IL RITORNO D' ULISSE IN PATRIA
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Theater a.d. Wien
22. März 2017
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: René Jacobs

Orchester: B'Rock Orchestra Gent

Ulisse - Stéphane Degout
Penelope - Katarina Bradic
Telemaco / Giove - Anicio Zorzi Giustiniani
Fotuna / Melanto /Ericlea - Mari-Ellen Nesi
Eumete - Thomas Walker
Antinoo / Tempo - Marcos Fink
Iro - Jörg Schneider
Nettuno - Jérome Varnier
Minerva |
L´Umana fragilitá - Marie-Claude Chappuis
Giunone | Amore - Mirella Hagen
Pisandro - Mark Milhofer
Anfinomo - Johannes Chum
Eurimaco - Pierre Derhet


"Semikonzertanter Ulisse"
(Dominik Troger)

Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ besuchte für eine semikonzertante Aufführung das Theater an der Wien. Es handelte sich um eine von René Jacobs betreute Brüsseler Koproduktion von Klarafestival, dem Opernhaus La Monnaie und dem Bozar Centre For Fine Arts.

Langsam aber sicher werde ich ein Fan von semikonzertanten Aufführungen, in denen sich die Musik nicht seltsamen Regiekonzepten unterwerfen muss. In diesem Fall wurde das B‘Rock Orchestra Gent auf die Bühne befördert, der Orchestergraben wurde geschlossen und mit Sitzreihen bestückt. Die Raumteiler aus der aktuellen „Elisabetta“-Produktion dienten – natürlich als Raumteiler. Ein leicht erhöhter Laufsteg war hinter dem Orchester angebracht, mit einem Gang in der Mitte nach vorne zur Rampe. An der Rampe gab es einen Sessel und ein Tischchen. Außerdem wurden die rechte und die linke Proszeniumsloge bespielt – etwa im Prolog zum Auftritt von Tempo und Fortuna genützt. Penelope sang ihren Eingangsmonolog am Tischchen sitzend, schreibend, wartend. Der Laufsteg diente ebenfalls als Spielfläche. Das Geschehen war in den Auftritten klug choreographiert, es gab zwar keine durchgehende Kostümierung, aber ein paar zweckdienliche Bekleidungsstücke. Die Freier mit ihren T-Shirts und dem Aufdruck „Make Ithaka great again“ erweckten Heiterkeit.

Der Bogenwettkampf wurde pantomimisch ausgekostet, die Freier plagten sich ohne Erfolg, die nicht vorhandene Sehne zu spannen. Die Orchestermusiker inklusive musikalischem Leiter duckten sich vor dem vermeintlichen Pfeil. Dem standen expressive Szenen gegenüber wie etwa der erwachende Ulisse, der sein Schicksal beklagt. Die Kunst besteht nicht nur beim „Ulisse“ darin, die ganze Welt im kleinen Ausschnitt einzufangen, die ironische Perspektive über dem großen mythologischen Stoff nicht zu aus den Augen zu verlieren.

Die Stimmen der Sänger waren klug gewählt, die Männerstimmen insgesamt vielleicht eine Spur überzeugender: Stéphane Degout spielte den unbehausten Griechen, je nach Status des Helden bloßfüßig oder beschuht, und formte aus ihm einen für Monteverdi fast schon zu existentiell raumgreifenden Charakter. Degout stand mit seinem geerdeten Bariton im Zentrum, der stimmkräftig, aber nuanciert, die ganze Gefühlskala vom Schmerz bis zur Freude durchmaß. Die Freier in Spiellaune vom Bassbariton (Marcos Fink) über einen lyrischen Tenor (Johannes Chum) bis hin zum mit noch charakteristischer tenoraler Stimmfarbe agierenden Mark Milhofer waren sehr gut aufeinander abgestimmt. Jörg Schneider als vielfressender Iro hatte bei seinem köstlichen Tenorporträt die Lacher auf seiner Seite.Mit Pierre Derhet stellte sich ein junger belgischer Tenor dem Publikum vor, der mit hübscher Lyrik als Eurimaco der begehrenswerten Melanto nachstellte. Anicio Zorzi Giustiniani lieh seinen jugendlichen, leicht angerauten Tenor dem Telemaco. Als Hirte führte Thomas Walker schon einen leicht gereifteren Tenor ins Feld.

Bei den Damen konzertierte sich das Interesse natürlich auf die Penelope der Katarina Bradic, die im schwarzen Kleid eine verführerische Melancholie verströmte, deren dunkel grundierter Mezzo aber vielleicht ein wenig zu selbstzüchtig agierte. Aber das lange Warten auf den Gemahl wird Penelope gewiss zermürbt und ihr eine fast schon klösterliche Ernsthaftigkeit abgerungen haben. Marie-Claude Chappuis schmiedete mit ihrem Mezzo Minervas kecke Ränke – mit gekränktem Stolz, mit ein bisschen Rachsucht, mit ein bisschen Heldenverliebtheit. Mary-Ellen Nesi sang die begehrte Melanto. Mirella Hagen und Jérome Varnier als Nettuno ergänzten das Ensemble.

René Jacobs stand am Pult und hatte auch die musikalische Einrichtung besorgt. Das B’Rock Orchestra Gent sorgte für eine belebte musikalische Begleitung, klanglich ausgewogen und mit einer zu Feingefühl und abgerundeten Kanten fähigen „historisch orientierten Aufführungspraxis“. Schon zur Pause gab es im sehr gut besuchten Theater an der Wien starken Applaus für diesen gelungenen Abend.