WERTHER
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Staatsoper
20. November 2015

Dirigent: Frédéric Chaslin

Werther - Matthew Polenzani
Albert - Markus Eiche
Le Bailli - Alfred Sramek
Charlotte - Elina Garanca
Sophie - Hila Fahima
Schmidt - Peter Jelosits
Johann - Mihail Dogotari


Intensiv erlebtes Beziehungsdrama
(Dominik Troger)

Die aktuelle „Werther“-Inszenierung erblickte im Jahr 2005 die Bühnenwelt der Wiener Staatsoper. Der riesige Baum, der die Szene beherrscht, ist seither nicht kleiner geworden – und das Werk pflegt nach wie vor seinen Liebhaberstatus, Publikumsmassen lassen sich mit ihm nur unter ganz besonderen Umständen mobilisieren.

Über die Jahre waren die inzwischen (laut Programmzettel) 54 Aufführungen des Werkes seit der Premiere meist gut bis sehr gut besetzt. Besonderes Interesse erregten das Antreten von Jonas Kaufmann (2011) und Rolando Villazón (2008) als selbstmordlüsterne Ossianverehrer. Die Produktion ist natürlich eng mit der Charlotte von Elina Garanca verknüpft, die die Premierenserie geprägt hat – und die jetzt wieder in dieser Rolle an vier Abenden in Wien gastierte. Laut Online-Datenbank der Wiener Staatsoper sang Garanca an diesem 20. November die Partie in Wien zum 25. Mal.

Garancas Mezzo ist etwas nachgedunkelt und eine Spur dramatischer geworden. Die Sängerin möchte deshalb, wie sie in Interviews angedeutet hat, in Zukunft auch Rollen zurücklegen, etwa im Mozartfach oder den Octavian. Die Stimme wirkt jetzt tiefgründiger in der Emotion. Sie beginnt, sich vom naiv-drängenden Eros der Jugend abzuheben und die „Amoretten“ gegen starke Frauenfiguren zu tauschen. Der Glamourfaktor, der die damals noch sehr junge Sängerin bei der „Werther“-Premiere 2005 umgeben hat, verstärkte mit dem in perfektes Mezzogold gegossenen Vortrag eine gewisse „Künstlichkeit“ in der Darbietung. Jetzt wirkt Garancas Charlotte emotional drängender auf mich, bringt sie dieses Drama von Liebe und Resignation schonungsloser auf den Punkt. Verstärkend kam an diesem Abend hinzu, dass die „Bühnenchemie“ mit Werther (Matthew Polenzani) sehr stimmig war: Beide widmeten sich intensiv der zunehmenden Hoffnungslosigkeit ihrer Liebe.

Polenzanis Tenor ließ ein leicht gerautes Timbre hören mit wenig Glanz in der doch etwas limitiert wirkenden Höhe. Das klang zuerst nicht sehr attraktiv. Der Sänger benötigte etwas Zeit, bis die Stimme geschmeidiger wurde, und dann bot er – nicht nur in der Sterbeszene – ein gesanglich sehr feinfühlig ausformuliertes Rollenporträt, wobei ihm auch das „Pourqoui me reveiller“ mit schönen Piano-Effekten gelang.

Markus Eiche fügte mit seinem reichhaltig timbrierten Bariton noch das Sahnehäubchen hinzu: Albert zuerst als Liebender, dann ein enttäuschter Mann, der seinen Grimm nicht mehr unterdrücken kann. Die Figur erhielt durch Eiche mehr Präsenz als üblich und das fatale Beziehungsdreieck konnte dadurch seine dramaturgische Wirkung voll entfalten.

Hila Fahimas Sophie (in dieser Serie Rollendebüt am Haus) klang passend kokett, mit für die Verhältnisse der Staatsoper etwas zart besaiteter Stimme. Mit Peter Jelosits als Schmid und Alfred Sramek als Le Bailli standen an diesem Abend zwei weitere Mitglieder der Premierenbesetzung auf der Bühne. Dazu gesellten sich Mihail Dogotari als Johann und die Kinder der Opernschule.

Das Orchester unter Frederic Chaslin war an diesem Abend überdurchschnittlich gut disponiert und sorgte immer wieder für leidenschaftlich-drängende aber auch schmerzvoll lyrische Momente. Das Publikum spendete dankbaren Beifall, und hatte es dabei vor allem auf das unglückliche Liebespaar abgesehen.