MANON

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Wiener Staatsoper
18.1.2008

Dirigent: Marco Armiliato

Manon Lescaut - Norah Amsellem
Chevalier Des Grieux - Rolando Villazón

Graf Des Grieux - Dan Paul Dumitrescu
Lescaut - Markus Eiche
Guillot - Herwig Pecoraro
Brétigny - In-Sung Sim
Poussette - Elisabeth Marin
Javotte - Cornelia Salje
Rosette -
Zoryana Kushpler
Dienerin - Wilma Maller
Wirt - wurde gestrichen
Pförtner - Jacek Krzyszkowski
Zwei Gardisten - Wolfram Igor Derntl, Michael Wilder


„Das richtige Comeback“
(Dominik Troger)

Die Erleichterung war am Schluss allen anzumerken: Rolando Villazón und dem Publikum. Viel selbstsicherer als noch im „Werther“ wurde dieser Abend zu seinem „richtigen“ Comeback.

Der Des Grieux passt als Rolle besonders gut zu Villazóns natürlich-spontanem Wesen, das in der erfüllten Liebe erst so richtig aufgeht. Denn dieser Des Grieux liebt Manon über alle Maßen, sie ist für ihn so etwas, wie eine zweite Seele. Das spürt man gleich am Beginn, wenn sich ihm, von Manons Blick erweckt, die Welt auf den Kopf stellt. Der Jüngling, der eben noch sittsam an seinen Vater dachte, wird in ein völlig neues Dasein katapultiert. „Jetzt oder nie!“ scheint er zu denken – und schon sitzt er neben Manon und wirft seine schüchterne Unbeholfenheit wie trockenes Reisig in das verführerisch-naive Aufglühen ihrer unschuldig funkelnden Augen, auf dass eine lodernde Flamme daraus werde.

Drängende Zärtlichkeit bestimmt den zweite Akt, indem sich Villazon zuerst als träumerisches „Pin-up“ spärlich bekleidet über die Bühne bewegt. Er ist sich Manon so sicher, er lebt schon ganz diese paradiesische Liebe, in der er es sich mit seiner Liebsten häuslich einzurichten gedenkt. Nichts kann mehr schiefgehen!

Die Wiederbegegnung mit Manon hinter Klostermauern wird zu einem Moment von psychoanalytischer Tiefenschärfe: Des Grieux erlebt noch einmal die Schlüsselszene vom ersten Kennenlernen – erneut trifft ihn unvermutet ihr Blick, erschrocken und zutiefst getroffen weicht er zurück. Wie könnte er der Liebe seines Lebens jemals entfliehen? Weniger Manons Werben als diese Erkenntnis treiben ihn zurück in ihre Arme.

Im letzten Bild findet sich Des Grieux mit einer Situation konfrontiert, die ihn überfordert und der er doch standhalten muss. Das Liebste schwindet ihm in seinen Armen dahin. Es verwelkt ihm diese zweite Seele, die er noch zärtlich überreden möchte, sich weiter an ihn zu schmiegen. Aber es hilft nichts, Manon stirbt, und er bleibt alleine zurück, verzweifelt, einsam, von der unbarmherzigen Kälte des Todes bis ins Mark durchfroren.

Villazón war diesmal stimmlich in der Lage, das weitestgehend zu vermitteln. Viel selbstsicherer als im „Werther“ und mit deutlich vermehrten Kräften, besang er das Massenet’sche Liebesleiden. Manchmal wurde die Stimme zwar noch etwas leise oder erwies sich im Tonansatz als zu ungeschmeidig, aber er hatte sie gut im Griff und konnte auch viel emotionales Kapital aus ihr schlagen. Verbunden mit seiner faszinierenden Bühnenpräsenz ließ man sich gerne überzeugen, dass es stark aufwärts geht.

Wie aber würde es Norah Amsellem gelingen, in Anna Netrebkos Fußstapfen gestellt, die Manon zu singen? Amsellem meistere diese Herausforderung mit überraschender Selbstverständlichkeit. Am Beginn gab es zwar noch Probleme mit dem umfallenden Köfferchen und der „Unschuld vom Lande“ fehlte es an naivem Herzflattern. Außerdem passte ihr das adrette „Netrebko-Kostüm“ nicht wirklich. Wenn man an ihr also schwer die 16-jährige entdeckt hat, die „spätere“ Manon – nach dem schmerzvollen Reifungsprozess im zweiten Akt – verwirklichte sie mit selbstsicheren, manchmal etwas kühlen Kanten, in dem die Gegensätzlichkeit zwischen ihrem Liebesbedürfnis und der „käuflichen Welt“ mit fühlbarer Spannung ausgetragen wurde.

Die Stimme klang am besten in den ruhigeren Passagen, die Koloraturen und Spitzentöne kamen etwas „beengt“ und „unrund“, stellten „Charakter“ vor „Schönheit“ und „Eleganz“. In den Szenen, wo es vor allem um die Bravour sängerischer Selbstdarstellung geht (etwa im dritten Akt), mussten dementsprechende Einschränkungen in Kauf genommen werden.

Markus Eiche debütierte zufriedenstellend als Lescaut, Dan Paul Dumitrescu sang einen profilierten, verständnisvollen Vater, der seinen Sohn „auf den rechten Weg“ führen möchte. Herwig Pecoraro gestaltete Guillot als etwas schmierigen und unsympathischen Charakter.

Marco Armiliato brachte den Abend trotz einer wahren Flut an Rollendebüts (alle bis auf „Brétigny“ und den „Pförtner“) gut über die Runden. Auffallend war, dass bei dieser kaum ein Jahr alten Inszenierung schon ein „ganze Person“ (der Wirt) und die zugehörige Anfangsszene sowie ein paar weitere Details eingespart wurden. Die Inszenierung selbst hat sich an diesem Abend als brauchbar erwiesen: sie funktionierte auch ohne Netrebko.

Villazón wirkte beim Schlussbeifall fast ausgelassen, „herzte“ das Publikum. Es wurde rund eine knappe Viertelstunde lang applaudiert.