HERODIADE
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Staatsoper Dirigent:Jun Märkl |
Jean - José Cura |
Marketing-Etikett Warum sich diese „Hérodiade“ das Etikett „Wiederaufnahme“ ankleben durfte samt repräsentativen gelben Plakaten in den Programmkästen der Staatsoper war nach gefallenem Vorhang nicht so ganz ersichtlich. In letzer Zeit, so denkt man, wird an diesem Haus ein bisserl viel „wiederaufgenommen“. Wer darunter vor allem höhere Eintrittspreise versteht, ist wahrscheinlich ein Schelm, aber die künstlerische Ausbeute dieses Abends strafte solche schelmischen Boshaftigkeiten sicher nicht Lügen. Die Premiere liegt nämlich gar nicht so lange zurück, das war im Februar 1995. (Placido Domingo sang damals den Johannes. Die Salome hat Nancy Gustafson beigesteuert. Dazu kamen Agnes Baltsa und Feruccio Furlanetto; Dirigent war Marcello Viotti.) Das Werk brachte es in den nächsten Jahren auf immerhin 27. Aufführungen, um dann wieder eine Zeitlang von der Bühne zu verschwinden. Insofern hat man es natürlich „wiederaufgenommen“. Sonst scheint aber nicht viel damit passiert zu sein. Wie auch immer, das gelbe Plakat hätte ruhig ein ganz gewöhnliches „weißes“ sein können, dann hätte man an der etwas groben, aber durchaus ansprechenden Aufführung weniger herumgemä(r)kelt. An dieser Stelle muss ich den Schelm, der mir da im Nacken sitzt, ein wenig in die Schranken weisen. Jun Märkl am Pult, für den es am Schluss einige Buhs beim Solovorhang gegeben hat, wäre die Solidität eines Repertoire-Freitags sicher besser angestanden, als dieses Marketing-Etikett der „Wiederaufnahme“. Märkl hatte im wesentlichen den dramatischen Impetus des Werkes ganz gut im Griff. Aber das sentimentale Raffinement der Massnet’schen Partitur blieb ihm leider ziemlich fremd und von einer detaillierteren musikalischen Durcharbeitung hätte der Abend auch stark profitiert. Versäumnisse, die unter dem Vorzeichen eines „gelben Plakates“ natürlich schwerer wiegen. Das Publikum war an diesem Freitag, man hat es schon gemerkt, nicht bereit, sich von gelben Plakaten „in die Irre führen“ zu lassen. Der Schlussapplaus erfolgte diesmal sehr differenziert und vor allem José Cura wird sich weniger darüber gefreut haben. Die erste (von zwei) Solo-Vorhangsreihen bescherte ihm überraschend wenig Applaus, aber immerhin einen geworfenen Blumenstrauss. Bei der zweiten Serie waren dann die Fans aufgewacht und ließen einiges an Bravorufen hören. Immerhin hatte schon ein Zwischenrufer im vorletzten Bild ein lautes „Viva Cura“ geschrien, wenn ich es richtig verstanden habe. Cura erhielt aber trotz allem deutlich weniger Beifall als die Salomé von Barbara Haveman – was mich eigentlich zu ein paar Überlegungen verleiten sollte. Cura‘s Tenor kennt nur die kraftvolle Attacke, die diese Stimme zusammenhält wie einen etwas zu überdimensionierten Rohbau mit einem zusätzlich errichteten, starken Gerüst. Er handelt seine Partien ab wie ein Schwergewichtsboxer, der in jeden Schlag die ganze Power legt, die er besitzt. Das trägt, solange er in Rage kommen kann – und deshalb war der Bajazzo wahrscheinlich auch das Beste, was ich von ihm bisher gehört habe – aber gerade bei Massenet ist das einigermaßen störend (und entlarvend). Und die gesanglichen Unausgewogenheiten, die er sich da leistet, kann man schwerlich überhören. Ganz anders war die Salome gelagert: Barbara Haveman überzeugte mit kräftigen Höhen und schöner, voller, abgerundeter Stimme. Das war die wirklich positive Überraschung des Abends, da konnte man mitgehen, ohne an akustischen Indifferenzen leiden zu müssen. Ihre Stimme ist breiter und dramatisch ausbaufähig, im Kern aber noch lyrisch-weich, was eine sehr gute Mischung ergibt. Damit lassen sich auch die heftigen Gefühlsausbrüche, die Massenet von seiner Salomé verlangt, gesanglich eindrucksvoll umsetzen. Sobald Agnes Baltsa die Bühne betritt, wird es packend, und man merkt, wie die Spannung im Publikum steigt. Sie setzte noch einiges an