HANS HEILING

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Konzerthaus
11.6.2002
Konzertante Aufführung

Dirigent: Dennis Russell Davies

Radio Symphonieorchester Wien (RSO)
Wiener Singakademie

(Choreinstudierung Heinz Ferlesch)


Königin der Erdgeister - Jane Henschel
Hans Heiling - Andreas Schmidt
Anna - Danielle Halbwachs
Gertrude - Mette Ejsing
Konrad - Deon van der Walt
Stephan - Josef Wagner
Erzähler - Peter Matic

"Kuriosität"
(Dominik Troger)

Aus heutiger Sicht mutet Marschner's "Hans Heiling" ziemlich "kurios" an, und ich bin mir nicht sicher, ob hier wirklich nur die besserwisserische Sicht der Nachgeborenen zum Tragen kommt.

"Kurios" meint damit nicht das Libretto - denn das ist man von Libretti (nicht nur aus dieser Epoche) "gewöhnt" - sondern die Musik. Denn diese wirkt stilistisch extrem uneinheitlich, schwankt zwischen Beethoven'schem Pathos und böhmischer Harmoniemusik, wobei die Übergänge vom einen zum anderen ziemlich abrupt passieren. Ein Kuriosum für sich ist die Ouvertüre, die Marschner zwischen Vorspiel und Beginn des ersten Aktes platziert hat. Sie könnte direkt aus einer Mendelssohn-Symphonie "gecuttet" und dann in die Partitur "eingefügt" worden sein - aufgemotzt mit ein paar Rossini'schen Steigerungsmomenten.

Als "Nachgeborener" hat man das zusätzliche "Feeling", sich oft genug an Wagner's "Fliegenden Holländer" und "Tannhäuser" erinnert zu fühlen. Wahrscheinlich beweist nichts besser Wagner's Genie, als dieses blindtappende Suchen nach neuen musikdramatischen Ausdrucksformen, das einem in diesem Werk begegnet. Wagner hat Marschner's Opernschaffen sehr gut gekannt - und es ist eine stellenweise frappante, bis in Instrumentationsdetails reichende Ähnlichkeit. Aber während Wagner aus diesem "Neuen" einen geschlossenen, musikdramatischen Stil entwickelt hat, bleibt Marschner in Summe ganz der damaligen Opernkonvention verhaftet. Der "Hans Heilig" entwickelt keine musikalische "Persönlichkeit". Möglicherweise ist das auch die Antwort darauf, warum dieses Werk, nach anfänglichem Erfolg und trotz einer guten Berechnung hin auf den dramatischen Effekt, bald in Vergessenheit geraten ist: Wagner hat einfach bewiesen, wie man es besser macht.

Zu diesem angesprochenen "Suchen nach neuen Möglichkeiten" zählt zum Beispiel der Wechsel an emotional exponierten Stellen zwischen "Sprechen" und "Gesang", im Libretto als "Melodram" ausgewiesen (etwa Heiling am Beginn des dritten Aktes oder Gertrude, auf ihre Tochter wartend, im zweiten Akt). Damit soll offensichtlich eine dramatische Zuspitzung des seelischen Ausdrucks der jeweiligen Person erreicht werden - und bis zu Tannhäuser's Romerzählung ist es da eigentlich nicht mehr weit.

Die Aufführung lebte vom sehr gut eingestellten RSO Wien unter Dennis Russell Davies und den eindrucksvollen "Geisterchören" der Wiener Singakademie. Die Solisten bestachen weniger und waren - für eine wirkliche Ehrenrettung des Werkes - wohl zu unspektakulär: mit ganz rundem Bariton, aber wenig dämonisch, Andreas Schmidt als Hans Heiling; mit durchaus hörenswerten Anflügen "frühromantischer" Dramatik, Danielle Halbwachs als Anna; solide Mette Ejsing als Gertrude; die Königin von Jane Henschel schrammte des öfteren hart an der bzw. über die Schmerzgrenze; mit kleiner, sich nach oben hin unangenehm verengender Stimme Deon van der Walt als Konrad. Ganz freundlicher Applaus.

Das Programmheft war übrigens mit Tippfehlern reich gespickt. Ich habe natürlich vollstes Verständnis dafür und finde Wortschöpfungen wie "beärt" statt "berät" sehr reizvoll. Bitte nächstens noch mehr davon.

Inhalt: Hans Heiling verlässt gegen den Wunsch seiner Mutter, Königin der Erdgeister, sein Reich, um in der Menschenwelt zu leben und Anna zu heiraten. Die Mutter erklärt ihm gleich, dass das nicht gut gehen kann. Anna wird vom Jägersmann Konrad begehrt und durch Heilings störrisches Wesen (er mag nicht, dass Anna mit fremden Männern tanzt) diesem Konrad in die Arme getrieben. Anna entschließt sich, Konrad zu heiraten. Heiling kocht vor Wut und will am Hochzeitstag Rache nehmen. Heilings Mutter verhindert ein größeres Unglück und holt ihren Sohn wieder zurück ins Geisterreich, Anna und Konrad dürfen ihr Glück genießen. Uraufführung 1833 in Berlin.