WERTHER
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Staatsoper
18.1.2011

Dirigent: Frédéric Chaslin

Werther - Jonas Kaufmann
Albert -
Adrian Eröd
Le Bailli - Janusz Monarcha
Charlotte -
Sophie Koch
Sophie -
Ileana Tonca
Schmidt - Benedikt Kobel
Johann - Clemens Unterreiner


Eine Frage des Stils?
(Dominik Troger)

Mit Spannung wurde das „Werther“-Rollendebüt von Jonas Kaufmann an der Wiener Staatsoper erwartet. Es wurde – mit Sophie Koch als Partnerin – der programmierte Erfolg.

Jonas Kaufmann gilt derzeit als Superstar. Eine Beurteilung, die natürlich immer nur „subjektiv“ sein kann, fällt hier umso schwerer. Kaufmann Fans werden mit den folgenden Zeilen keine ungeteilte Freude haben.

Jonas Kaufmanns baritonaler Tenor hat auch an diesem Abend seine begeisternde Wirkung auf das Publikum nicht verfehlt, wird aber in seinem sängerischen Individualstil immer wieder auch kritisch hinterfragt werden. So konnte man in den beiden Pausen durchaus Besucherstimmen hören, die ob der unfokussierten, gaumigen Tiefe und der sehr dunkel (ver)färbenden Mittellage, dem schwerfälligen Vortrag und der wenig tragenden Piani so ihre Zweifel hatten.

Und allzuoft schwappte auch für mich dieses „Baritonale“ wie eine zu ölige Flüssigkeit einebnend über die Gesangslinie. So blieb Werthers Schwärmerei den ganzen Abend an ein (zu?) viriles Fundament gebunden, das seine Leidenschaften nicht durch kunstvoll gesponnene Poesie verfeinern konnte. Zudem verschob er beim „Pourquoi me réveiller“ (und nicht nur hier) mit kräftigem Verismoausbruch die fragile Gefühlswelt Massenets in die Richtung eines Canio oder Don José – wovon der Gesamteindruck, den seine Stimme hinterließ, aber durchaus positiv profitierte.

Kaufmann hat vor einigen Tagen in einem Interview mit der Tageszeitung Kurier angedeutet, dass er Probleme damit habe, Werther „sympathisch“ zu finden. Vielleicht hindert ihn eine prinzipielle Abneigung daran, sich der Innerlichkeit und depressiven Eigendynamik dieses Charakters anzuvertrauen. Schon im ersten Akt, als er den Neurotiker mimte, einen verklemmt-schüchternen Burschen, der von seinem Anzug immer wieder Staubkörnchen putzte, schien dieser „Werther“ „konstruiert“ und wenig „natürlich“ – und wenn er sich dann, im Finale des ersten Aktes, noch zu einem sehr äußerlichen Gefühlsausbruch hinreißen ließ, so stellte sich mir überhaupt die Frage, ob ein Werther, der solcher Art reagiert, diesen langen Weg zum Selbstmord schauspielerisch rechtzufertigen vermag. Und konsequenter Weise bot Kaufmann für mich auch im Finale keine überzeugende Lösung an, als er noch einmal vom Totenbette auferstand und dann stocksteif auf seine Ruhestätte fiel.

Sophie Kochs Charlotte bevorzugte eine gefasste, eher abgeklärtere Gefühlshaltung, ohne dabei manieristisch oder besonders „emotional“ zu werden. Ihre Stimme verfügte in allen Lagen über eine klare Tongebung, und bei ihr konnte man auch hören, wie man in Massenets musikalische Emotionen eine durchgehende künstlerisch-stilistische Linie bringt.

Adrian Eröd steuerte den Albert bei, sein Bariton klang an diesem Abend nicht so frisch wie gewohnt. Die Sophie der Ileana Tonca ist bewährt, zeigte jugendliche Lebensfreude und sorgt für hübsch-passenden Gesang. Der Kinderchor vom Beginn vermittelte realistisch, dass es eine Qual sein muss, im Sommer Weihnachtslieder zu üben – und Janusz Monarcha vermittelte die Qual, einen solchen Chor leiten zu müssen. Clemens Unterreiner hinterließ bei den „Nebenfiguren“ wieder einmal den mit Abstand besten Eindruck.

Das Orchester unter Frédéric Chaslin erreichte in der Gesamtschau mittelprächtiges Repertoireniveau, wenn man das so kurz und prägnant klassifizieren darf. Einige Stellen gelangen schön, und man wurde daran erinnert, wie feinfühlig und mit welch geschmackvoller Klangsinnlichkeit Massenet die Partitur gearbeitet hat, anderes wieder geriet einfach nur zu laut.

Der Schlussapplaus fokussierte vor allem Kaufmann und Koch und währte ziemlich genau zehn Minuten lang.