COSI FAN TUTTE |
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Wiener
Staatsoper im Theater an der Wien Dirigent: Riccardo
Muti Premiere
30.10.1994: |
Fiordiligi
- Barbara Frittoli |
Schön, aber ausbaufähig (Dominik Troger) Und weiter mit den "Mozart-Festwochen" im Theater an der Wien. Diesmal "Cosi fan tutte" - und der ersten Aufführung der Serie fehlte noch ein bisschen das beseelte Teamwork, um den Abend in "olympische Höhen" zu hieven. Aus der schwebenden Galanterie der Ouvertüre, die sich noch in einer gewissen Unverbindlichkeit gefiel, gelangte man über ein anscheinend unvermeidliches "Zurechtfinden" aller Beteiligten zu einer elegisch musizierten Abschiedsszene, wenn Guglielmo und Ferrando vorgeben, in den Krieg ziehen zu müssen. Hier schmerzte das Herz der Liebenden wahrhaft und wirklich, und man sah Mozart gleichsam vor sich, wie er mit seiner Musik das ganzes Mitgefühl dem Publikum zur begierigen Apperzeption hinstreut. In diese Art von Rührung hätte man sich ohne Zaudern einwickeln mögen. Aber es war die erste Aufführung dieser "Cosi fan tutte"-Triade, und es war wirklich alles erst dabei, sich wieder zu akklimatisieren. Das atemlose Lauschen des gebannten Zuhörers wurde gar nicht so gefordert - aber eine dieser Stellen war ganz gewiss die Arie des Ferrando, Michael Schade, wo jene "amoröse Aura" vielgestaltig und zärtlich seiner Kehle entströmte. Man vermeinte natürlich auch wieder in Riccardo Muti's Dirigat jede Mozart'sche Note mitverfolgen zu können - aber diese kompakte Geschlossenheit, die die "Figaro"-Aufführung vom 8. Juni so ausgezeichnet hat, kam diesmal nur zu Teilerfolgen. Das hat auch mit den beiden Damen, Angelika Kirchschlager und Barbara Frittoli zu tun, deren Stimmen schon ein wenig nachgereift sind, und die sich vom schlanken jugendfrischen Bouquet in ein mehr schwerblütigeres gewandelt haben. Aber gerade das macht dann diese Nuancen aus, die man in diesem Fall ganz einfach berücksichtigen muss. Neben Michael Schade war Bo Skovhus stimmlich am überzeugendsten, was dem Herrendoppel ein bisschen ein Übergewicht verlieh - im Vergleich zu der illustren Damenriege. Mit gewissen Abstrichen Don Alonso (Alessandro Corbelli) und Stefania Bonfadelli als Despina. Letztere überraschte mit einer dunkler getönten Mittellage, was nun zu einigen Vermutungen Anlass geben könnte (zuviel gesungen diese Saison oder eine natürliche Weiterentwicklung der Stimme?) Als Despina hat es nicht gestört, sondern eher den "realistischen" Charakter dieser Bühnenfigur gestärkt. Aber die neue Färbung nimmt der Stimme einiges an Leichtigkeit und suggeriert eine Anspannung, die man so eigentlich nicht hören möchte. Wunderschön das Bühnenbild, die gemalte Kulisse des Golf von Neapel im Hintergrund, davor Architektur eines antikisierenden Rokkoko, mit eben solchen Kostümen. Da merkt man wieder, dass ein stimmungsvolles Bühnenbild schon eine positive Grundatmosphäre schaffen kann, in der sich dann alle leichter tun, Musiker, Sänger, Publikum. Wenn dann die Kostüme noch da und dort ein wenig die Laszivität der Handlung betonen, dann hat man nichts dagegen. Und so kann man, die bestrumpften Beine von Fiordiligi und Dorabella bewundern und ihnen ein bisserl beim Dessousanziehen zuschauen. Das fördert natürlich die positive Gestimmtheit der (zumindest männlichen) Zuhörerschar. Der Abend schloss
mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Wiener Staatsoper an Riccardo
Muti auf offener Bühne. Direktor Holender dankte für Muti's
musikalisches Engagement, dass auch der Wiener Staatsoper schon so viel
gegeben habe, und Kunststaatssekretär Franz Morak sinnierte ein wenig
über die "Metasprache" der Musik im globalisierten Zeitalter,
ehe er das Dekret überreichte. Muti dankte in brüchigem, von
sekundenlangen Wortsuchpausen zerstückeltem Englisch - und das Publikum
huldigte einem seiner erklärten Lieblingsdirigenten. (Solange er
nicht "Rigoletto" in der Originalversion dirigiert; eine Punkt,
auf den Muti in seiner Dankesrede anspielte.) Im übrigen meinte der
Maestro, jetzt, nach dreißig Jahren Zusammenarbeit mit den Wiener
Philharmonikern und der Staatsoper, könne man vielleicht auch noch
in eine dreißigjährige Zukunft blicken. Jedenfalls würde
es gefährlich werden, wenn der Dirigent aus Gebrechlichkeit von der
Saaltüre bis zum Pult länger brauche, als der Satz einer Mozart
Symphonie dauert. Muti ließ sich in diesem Sinne offen, wieviele
"dreißig" Jahre es also wirklich werden. Direktor Holender
lauschte Muti's Worten und wischte sich dauernd mit einem Tuch den Schweiß
von der Stirn. Es war auch in der Tat sehr heiß im Haus. Sommer
eben. |