DON QUICHOTTE
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Musikverein
1. März 2017
Konzertante Aufführung

Dirigent: Tugan Sokhiev

Orchestre National du Capitol de Toulouse

Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien

Don Quichotte - Ferruccio Furlanetto
Sancho Pansa - Andrii Goniukov
Dulcinea - Anna Kiknadze
Juan - Sergei Radchenko
Rodrigues - Taras Prysiazhniuk
Pedro - Anastasia Barun
Garcias -
Evgenia Asanova
Räuberhauptmann - Loic Simonet
Vier Räuber - Paul Hille, Michael Schnack, Gerhard Holley,
Nikolaus Kreutzer
Zwei Diener - Wolfgang Adler, Hans Pfisterer


Eine Paraderolle für charismatische Bässe
(Dominik Troger)

Im Wiener Musikverein wurde Jules Massenets „Don Quichotte“ in einer konzertanten Aufführung gegeben. Star des Abends war Ferruccio Furlanetto – ist der Don Quichotte doch seit der Uraufführung der Oper im Jahr 1910 in Monte Carlo eine Paraderolle für charismatische Bässe.

Ferruccio Furlanetto hat die Partie zuletzt in einer szenischen Produktion in Chicago verkörpert. Für Wien wurde offenbar nichts „Szenisches“ geplant – die konzertante Aufführung im Musikverein bot für das hiesige Publikum also eine rare Chance, dem Sänger auch in dieser Partie begegnen zu dürfen. Szenisch wurde der „Don Quichotte“ in Wien zuletzt vor 15 Jahren im Theater an der Wien gespielt – ohne damals eine Renaissance dieses Werkes angeregt zu haben. Aber als sentimentale Herausforderung für charismatische Bässe werden schon die Sänger selbst dafür sorgen, dass „Don Quichotte“ nicht ganz von den Spielplänen verschwindet.

Jules Massenet ist zwei Jahre nach der Uraufführung verstorben. Die Oper trägt schon die Züge des Abschiednehmens – und wenn das Zwischenspiel zum fünften Akt mit strömendem Cello noch einmal so richtig Massenets Sentiment hervorkehrt, dann spürt man das auch. Den Ritter selbst zeichnete der Komponist mit liebenswürdiger Ironie und Anteilnahme – jedenfalls so, dass einen als Publikum die Boshaftigkeiten und Missgeschicke denen er begegnet, schmerzen. Don Quichotte trägt seine romantisierende Selbstüberschätzung voran wie ein leuchtendes Banner, und Sancho Pansa folgt ihm wie ein kleiner Bruder Leporellos auf Schritt und Tritt.

Der Abend sollte sich dann auch hauptsächlich um Furlanetto drehen, der den „Ritter von der traurigen Gestalt“ zu plastischem Leben erweckte. Er füllte mit seinem Bass den Musikverein, die Stimme leicht gekörnt und doch mit einem weichen „Finishing“ versehen, so als würde sich Don Quichottes Ritterschaft an seiner weltumspannenden Humanität abfedern. Im dritten Akt machte er der Räuberbande mit feinfühliger Noblesse und furchtlosem Ehrgefühl klar, zu welcher selbstverleugnenden Tugend ein Ritter fähig sein muss, damit er, ohne einen Schwertstreich zu führen, als Sieger vom Platze geht: Das Gebet und die anschließende Ansprache an die Räuber wurde zum eigentlichen Höhepunkt des Abends. Im fünften Akt fühlte sich der Sänger milde in den sterbenden Ritter ein. Das ging dann so recht zu Herzen.

Ein eher solides Ensemble begleitete Don Quichotte auf seinem letzten Abenteuer. Für die meisten „Farbtupfer“ am Podium neben Furlanetto sorgte Anna Kiknadze als Dulcinée – mit Carmenanklängen und spanischer Folklore. Ihre Dulcinée war vielleicht eine Spur zu robust und zu wenig naiv, versprühte kaum „französisches „Parfum“. (Was an diesem Abend aber auf fast alle Gesangssolisten zutraf, lag deren Stimmcharakter doch vor allem im slawischen Repertoire begründet.) Andrii Goniukov gab einen in der Dienerrolle aufgehenden Sancho Pansa. Der Sänger ließ einen etwas helleren, jüngeren Bass hören, der sich deutlich genug von Furlanetto abhob – und in den nächsten Karrierejahren gewiss noch „nachreifen“ wird wie ein Cognac im Eichenfass. Der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde nützte die ihm gebotenen Möglichkeiten sich auszuzeichnen.

Das Orchestre National du Capitole de Toulouse spielte im ersten Akt unter der Leitung von Tugan Sokhiev etwas forsch und straff, mit leicht „übersteuerndem Klang“, fand im Laufe des Abends aber zu gefühlvollerem Spiel, wobei dann auch die Streicher und Bläser nicht nur bei impressionistisch überhauchten Passagen Massenets herbsüße musikalische Gefühlswelt sensibel nachzeichneten.

Das Publikum spendete rund acht Minuten Applaus – und hatte dabei natürlich ganz besonders den Interpreten der Titelpartie im Auge.