WERTHER
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Staatsoper
27. April 2013

Dirigent: Bertrand de Billy

Werther - Roberto Alagna
Albert - Tae-Joong Yang
Le Bailli - Andreas Hörl
Charlotte - Vesselina Kasarova
Sophie - Daniela Fally
Schmidt - Thomas ebenstein
Johann - Hans Peter Kammerer


Charlotte kam mit dem Flugzeug
(Dominik Troger)

In der dritten Aufführung der aktuellen „Werther“-Serie an der Staatsoper sang nicht Elina Garanca die Charlotte, sondern Vesselina Kasarova. Garanca hatte kurzfristig wegen Erkrankung abgesagt. Kasarova wurde direkt zur Vorstellung eingeflogen.

Vesselina Kasarova hat die Charlotte in dieser Inszenierung schon mehrmals gegeben, zuletzt 2012, sie konnte die Partie also „nahtlos“ übernehmen. Ihre Charlotte ist im Ausdruck etwas herber als jene von Garanca, das Timbre ihres Mezzos ist dunkler, und sie trug ihr Schicksal mit einem leicht heroischen Zuschnitt. Ihre Charlotte scheint vom ersten Takt an nicht glücklich zu sein, und wirkte an diesem Abend melancholischer und verzweifelter als Werther, was die Perspektive ein wenig verschoben hat.

Roberto Alagna gibt mit dieser Serie sein „Werther“-Debüt an der Staatsoper. Eigentlich passt zu seinem Naturell der Des Grieux besser. Alagna vermittelt nicht unbedingt den Typ eines einsamen depressiven Literaten, sondern mehr den eines lebensfrohen, verliebten Mannes, auf den auch die Damen gerne einen Blick werfen. Er musste stimmlich teilweise schon stark forcieren, das trübte etwas den gesanglichen Eindruck, und im ersten Akt musste man zuerst ein bisschen mitzittern.

Letztlich siegten an diesem Abend wie schon oft sein sängerischer Charme und seine Erfahrung – und vor allem geriet das Finale, das er mit Kasarova zuerst recht kuschelig und gemütlich auf dem Bette zubrachte, sehr intensiv. Das Publikum hätte fast an Romeo und Julia denken können, nur das blutbesudelte weiße Hemd Werthers passte nicht in diesen Rahmen. Aber die Situation verschärfte sich partiturgetrieben ohnehin früh genug, Alagna ließ den Kopf rückwärts über die Bettkante baumeln, Kasarova gab eine schwer erschütterte Charlotte. Dieses Abschiednehmen war im besten Sinne „große Oper“.

Daniela Fally sang und spielte wieder eine wendige Sophie, Tae-Joong Yang ist für mich nicht gerade der Inbegriff eines französischen Baritons, seine Stimme klang etwas schwerfällig und rauh. Andreas Hörl gab einen autoritären Le Bailli. Aber was soll man auch von Menschen halten, die Kinder im Sommer Weihnachtslieder üben lassen. Bertrand de Billy war wieder recht zupackend unterwegs, dirigierte einen dramatisch übersteigerten „Werther“, klanglich in den Streichern recht schön und füllig, aber insgesamt für meinen Geschmack zu wenig an der lyrischen Poesie und sinnlichen Eleganz der Partitur orientiert.

Das Publikum ließ sich vom vierten Akt mitreißen – und als Werther und Charlotte gemeinsam vor den Vorhang traten, gab es viel Applaus und Bravorufe. Alagna erhielt nach seiner sehnsüchtigen Hommage an Ossian im dritten Akt Szenenapplaus, Kasarova nach der Briefszene.