WERTHER
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Staatsoper
5.1.2008

Dirigent: Marco Armiliato

Werther - Rolando Villazón
Charlotte - Sophie Koch
Albert - Markus Eiche
Sophie - Laura Tatulescu
Le Bailli - Alfred Sramek
Johann - Markus Pelz
Schmidt -
Peter Jelosits


Jugendlicher Werther
(Dominik Troger)

Rolando Villazón ist auf die Opernbühne zurückgekehrt. Der „Werther“ liegt ihm nicht nur darstellerisch – er passt auch bestens zu seiner Stimme, deren charakteristisches Timbre sie in romantisch-schwermütige Farben taucht. Doch wie würde es nach der mehrmonatigen sängerischen Zwangspause um diese Stimme wirklich bestellt sein?

Es war kein glanzvolles, stürmisches „die-Bühne-zurück-erobern“, sondern ein wohlkalkuliertes, von Vorsicht geprägtes Unterfangen, dem das darstellerische Gesamtkonzept den eigentlichen Rückhalt bot. Villazón, der es bestens versteht, seine Bühnenfiguren zu treffenden Charakteren auszubauen, gab den Werther als jugendlichen Menschen, der seinen heftigen Gefühlswallungen ziemlich ratlos gegenüber steht. Dieser Mensch leidet unter einer starken Sensibilität, für die seine Umgebung kaum das richtige Verständnis aufbringt. Er versteigt sich in Schwärmereien und rettet sich in einen „selbstmörderischen Liebestod“. Villazóns „Werther“ ist seinem „Romeo“ verwandt – und wenn auch die näheren Umstände andere sein mögen, in beiden Fällen treffen jugendlicher Überschwang und Gefühlstiefe auf eine kühle Welt rationaler Gesetzmäßigkeiten und zerbrechen daran.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Sterbeszene zu sehen, in der Villazón mit seiner Partnerin – Sophie Koch – eine Art von „Liebestod“ inszenierte (im Gegensatz zum ursprünglichen Regiekonzept, das Charlottes Verzweiflung hysterisch auskostet). Hier gibt es noch ein Austauschen von gemeinsamen Zärtlichkeiten, eine letzte erfüllende Gemeinsamkeit, die Werthers Liebes- und Todessehnsucht einen verklärenden Schimmer verleiht. Als dramatischen Schlusspunkt ließ er sich effektvoll von seiner Bettstatt rollen, dem Orchestergraben zu, um in Charlottes tröstenden Armen zu sterben.

Villazón bekam Auftrittsapplaus, der etwas länger dauerte, aber sehr gefasst klang – kaum von Bravorufen begleitet, einem dezenten, aber deutlichen „Mutzusprechen“ vergleichbar. Dann begann er zu singen, fast leise, mit schön timbrierter, ausgeruht wirkender Stimme, die er vorsichtig, wie auf „Zehenspitzen“ balancierte, um sich an die wiedergewonnene Bühnenerfahrung heranzutasten. Doch im Laufe des Abends wurde immer deutlicher, dass diesem Herantasten kein wirkliches „Loslassen“ folgte, und dass das Stimmvolumen geringer ausfiel als zuletzt – oder durch sein vernünftiges Maßhalten auf das eigentliche Maß reduziert wurde. Das Orchester unter Marco Armiliato versuchte zwar tunlichst, Villazón nicht zuzudecken, doch ganz vermeiden ließ es sich nicht, zumal im dritten Aufzug, in der „prekären“ Weihnachtsszene, als Charlotte und das Orchester „Werthers“ Klagen deutlich übertönten.

Doch das war es nicht allein. Das schmerzliche Fazit des Abends muss wohl lauten: Villazóns stimmliche Ressourcen scheinen begrenzt, und er und das Publikum haben sich danach zu richten (zumal sich da und dort noch weitere Unzulänglichkeiten einschlichen wie der misslungene Schluss des zweiten Aktes). Außerdem hielt sich die lockere Fülle des Timbres nur kurz, und ich hatte den Eindruck, als „verschlanke“ sich die Stimme im Laufe des Abends zusehends. In der Todesszene zog er sich auf ein mehr rezitatives, expressiv gestaltetes Piano zurück, das dem sterbenden Werther eine eigene, sehr berührende Note verlieh.

Villazón wurde beim Schlussvorhang mit dankbarem Jubel empfangen (vor den beiden Pausen senkte sich gleich der Eiserne herab und „untersagte“ das Beklatschen der SängerInnen). Bei einer seiner Dankesgesten legte Villazón symbolisch sein Herz auf die Bühne der Staatsoper – ein überschwenglicher Gruß an das Publikum.

Sophie Koch legte die Charlotte etwas dramatischer, nüchternen an – was auch zu ihrem helleren, mehr sachlichen, nicht wohlig in Gefühlstiefen wühlendem Timbre passte. Die Briefszene war perfekt durchgestaltet und erhielt im gefährlichen Spiel mit dem Kuvertmesserchen eine interessante suizidale Komponente. Das Zusammenwirken mit Villazon war im dritten und vierten Akt recht stimmig und wurde im Finale von einer bewegenden Zärtlichkeit getragen.

Markus Eiche hat Albert bei seinem Staatsoperndebüt jene fiese Einfärbung eines quasi gehörnten Gatten gegeben, die die Inszenierung vorsieht. Das Orchester musizierte recht gefühlvoll und mit Verständnis für die besondere Ausgangssituation dieses Abends ...