DER HOLZDIEB

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MUK
26. April 2023
Premiere

Musikalische Leitung und am Klavier:
David Hojer

Regie, Bühne, Kostümauswahl und Gesamtleitung: Beppo Binder
Lichtdesign, Assistenz: Michael Brok, Harald Lindermann

Lorenz, ein Dorfschmied - Benedikt Berndonner
Barbara, seine Frau - Antonine Vernotte
Sybille, seine Schwester - Alexandra Danilova
Suschen, sein Mündel - Christine Tschernitz
Felix, ein junger Förster- Adrian Autard
Barthel - Malo Peloffy
Lukas, ein Jägerbursche - Philip Guirola Paganini


Singspiel-Rarität

(Dominik Troger)

Die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) lud zu einer Rarität: „Der Holzdieb“ von Heinrich Marschner. Das Singspiel, 1825 in Dresden uraufgeführt, erklang im Rahmen des Bachelorstudiengangs Sologesang – mit freundlicher Unterstützung der Bühne Baden.

Deutsche Spielopern sind zu einem raren Gast auf den Opernbühnen geworden. An der MUK hat man sich der Wiederbelebung dieses Genres verschrieben. Mit dem „Holzdieb“ konnte man zudem eine Rarität des Komponisten Heinrich Marschner entdecken, dessen „Hans Heiling“ man zuletzt 2015 in Wien begegnen konnte. Mit dem „Holzdieb“ hat es allerdings eine besondere Bewandtnis: Marschner wollte damit zur Produktion deutscher Opern anregen und dem Publikum das Genre durch kurze, leichte Stücke schmackhaft machen. Er hat das Werk für die Aufführung von „Dilettantenvereinen“ konzipiert und als Klavierfassung in einem Jahrbuch editiert: „Polyhymnia, ein Taschenbuch für Privatbühnen und Freunde des Gesanges auf das Jahr 1825“ sollte, so hoffte Marschner, der deutschen Oper insgesamt mehr Aufmerksamkeit gewinnen.

Der Erfolg dieser Bestrebungen dürfte überschaubar gewesen sein. Die Uraufführung fand im Februar 1825 in Dresden statt. Georg Münzer berichtet in seiner 1901 erschienen Marschner Biographie von einem Misserfolg (S. 17), Ulrich Schreiber in seinem „ultimativen“ Opernführer (Band 2, 5. Auflg. 2010) ebenso. Die von Münzer zitierte Quelle, eine Notiz in der Leipziger allgemeinen musikalischen Zeitung (18. Mai 1825), ist aber nur ganz kurz: „Am 24sten Februar der Holzdieb, Oper in einem Akte von Fr. Kind, die Musik von Hrn. Musikdirector Marschner (einmal). Text und Musik haben nicht gefallen; keine Hand hat sich zum Beyfallspenden gerührt.“ Allerdings findet sich zur Erstaufführung ein wohlwollender Bericht in der Berliner allgemeinen musikalischen Zeitung vom 16. März 1825, der jedoch nichts über die Publikumsreaktionen mitteilt: „Uebrigens glauben wir dem Holzdieb mit Gewissheit wahrsagen zu können, dass er überall ein Herzens- und Beifalls-Dieb werden wird.“ Maximilian Ernst Wittmann schreibt in seiner 1897 bei Philipp Reclam erschienenen Marschner-Biographie, der „Holzdieb“ wäre „unter großem Beifall“ am Dresdner Hoftheater über die Bühne gegangen (S. 33). Als Aufführungsdatum wird hier der 22. Februar genannt. Wie auch immer, die langfristige Resonanz dürfte überschaubar gewesen sein.

Am 21. September 1825 ist in der Berliner allgemeinen musikalischen Zeitunge eine eingehende Besprechung der Taschenbuchausgabe des Werkes erschienen. Dabei wird einerseits seine leichte Ausführbarkeit gelobt andererseits wird der Text von Johann Friedrich Kind kritisiert (der sich damit zu wenig Mühe gegeben habe), auch an Marschners Komposition wird einiges ausgesetzt. Der Inhalt wird in diesem Beitrag wie folgt geschildert: „Suschen liebt den Jäger Felix, ist aber von ihrem Vormunde Lorenz dem reichen dummen Bartel zugedacht, von dem Lorenz eine Schmiede in Pacht hat und gern kaufen möchte. Es kommt darauf an, den Dummen zu überlisten. Suschen nimmt ihn freundlich auf, als er ihr einen Strohhut zum Geschenk darbietet, und beredet ihn, ihr am bevorstehenden Pfingstmorgen den Hut an den Pfingstbaum (die Maie) zu binden, dazu aber aus dem Forste eine Birke zu holen. Bartel geht in die Falle, wird auf dem Forstfrevel von Felix ertappt, mit Strafe bedroht, in Angst gesetzt und so um die Braut geprellt, nebenbei auch zum erwünschten Verkaufe der Schmiede bewogen.“

