MANON |
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Wiener
Staatsoper Dirigent: Bertrand de Billy |
Manon
- Pretty Yende Chevalier Des Grieux - Charles Castronovo Graf Des Grieux - Dan Paul Dumitrescu Lescaut - Michael Arivony G. de Morfontaine - Andrea Giovannini Brétigny - Martin Häßler Poussette - Miriam Kutrowatz Javotte - Stephanie Houtzeel Rosette - Daria Sushkova Dienerin - Kristina Agur Pförtner - Hacik Bayvertian Zwei Gardisten - Wolfram Igor Derntl, Michael Wilder Wirt - Nikita Ivasechko |
Ein kleiner Hauch von königlichem Glanz schwebte an diesem Sonntagabend über der Vorstellung der Jules Massenetschen „Manon“ an der Wiener Staatsoper. Pretty Yende, am Vortag noch bei der Krönung von Charles III. in London engagiert, sang einen Tag später die Titelpartie in Wien. „Royalisten“ werden mit der Staatsopern-„Manon“ trotzdem wenig Freude haben. Regisseur Andrei Serban und sein Ausstatter Peter Pabst haben die Handlung aus dem 18. Jahrhundert in das Pariser Ganovenmilieu der Zwischenkriegszeit verlegt. (Nicht auszudenken, wenn man in London einen „modernen“ Opernregisseur mit der Planung der Krönungsfeierlichkeiten beauftragt hätte!) Aber es gibt auf der Staatsoperbühne inzwischen viel Unansehnlicheres, als diese „Manon“-Inszenierung – und Serban/Papst haben keine Figuren verdoppelt, Live-Videos implementiert und was an weiteren Ärgernissen derzeit groß in Mode ist. (Die Produktion stammt aus dem Jahr 2007. Die beschriebene Vorstellung war laut Programmzettel die 56. Aufführung in dieser Inszenierung.) Pretty
Yende hat in den letzten Jahren international große Karriere
gemacht, nach meinem Eindruck nicht immer mit Partien, die ihr wirklich
liegen. Als Manon kann sie einige Vorzüge ins Feld führen.
Sie verströmt warmherzigen, jugendlichen Liebreiz, passend zu
ihrem cremigen Sopran. Im dritten Akt erfreute
Yende mit sicheren, leicht angedunkelten Spitzentönen und Koloraturen,
ohne sich dabei wirklich als „Glamourdame“ der Pariser Halbwelt
zu inszenieren. Yende
lässt das Publikum mitfühlen, ihrer Manon ist Des Grieux nicht egal –
und zwar nicht aus nostalgischer Sentimentalität, sondern weil sie ihn
wirklich liebt. Diese Liebe entflammt dann in Saint-Sulpice zu starkem
Begehren und ist im vierten Akt bereits etwas ausgeglüht. Yendes Manon
ist sich selbst gegenüber ein bisschen zu ehrlich, um auch für die
luxuriösen und erotischen Ablenkungen einzustehen, die ihr
zweifelhafter Ruf mit sich bringt. Dafür müsste sie mehr Koketterie
zeigen, die Stimme mehr prickelnden Silberglanz versprühen. Vor
allem in den ersten drei Akten fehlte diese leichtgängige Beimischung
„operettenhafter“ Unbekümmertheit, mit der Manon naiv und
erfahrungshungrig auf die „schiefe Bahn“ ihres nur kurz währenden
Lebens gerät. Stilistisch war ihre Manon eher nicht in Paris zu Hause, ein Punkt, der bei ihrem Lover Charles Castronovo noch viel stärker ins Gewicht fiel. Er sang mit „veristischer Attitüde“, und selbst wenn er seinen baritonal gefärbten, ihm ein wenig in den Hals „gerutschten“, unsteten Tenor mit Kraft „herauslockte“, brachte er ihn kaum zum
Leuchten. Einiges hat Castronovo durch sein um Manon
besorgtes Spiel und seine Routine wieder ausgeglichen. Die Bühnenchemie
war stimmig. Das Kennenlernen am Beginn auf der langen Bahnhofsbank
ist ohnehin gut inszeniert: Die beiden rücken immer näher
zusammen, ohne sich dabei anzusehen, bis sie plötzlich auf Tuchfühlung sind – und dann nimmt ihr Bühnenschicksal seinen Lauf. Für die kleineren Rollen scheint das Staatsopernensemble im Vergleich zu früheren Aufführungsserien des Werkes derzeit nicht gerade aus dem Vollem zu schöpfen. Wenn man den in Dutzenden „Manon“-Aufführungen als Vater Des Grieux erprobten Dan Paul Dumitrescu als Maßstab nimmt, dann bot die Jugend an diesem Abend etwas schmale Kost: wie beispielweise Michael Arivony als Lescaut, Andrea Giovannini als Guillot de Morfontaine und Martin Häßler als Brétigny. Mit dieser Aufführungsserie steht der Wirt (Nikita Ivasechko) wieder auf dem Besetzungszettel. Die über viele Jahre lang gestrichene erste Szene (die in dieser Inszenierung vor dem Vorhang spielt) wurde wieder aufgenommen. Bertrand de Billy hat seinerzeit die Premiere dirigiert, an seinem etwas lauten, die Handlung zuspitzenden Dirigat hat sich wenig geändert. An einem Repertoireabend wie diesem hilft das alle Mal, um das Publikum bei der Stange zu halten, obwohl einiges (etwa gleich der Beginn) zu grell und üppig geriet, so dass man sich mehr bei Puccini als bei Massnet wähnte. Im dritten Akt wurden die „neobarocken“ Einlagen gut herausgearbeitet – aber vieles hätte ein bisschen „duftiger“ und feingliedriger ausfallen können. Am Schluss gab es rund fünf Minuten langen Beifall; der Szenenapplaus während der Vorstellung war rar und kurz. |