CAVALLERIA RUSTICANA/SILZILIANISCHE BAUERNEHRE

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Wiener Staatsoper
26.1.2002


Dirigent: Adam Fischer

Santuzza, junge Bäurin - Violeta Urmana
Turiddu, junger Bauer - Janez Lotric
Lucia, seine Mutter - Margareta Hintermeier
Alfio, Fuhrmann - Anooshah Golesorkhi
Lola, seine Frau - Michelle Breedt

Santuzza!
(Dominik Troger)

Wenn die Staatsoper so richtig in "Versimo"-Blutrünstigkeit schwelgt, dann hat das Publikum seine Freude daran - und die "Cavalleria" hatte diesmal die Nase vorn.

Nein, das hatte weniger mit den Tenören zu tun. Es war die Santuzza von Violeta Urmana, die sich von der musikalischen Plakativität dieses Genres unverführt zum emotionalen Kern durchbohrte. Und das ist bei der etwas grob geschnitzten Dramaturgie von "Cavalleria rusticana" und in Zeiten, wo uns die sizilianische Bauernehre schon vorkommt wie ein völkerkundliche Beschreibung aus dem Mittelalter, sicher kein Leichtes. Urmata machte aber die Santuzza zum "Charakter", verliebt, verzweifelt, eifersüchtig, zornig, verletzt, ausgestoßen, versteinert, zerstört. Und wie schön und packend ist es doch, wenn eine Stimme, ohne sich selbst dabei in musikalischer Weise einschränken zu müssen, zu einem solchen "Charakter" werden kann, der eine Bühnenfigur zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickelt. Dieser Durchbruch durch die sängerische Existenz zu einer musikdramatischen ist das eigentliche Kunststück, und als Zuseher ist man besonders dankbar dafür, wenn es gelingt.

Am Turiddu von Janez Lotric konnte man deutlich ablesen, was hier den Unterschied ausmacht. Lotric entwickelte sich trotz aller gesanglichen Vorzüge seiner nach oben gewissermaßen "offenen" Stimme, den ganzen Abend nie über einen etwas tölpelhaft wirkenden Bauernjungen hinaus. So nahm man an seinem Schicksal bedeutend weniger Anteil, als an dem seiner ehemaligen Geliebten. Es mag auch daran liegen, dass Lotric bei aller Höhensicherheit und stimmlichen Wirkungskraft jener Abrundung durch eine feinfühlige Mittellage entbehrt, die ganz wesentlich die charakterliche Ausformung begünstigt. So scheint Lotric, der zum Beispiel schon ganz hervorragende Kalaf's in Wien gesungen hat, hier schon vom sängerischen Typus im Nachteil (auch wenn ihm das "rein-plakative" an Mascagni's Musik durchaus entgegenkommt). So waren also die Gewichte zwischen dem Ex-Liebespaar etwas ungleich verteilt.

Fuhrmann Alfio alias Anooshah Golesorkhi musste sich erst mal den Straßenstaub aus der Stimme putzen, ehe er sein ganzes, aus betrogener Liebe gespeistes Eifersuchtspotential frei machen konnte. Da war er dann auch wirklich schon potentiell "gewalttägig". Man durfte sich schließlich seiner schwer bezähmten Rohheit getrost überlassen, um neben einer etwas blassen Michelle Breedt als Lola die ganze wuchtige Spannung dieses Viereckverhältnisses auszukosten.

Adam Fischer am Pult hatte ebenfalls einen Sinn für diese jedem Verklärungswillen abholden musikalischen Sittengeschichte aus Sizilien und entfaltete denn auch das ganze wie einen Fotoband mit ein wenig überbelichteten Aufnahmen. Es ist seine Art, die Sache etwas "trocken" und laut zu nehmen, aber er war in Summe der dramatischen Zuspitzung durchaus förderlich.

Abschließend noch eine Anmerkung zu Inszenierung und Bühnenbild. Sie ist noch ein Werk von Jean Pierre Ponelle aus den 80er Jahren. Sie stellt ganz realistisch einen sizilianischen Dorfplatz auf die Bühne. Sie bietet einen augenerfreuenden Anblick für diese blutigen Stories, eine Landschaft mit italienisch verklärendem Frühlingslicht samt gut berechneter Massenszenen - einen idealer Rahmen also für diese spannend erzählte Kurzgeschichte.