COSI FAN TUTTE

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Wiener Staatsoper im Theater an der Wien
im Rahmen der Wiener Festwochen

17.6.2002

Dirigent: Riccardo Muti

Premiere 30.10.1994:
Inszenierung: Roberto de Simone
Bühnebild: Mauro Carosi
Kostüme: Odette Nicoletti
Lichtgestaltung: Kurt Schöny

Fiordiligi - Barbara Frittoli
Dorabella - Angelika Kirchschlager
Guglielmo - Bo Skovhus
Ferrando - Michael Schade
Despina - Stefania Bonfadelli
Don Alfonso - Alessandro Corbelli


Schön, aber ausbaufähig
(Dominik Troger)

Und weiter mit den "Mozart-Festwochen" im Theater an der Wien. Diesmal "Cosi fan tutte" - und der ersten Aufführung der Serie fehlte noch ein bisschen das beseelte Teamwork, um den Abend in "olympische Höhen" zu hieven.

Aus der schwebenden Galanterie der Ouvertüre, die sich noch in einer gewissen Unverbindlichkeit gefiel, gelangte man über ein anscheinend unvermeidliches "Zurechtfinden" aller Beteiligten zu einer elegisch musizierten Abschiedsszene, wenn Guglielmo und Ferrando vorgeben, in den Krieg ziehen zu müssen. Hier schmerzte das Herz der Liebenden wahrhaft und wirklich, und man sah Mozart gleichsam vor sich, wie er mit seiner Musik das ganzes Mitgefühl dem Publikum zur begierigen Apperzeption hinstreut. In diese Art von Rührung hätte man sich ohne Zaudern einwickeln mögen.

Aber es war die erste Aufführung dieser "Cosi fan tutte"-Triade, und es war wirklich alles erst dabei, sich wieder zu akklimatisieren. Das atemlose Lauschen des gebannten Zuhörers wurde gar nicht so gefordert - aber eine dieser Stellen war ganz gewiss die Arie des Ferrando, Michael Schade, wo jene "amoröse Aura" vielgestaltig und zärtlich seiner Kehle entströmte. Man vermeinte natürlich auch wieder in Riccardo Muti's Dirigat jede Mozart'sche Note mitverfolgen zu können - aber diese kompakte Geschlossenheit, die die "Figaro"-Aufführung vom 8. Juni so ausgezeichnet hat, kam diesmal nur zu Teilerfolgen. Das hat auch mit den beiden Damen, Angelika Kirchschlager und Barbara Frittoli zu tun, deren Stimmen schon ein wenig nachgereift sind, und die sich vom schlanken jugendfrischen Bouquet in ein mehr schwerblütigeres gewandelt haben. Aber gerade das macht dann diese Nuancen aus, die man in diesem Fall ganz einfach berücksichtigen muss. Neben Michael Schade war Bo Skovhus stimmlich am überzeugendsten, was dem Herrendoppel ein bisschen ein Übergewicht verlieh - im Vergleich zu der illustren Damenriege.

Mit gewissen Abstrichen Don Alonso (Alessandro Corbelli) und Stefania Bonfadelli als Despina. Letztere überraschte mit einer dunkler getönten Mittellage, was nun zu einigen Vermutungen Anlass geben könnte (zuviel gesungen diese Saison oder eine natürliche Weiterentwicklung der Stimme?) Als Despina hat es nicht gestört, sondern eher den "realistischen" Charakter dieser Bühnenfigur gestärkt. Aber die neue Färbung nimmt der Stimme einiges an Leichtigkeit und suggeriert eine Anspannung, die man so eigentlich nicht hören möchte.

Wunderschön das Bühnenbild, die gemalte Kulisse des Golf von Neapel im Hintergrund, davor Architektur eines antikisierenden Rokkoko, mit eben solchen Kostümen. Da merkt man wieder, dass ein stimmungsvolles Bühnenbild schon eine positive Grundatmosphäre schaffen kann, in der sich dann alle leichter tun, Musiker, Sänger, Publikum. Wenn dann die Kostüme noch da und dort ein wenig die Laszivität der Handlung betonen, dann hat man nichts dagegen. Und so kann man, die bestrumpften Beine von Fiordiligi und Dorabella bewundern und ihnen ein bisserl beim Dessousanziehen zuschauen. Das fördert natürlich die positive Gestimmtheit der (zumindest männlichen) Zuhörerschar.

Der Abend schloss mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Wiener Staatsoper an Riccardo Muti auf offener Bühne. Direktor Holender dankte für Muti's musikalisches Engagement, dass auch der Wiener Staatsoper schon so viel gegeben habe, und Kunststaatssekretär Franz Morak sinnierte ein wenig über die "Metasprache" der Musik im globalisierten Zeitalter, ehe er das Dekret überreichte. Muti dankte in brüchigem, von sekundenlangen Wortsuchpausen zerstückeltem Englisch - und das Publikum huldigte einem seiner erklärten Lieblingsdirigenten. (Solange er nicht "Rigoletto" in der Originalversion dirigiert; eine Punkt, auf den Muti in seiner Dankesrede anspielte.) Im übrigen meinte der Maestro, jetzt, nach dreißig Jahren Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern und der Staatsoper, könne man vielleicht auch noch in eine dreißigjährige Zukunft blicken. Jedenfalls würde es gefährlich werden, wenn der Dirigent aus Gebrechlichkeit von der Saaltüre bis zum Pult länger brauche, als der Satz einer Mozart Symphonie dauert. Muti ließ sich in diesem Sinne offen, wieviele "dreißig" Jahre es also wirklich werden. Direktor Holender lauschte Muti's Worten und wischte sich dauernd mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Es war auch in der Tat sehr heiß im Haus. Sommer eben.