosi“ immer wieder angedeihen lässt, hat Currentzis zelebriert, und Fiordiligis Rondo im zweiten Akt wurde beispielsweise so stark zerdehnt, dass einem als Zuhörer schon das Mitgefühl auszugehen drohte. Aber die parodistisch (!?) aufgefasste Doppelbödigkeit zwischen sentimentaler Liebesempfindung und dem aus Lebenserfahrung gespeisten und mit Zynismus unterlegten „Zweckoptimismus“ eines Don Alfonso wurde kaum entdeckt. Das scheint auch schwierig bei dem basslastigen Klang, in den das musicAeterna Orchestra an diesen drei Abenden immer wieder verfiel, und der die Durchhörbarkeit stark einschränkte. Mehr herausmodellierte Instrumentalstimmen  wären diesbezüglich kein Nachteil gewesen.

Nadezhda Pavlova, die an diesem Abend nach ihrer Donna Anna als Fiordiligi reüssierte, war aus Wiener Perspektive wahrscheinlich die Entdeckung dieses Gastspiels, obwohl ihr resches, etwas metallisches Organ bei der Donna Anna besser aufgehoben war. Aber sie exekutierte Mozarts Finessen bzw. das, was Currentzis daraus ableitete, hingebungsvoll und mit klaren, etwas unterkühlten Piani. Paula Murrhy konnte sich nach dem Cherubino als Dorabella besser in Szene setzen, aber ihr Mezzo wirkte auf mich in der Klangfarbe und im Vortrag zu unflexibel ohne aufzublühen.

Mingjie Lei sang einen jugendlich-frischen Ferrando, folgte ihm bis in zarte Hinterwinkel seiner Seele, wobei nach den gesanglichen Eindrücken dieser drei Aufführungen „Säuseln“ für Currentzis der adäquate stimmliche Ausdruck für die zarteren Seiten von Mozarts musikalischem Gefühlserleben sein dürfte. Vor allem im ersten Akt störte mich der starke nasale Beiklang von Leis Tenor, der zu dem weichen und überraschend ausgereiften Vortrag nicht so recht passen wollte. Konstatin Suchkov führte einen angenehmen lyrischen Bariton ins Feld – und beide agierten spielfreudig und mit jugendlicher Unbekümmertheit. Anna Kasyan lebte als Despina vor allem von ihrer quirligen, hexenartigen Bühnenpräsenz, ihr schmaler, vibrationsanfälliger Sopran trug wenig dazu bei. Konstatin Wolff gab dem Don Alfonso stimmlich und darstellerisch zu wenig Kontur

Die Regie lag wieder bei Nina Vorobyova, die vor allem aus der Maskierung der Freunde und den Auftritten Despinas viele Opera buffa-Momente herausholte. Ferrando und Guglielmo buhlten wie zwei „abgerissene“ Halodri um die Gunst der Damen und ihre üppige Perückenhaarpracht ließ keine Wünsche offen. Despina war eine wahre Furie – die sogar dem Dirigenten einen Klaps verpasste. Das war alles mehr „semiszenisch“ als „semikonzertant“ gedacht und kam sehr gut beim Publikum an. Es würde mich nicht wundern, wenn in den nächsten Jahren Nina Vorobyova als Regisseurin auf dem Abendzettel einer der großen Wiener Opernbühnen auftaucht. Wurde nicht auch der zukünftige Staatsoperndirektor im Konzerthaus gesichtet?

Am Schluss gab es rhythmisches Klatsche und der Dirigent nahm im Kreis seiner musikalischen Jüngerschar den Applaus entgegen. Vielleicht verriet sein Lächeln sogar einen Moment des Glücks. Schließlich muss man das alles erst einmal auf die Beine stellen und umsetzen: Zehneinhalb Stunden Mozart in einer Zeitspanne von rund hundert Stunden.