MANON

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Wiener Staatsoper
18.5.2010

Dirigent: Claude Schnitzler

Manon - Anna Netrebko
Chevalier Des Grieux -
Roberto Alagna
Graf Des Grieux - Dan Paul Dumitrescu
Lescaut - Markus Eiche
G. de Morfontaine - Alexander Kaimbacher
Brétigny - Clemens Unterreiner
Poussette - Ileana Tonca
Javotte -
Roxana Constantinescu
Rosette - Zoryana Kushpler
Dienerin -
Elisabeth van der Vloedt
Pförtner - Jacek Krzyszkowski
Zwei Gardisten - Jeong-Ho Kim , Konrad Huber


„Leidenschaftliche Manon“
(Dominik Troger)

„Mimi“, „Micaela“, „Manon“: Das Publikum an der Wiener Staatsoper darf sich erneut an Anna Netrebko erfreuen. Zusammen mit Roberto Alagna als „Des Grieux“ ist sie jetzt für zwei Vorstellungen von Massenets Meisterwerk angesetzt.

Netrebko und Alagna haben schon die Premiere vor drei Jahren gesungen – drei Jahre sind nicht lang – und doch scheint sich manches verändert zu haben. Roberto Alagna war stimmlich jedenfalls deutlich besser disponiert – und Anna Netrebko hat ein wenig von ihrer Mädchenhaftigkeit verloren.

Anna Netrebkos Manon erinnert – wenn dieser Ausflug in die Kunstgeschichte erlaubt ist – wohl deutlicher an Gemälde von Nicolas Poussin als an solche von François Boucher. Ihr gesättigter Sopran verleiht dem Mädchen vom Lande eine gewisse Robustheit, die beispielsweise in der Gavotte eher in die Breite tendiert und weniger die kunstvolle Beweglichkeit des Gesangs herausstreicht. Das verführt nicht durch den Charme kunstvoller Virtuosität, sondern beflügelt die Phantasie mit dunklem Timbre und wohlchoreographierter Erotik.

Trotz einer wirkungsvollen Präsentation, die auch effektvolle Höhen nicht vermissen ließ, wurde deutlich, wo heute die Stärken ihrer Stimme liegen – die sich dann in der Verführungsszene von St. Sulpice fast reißerisch in einer tief empfundenen, sehnsuchtsvollen Begierde niederschlugen. Gewiss – auch wegen Alagnas kräftigem Stimmeinsatz – da wurden schon veristische Töne angeschlagen, voll zupackender Dramatik. Und Netrebko streckte sich in betörendem Liebesverlangen auf die Klostercouch mit verführungsschwangerem Gesang. Solche Leidenschaft entfacht Tenöre und Publikum!

Im letzten Bild blieb die Spannung zu oberflächlich, fehlte mir ein wenig das Schürfen und Kratzen am „schönen Operntod“. Das Evozieren unmittelbarer Betroffenheit verpuffte ein wenig – und fand nicht, wie zum Beispiel bei Diana Damrau, den „Realismus einer verzweifelten Seele“. Der Vergleich mit Damrau, die diesen Jänner an der Staatsoper die Manon gesungen hat, macht zugleich deutlich, wie unterschiedlich „stimmige“ Interpretationen sein können. (Wobei Damrau von ihrem Stimmtypus – aus historischer Perspektive betrachtet – wahrscheinlich näher bei Massenet liegt als Netrebko. Würden solche Feinheiten heutzutage noch beachtet, hätte man die alte Staatsoperninszenierung von Jean-Pierre Ponnelle allerdings niemals entsorgen dürfen ...)

Roberto Alagna war – wie schon angemerkt – stimmlich deutlich besser disponiert als in der Premiere. Die Stimme klang lockerer und sicherer, fand zu zarten Tönen ebenso wie zu leidenschaftlichen Ausbrüchen. Das ergab eine sehr rundes glaubwürdiges Gesamtbild. Der starke Krafteinsatz, zu dem er doch dann und wann greifen musste, konnte aber kaum überhört werden und kündigte sich durch einen merkbaren Bruch in der Gesangslinie an. Das war nicht sehr elegant, der Effekt heiligte aber offenbar die Mittel. Alagna harmonierte im Spiel sehr gut mit Netrebko, die Szenen mit ihr hatten eine intime Naivität, die diese Bühnenbeziehung einfach braucht, um glaubwürdig zu sein.

Die „Nebenrollen“ waren wieder durchwegs gut besetzt sowohl die Herren Markus Eiche (Lescaut), Alexander Kaimbacher (Guillot), Clemens Unterreiner (Brétigny), Dan Paul Dumitrescu (Graf) als auch die Damen, Ileana Tonca (Poussette), Roxana Constantinescu (Javotte), Zoryana Kushpler (Rosette). Das Orchester unter Claude Schnitzler spielte ohne Charme und Esprit. Das klang zu lustlos, fand nach der Pause immerhin zu einiger Dramatik.

Das Publikum zerklatschte die Gavotte, kam aber auch erst nach der Pause in Stimmung. Da löste St. Sulpice das „Eis“. Am Schluss war alles eitle Wonne und es gab minutenlangen Beifall. Insgesamt hielt sich der Rummel aber in Grenzen, der Stehplatz füllte sich vor Vorstellungsbeginn erst nach und nach. „Manon“ ist eben doch keine „La Bohème “ oder „La Traviata“.