L'ORFEO
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Monteverdi-Portal

Theater an der Wien
22. Februar 2022
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Fabio Biondi

Europa Galante
RIAS Kammerchor

Orfeo - Ian Bostridge
Euridice, Musica - Monica Piccinini
Messageria, Speranza - Marina de Liso
Ninfa, Proserpina - Roberta Invernizzi
Apollo - Francesco Marsiglia
Caronte
- Ugo Guagliardo
Plutone - Fabrizio Beggi
Pastore, Spirito - Filippo Mineccia
Pastore, Spirito, Valentino Buzza
Pastore, Eco - Matheus Pompeu


Orfeos Winterreise
(Dominik Troger)

Von der „Jenufa“ zu „L'Orfeo“, das ist ein gewaltiger Schritt vierhundert Jahre zurück in der Operngeschichte. Das Theater an der Wien lud zu einer konzertanten Aufführung mit dem Ensemble Europa Galante unter Fabo Biondi und mit Ian Bostridge in der Titelpartie.

Monteverdis „L’Orfeo“ schaut immer im Abstand von ein paar Jahren in Wien vorbei: Anlässlich der Uraufführung vor vierhundert Jahren brachte Rene Jacobs das Werk 2007 konzertant ins Theater an der Wien. 2011 hat es dort Regisseur Claus Guth mit einer mythenfernen, modernen Nacherzählung versucht, die mit dem Selbstmord des Orpheus endete. Sechs Jahre später haben Les Arts Florissants im Musikverein das Werk in einer semikonzertanten Version aufgeführt – und heuer wird sich auch noch die Staatsoper im Juni mit einer Neuproduktion anschließen.

Den Kristallisationspunkt dieser konzertanten Aufführung unter Fabio Biondi im Theater an der Wien, die als „Tournee“ über Hamburg und Barcelona nach Wien gereist ist, bildete der englische Tenor Ian Bostridge. Er imaginierte dem Publikum den Orfeo als hochgewachsene, von schmerzvoller Verlusterfahrung gezeichneten Figur. Immer wieder bog sich sein Leib unter dem deklamatorischen Sprechgesang mit dem er denn thrakischen Sänger durch die „Winterreise“ seines Lebens führte. Beim „Possente spirto“, dessen Verzierungen von Bostridge dazu genützt wurden, um wie stammelnd Orfeos Ausnahmesituation vorzustellen, hätte man im Publikum eine Stecknadel fallen hören.

Bostridges Vortrag kam mir noch detailfreudiger vor, als bei der bekannten Gesamtaufnahme unter Emmanuelle Haim, basierend auf einer schonungslos zur Schau gestellten Innigkeit. Sein Tenor hat sich seither offenbar ein bisschen geraut, sein Orfeo malt eine wolkenverhangene Seelenandschaft. Wie hat es Bostridge in einem Vortrag nicht einmal ausgedrückt? „The song sings the singer“ – und so schien Orfeo von ihm und seiner schlanken großen Gestalt Besitz zu ergreifen, wie einen Eremiten die Leidensgeschichte des Herrn entzückt.

Monica Piccini steuerte mit ihrem silbrig schimmernden lyrischen Sopran die Euridice bei, erreichte aber nicht ganz die emotionale Anteilnahme des Orfeo. Selbige spiegelte sich stark in der Messagera der Marina de Liso wider, die für die Schilderung des schrecklichen Geschehens ihrem Mezzo eine zarte, mitfühlende Unmittelbarkeit entlockte. Roberta Invernizzi war mit lyrischem Sopran als hübsche Nymphe und als unterwelterfahrene Proserpina zuhören. Die Herren um Bostridge agierten mehr im Kollektiv, Caronte mit leichtem Bass (Ugo Guagliardo) und der etwas düstere gefärbtere Plutone (Fabrizio Beggi) waren im Hades zugegen, Filippo Mineccia, Valentino Buzza, Matheus Pompeu sorgten für Hirten und Geister. Der Apollo von Francesco Marsiglia hätte bei der „Himmelholung“ des Orfeo etwas mehr „erstrahlen“ können.

Fabio Biondi und Europa Galante sorgten für eher getragenem Tempi und gediegenes Musizieren, ihnen stand der RIAS Kammerchor zur Seite. Das Publikum war vom Gehörten angetan und spendete nach nicht einmal zwei Stunden (inklusive einer Pause) reichlich Beifall.