zusätzlichem Feuer unter die vor Eifersucht lodernde Königin. Ihre aussdruckstarke Stimme ist da am rechten Platz und gewisse Abnützungsspuren (das ist eben der Gang der Zeit) dienen ihr durchaus zur pointierten Charakterisierung dieser emotional aufgeladenen Partie. Der Hérode von Phillipe Rouillon war seiner hassschürenden Gemahlin an dramatischem Ausdruck nicht gewachsen, aber man hat eine schöne (zugegebenermaßen etwas blasse) Stimme gehört, die über das Nuancierungsvermögen und die Geschmeidigkeit verfügt, die in der französischen Oper eigentlich gefragt wären. Zusammen mit dem gediegenen Phanuel von Feruccio Furlanetto sorgte er in an diesem Abend für ein solides, musikalisches Grundgerüst auf ansprechendem Niveau. Markus Nieminen als Vitellius hat mich weniger überzeugt. Die Inszenierung und das Bühnenbild sind außergewöhnlich. Gestaltet vom Orgienmysteriker Hermann Nitsch wird die Oper in eine Art von kultischer Handlung eingebunden, ohne dieses Element aber lästig in den Vordergrund zu drängen. Großflächige Schüttbilder in rötlichen und schwärzlichen Tönen kontrastieren mit den bunten, farblich sehr gut aufeinander abgestimmten Kostümen. Am Schluss wird in jeder Aufführung ein ganz „originales“ Schüttbild erzeugt, wenn im Hintergrund rote Farbe die weiße bühnenbreite Leinwand hinunterläuft, während man der Festgesellschaft das abgeschlagene Haupt des Johannes präsentiert. Die Personenführung, bzw. was davon „wiederaufgenommen“ wurde, beschränkt sich auf das wesentliche. Eine gewisse Statik ist da nicht von der Hand zu weisen. Die römischen Soldaten mit ihren grauen Plastikhelmen sind weniger geschmackvoll gelöst, aber das stört nicht den homogenen Gesamteindruck. Requisiten gibt es wenige. In (un-)regelmäßigen Abständen erscheinen Männer mit aus Holz gefertigten Schubkarren die (Plastik)-Blüten auf die Bühne streuen und mit virtuellen Wohlgerüchen den Tempel für die Opferung des Johannes und der Salome vorbereiten. Das Ziel dieser Vorbereitungen ist eine heilige Handlung, ein mystisches Menschenopfer. Nun, die private Kunst-Religion von Hermann Nitsch ist eine etwas eigentümliche Sache, aber in diesem Fall ist zumindest eine optisch und emotional sehr ansprechende Operninszenierung daraus geworden. Hermann Nitsch hat, wie man im Staatsopern-Programmheft nachlesen kann (ab Seite 14), durchaus interessante Ansichten, was Operninszenierungen betrifft. Er findet, dass man bei der Bühnengestaltung wieder mehr Wert auf den optischen Eindruck legen sollte (Sätze, die einem nach dem schwarzgrauen „Tristan“-Desaster wie Honig den Schlund hinabrinnen). Nitsch im Originalton: „mit den auswüchsen des regietheaters ergab sich meine weiteste entfernung zu den zeitgemässen inszenierungen. mir ist es ein dorn im auge, dass man wegen zweitrangiger effekte die werke unserer klassiker verhunzt, verstümmelt und verfremdet. (...) die herren sollen ihre eigenen stücke schreiben und nicht grosse verstorbene autoren mit ihren gestohlenen einfällen garnieren.“ Über den Stellenwert der Farben in dieser Inszenierung schreibt er: „farbe soll geschmeckt, gegessen werden, soll aus der routine der schmückung zum eigenwert gesteigert werden. ich möchte, dass die farben auf der zunge und dem gaumen des auges geschmeckt werden. im idealfall sollen sich die farben mit den tönen der musik vermischen. das gebilde des regietheaters bringt ein unsinnliches assoziationsgefüge. ich will direkte sinnliche erfahrung, die sich einprägend im bewusstsein niederschlägt.“ Vor diesem Hintergrund muss man in dieser Inszenierung auch einen Gegenentwurf zu den von Nitsch angeprangerten Übelständen heutiger Opern- und Schauspielregie sehen. Dazu kommt, dass Massenets Hérodiade ein spannendes, reizvolles Werk ist. Aus demselben Stoff hat zwar auch Richard Strauss seine „Salome“ geschöpft, aber bei Massenet finden sich Johannes und Salome zu einem (platonischen) Liebespaar, und die Geschichte wird doch ganz anders und originell abgehandelt. |