THAIS

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Wiener Konzerthaus
Konzertante Aufführung
27.4.2007


Dirigent: Michel Plasson

RSO Wien
Wiener Singakademie

Thaïs - Renée Fleming
Athanaël - Thomas Hampson
Nicias - Eric Laporte
Palémon - Nicolas Cavallier
Crobyle - Magali Léger
Myrtale - Delphine Haidan
La Charmeuse - Elizabeth Vidal
Albine - Caitlin Hulcup

„Lustvolle Büßerin “
(Dominik Troger)

Im Wiener Konzerthaus wurde in zwei konzertanten Aufführungen Massenets „Thaïs“ zum Leben erweckt. Renée Fleming, Thomas Hampson und ein sinnlich aufspielendes RSO Wien sorgten für eine stimmige Umsetzung.

„Thaïs“ spielt im vierten Jahrhundert nach Christi Geburt. Die Oper erzählt die Geschichte von Thaïs, einer Venuspriesterin aus Alexandria, die vom asketisch-christlichen Eiferer Athanaël zum Glauben bekehrt, ihren Kurtisanenpalast mit der büßenden, fleischlosen Gottesanbetung in einem Wüstenkloster tauscht – ein Tausch, den sie mit ihrem Leben bezahlt (und Athanaël mit dem unerfüllt bohrenden Stachel der Fleischeslust). Thaïs hat genau jenen Punkt in ihrem Leben erreicht, wo das Nachdenken über die eigene Schönheit zur unmissverständlichen Erkenntnis führt, dass irdische Schönheit vergänglich ist. „Venus, antworte mir, dass die Schönheit ewig bleibt!“ Derart verunsichert gibt sie dem tröstenden Köder des ewigen Lebens, den Athanaël geschickt auswirft, den Vorzug.

Massenet hat zu dem knappen Libretto, das im wesentlichen auf den Konflikt zwischen Thaïs und Athanaël abstellt, eine duftig-sinnliche, manchmal leicht von orientalischen Klängen durchwobene Musik geschrieben, deren schwelgerischer Kern, das Violinthema des Zwischenspiels im zweiten Akt, einen ohrwurmgemäßen, über die Oper hinausragenden Bekanntsheitsgrad erlangt hat. Bei der Charakterisierung der Thaïs sind Anklänge an „Manon“ nicht zu überhören („Manon“ wurde 1884, zehn Jahre vor „Thaïs“, uraufgeführt) – das gilt vor allem für die große Szene der Thaïs am Beginn des zweiten Aktes. Im Gegensatz zu „Manon“ entwickelt die Musik zu „Thaïs“ aber einen sensibleren, parfumhaften Charakter.

Renée Fleming erfüllte die Thaïs mit gelassen-schwebender, divengleicher Selbstinszenierung, die sogar im großen Konzerthaussaal bis in die hinterste Galeriewölbung für hautnahe Sensualität sorgte. Das kardinalsrote Prachtkleid, die blanken Schultern, spiegelten das erotische Bekenntnis der Kurtisane wider, einer sehr noblen Kurtisane, Palastbesitzerin wohlgemerkt. Fleming tauchte die Partie in einen sensiblen, verletzbaren Eros, dem zwar noch ein Rest jugendlichen Ungestüms eigen ist, das aber vor der entscheiden Frage nach der Vergänglichkeit stark ins Wanken gerät. Ihr sinnlicher, höhensicherer Sopran ließ kühlere Herbstfarben ahnen – aber ihre wunderbaren Piani atmeten dieses Wissen mit süßer Melancholie. Verwunderte es, wenn sie nach der Pause als Büßerin im schwarzen Kleide erschien? Die Helle des Dekolletés, die armlangen schwarzen Samthandschuhe, das lange Ohrengeschmeid: es war nur zu verständlich, dass Athanaëls Verzückung über eine solche Büßerin den Glauben an fleischkarge fastengemäße Asketenkost auf eine harte Probe stellt. Und so starb denn Fleming-Thaïs mit einer Erregung auf den Lippen, die zwischen Liebeslust und religiöser Ekstase keinen Unterschied mehr macht: „Je vois .... Dieu!“

Athanaël war bei Thomas Hampson bestens aufgehoben, etwas starr, voll religiöser Ideologie und dann doch diese Strenge über Bord werfend, am Schluss durch Thaïs Tod gebrochen. Hampson war gut bei Stimme und sorgte zusammen mit Fleming für bühnennahe Dramatik, was jedem konzertanten Opernabend eine zusätzliche Würze verleiht.

Den übrigen Personen auf der Besetzungsliste kommt mehr Stichwortcharakter zu. Nicias, Tenor und in Thaïs verliebt, spielt noch eine gewisse Rolle, Eric Laporte hat das angemessen umgesetzt. Die Koloratureinlagen im zweiten Akt haben viel Operettenhaftes an sich: Elizabeth Vidal (La Charmeuse) „soubrettierte“ mit mäßigem Erfolg. Die übrigen Mitwirkenden agierten unauffällig.

Für mich überraschend: der sinnliche Tonfall des RSO Wien, mit vorzüglicher (!) Solovioline beim bekannten Thema. Michel Plasson bewies viel Sinn für Massenets luzide Komposition, und man spürte trotzdem jene Emphase, die an der Grenze zum Kitsch entlangwandernd, aus den Massenet’schen Opernschöpfungen ein großes Maß an Rührung gewinnt.

Starken Beifall gab es am Schluss vom Publikum, das nach dem Applaus eifrig zum Autogrammtermin mit den beiden Weltstars ins Eingangsfoyer eilte.

(Die beiden Aufführungen fanden am 25. und am 27.4. statt.)

Version 1.01 am 6.5.07 mit kleiner Korrektur