Musikalisch ist der „Holzdieb“ ein Vorgriff aufs Lortzings Spielopern, allerdings noch in einer sehr naiven, einfachen Form. Das Suschen des „Holzdiebs“ wird man opernhistorisch in eine Reihe stellen können, die von Marzelline über das Ännchen bis zur Marie reicht. Die hübsch-aufgeregte Frühlingsarie des Suschen, mit der das Stück beginnt, besingt den Mai, und an ihrem Schluss darf sich Förster Felix als Echo ihrer Liebe hinzugesellen. In diesem Felix könnte man vielleicht einen jüngeren Brüder des „Freischütz“-Max erkennen. Der Dorfschmied Lorenz ist mit seinem Bass ein Anverwandter des Rocco – er pflegt dieselbe materielle Philosophie, die in seiner Arie „Nur Thaler in die Hand“ von ihm etwas ungelenk formuliert wird (er ist eben ein Schmied und kein Buchhalter). Dem Zweck der Übung gemäß, das Stück einem weitem Kreise auch für Privataufführungen schmackhaft zu machen, fordert Marschner von den Sängerinnen und Sängern keine virtuosen Eskapaden ein. Die Unterhaltung bestimmt das Geschehen, wer nach großen Geistestaten schürft, wird beim Holzdieb nur auf Holz klopfen.

Für die Aufführung an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien hat Univ.Prov. Beppo Binder die Einrichtung, textliche Neufassung samt Regie und Gestaltung der Bühne besorgt. Binder hat noch eine Figur dazu erfunden, die Sybille, des Schmiedes Schwester. Wie er in einer kurzen Ansprache am Beginn des Abends erläutert hat, wollte man Marschners Einakter mit einer Spielzeit von unter einer Stunde auf eine abendfüllende Länge bringen. Musikalisch wurde der „Holzdieb“ um zwei Terzette, eine Duett und eine Arie ergänzt, wobei man sich bei anderen Opern Marschners wie dem „Vampyr“ und „Hans Heiling“ bedient hat. Eines der Terzette, das die drei Damen zu Gehör brachten, durfte dann auch mit neuem Text unterlegt und mit Humor einen emanzipatorischen Beitrag zur Rezeption des deutschen Singspiels der Biedermeierzeit leisten. Sybille wurde nahtlos in die Handlung integriert. Sie bekommt am Schluss den tölpelhaften Barthel, der sich zwar vor ihr fürchtet, aber was bleibt ihm anderes übrig, angesichts der Androhung wegen seines Forstfrevels verhaftet zu werden?

Die Inszenierung hat das Stück in der Handlungszeit belassen, links vom Zuschauerraum aus gesehen befand sich ein Teil der Schmiede, rechts der Holzverschlag eines Plumpsklos mit ironisierendem ausgeschnittenem Herz in der Tür, gerahmt von dunkelgrünen Bäumen und Natur. Die Mitwirkenden waren entsprechend dem Stil der Handlungszeit kostümiert und trafen gut die Typologie der Figuren – von ausformulierten „Charakteren“ ist bei diesem Marschner-Singspiel nicht zu sprechen: Christine Tschernitz lieh dem Suschen passend den „naiven“ Sopran, um den sich die Handlung dreht, mit Schwung und listigem Liebreiz ausgestattet. Ihr Felix, Andrian Autard, gab einen optisch und stimmlich feschen Förster; Benedikt Berndonner sang den Schmied, der zudem gerne zu mehreren Gläschen Wein greift. Barbara, seine eifersüchtige Frau, die sich aber rasch auf die Seite von Suschen schlägt, wurde von Antonine Vernotte mit lustspielmäßiger Verwandlungskunst gegeben. Malo Peloffy machte mit kräftiger Stimme den Barthel zu einem tölpelhaften Kerl, mit dem man am Schluss fast Mitleid haben musste, weil er sich der Liebe von Sybille (durchsetzungsstark: Alexandra Danilova) gar nicht mehr erwehren konnte. Am Klavier begleitete David Hojer mit Schwung und Humor.

Der kleine Aufführungssaal im MUK in der Johannesgasse war gut gefüllt – und das Publikum fühlte sich sehr gut unterhalten. Der Abend dauerte mit einer längeren Pause an die eindreiviertel Stunden. An Beifall wurde am Schluss nicht gespart. Für den 27. April ist ein zweite Vorstellung mit zum Teil geänderter Besetzung geplant. (Die Produktion hätte ursprünglich schon im März 2020 über die Bühne gehen sollen, wurde damals aber ein Opfer des COVID-Lockdowns.)