ALCIONE
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Odeon
17.3.2008

Musikalische Leitung: Lorenz Duftschmid
Regie: Philipp Harnoncourt
Ausstattung: Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits

J.J. Fux Madrigalisten
Armonico Tributo Austria
Serapions Ensemble

(Premiere 12.3.2008)

Alcione - Svetlana Smolentseva
Ceix - Johannes Weiß
Pélée - Steffen Rössler
Phorbas / Pan - Yasushi Hirano

Ismene / Priesterin - Martina Prins
Tmole / Hohe Priester / Neptun - Andreas Jankowitsch
Apollon / Sommeil / Phosphore - Bernd Lambauer
Céphise - Johanna von der Deken
Doris - Agnes Scheibelreiter


Unbeschwertes Opernerlebnis
(Dominik Troger)

Das Serapionstheater im Odeon möchte in Zukunft vermehrt Musiktheater in seine Produktionen einbeziehen. Ein vielversprechender Anfang wurde mit der französischen Barockoper „Alcione“ von Marin Marais gemacht.

Seit den frühen 80er-Jahren zeichnet sich das Serapionstheater durch seine kreativen, phantasievollen und zugleich publikumswirksamen Produktionen aus. Schon damals gab es Überschneidungen mit dem Musiktheater: 1983, zum 100. Todestag von Richard Wagner, versuchte man sich beispielsweise in einer bewegungstheatergemäßen Umsetzung der Ringtetralogie, ein spannendes Experiment, deren dichte Bildersprache damals für viel Diskussionsstoff sorgte. Die jetzige Initiative zielt allerdings auf eine gegenseitige Bereicherung unterschiedlicher Disziplinen – und wie es scheint, kann man damit schon den ersten Erfolg verbuchen.

In Kooperation mit Regisseur Philipp Harnoncourt und Lorenz Duftschmid, auf Barockmusik spezialisierter Dirigent und Musiker, wurde mit Marin Marais „Alcione“ ein Werk auf den Spielplan gesetzt, das hierzulande seine szenische Erstaufführung erlebte (1706 uraufgeführt am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV). Frei von den verkrusteten Aufführungstopoi gängiger Musiktheaterpraxis konnte man als Zuschauer an diesem Abend die Geburt der Oper aus den Bedürfnissen und Ängsten der menschlichen Seele neu erleben – in einer unbeschwerten, erfrischenden Form, die große Operngefühle mit der professionellen Leichtigkeit einer fahrenden Gauklergruppe zu vermengen schien und zugleich symbolische Kristallisationspunkte schuf, die die stereotypen Ausformungen heutiger Theaterpraxis geschickt aufbrachen.

Ein Beispiel dafür war die Szene in der vermeintlichen Unterwelt, bei der Ceix, eben erst mit Alcione vermählt, während eines schwarzmagischen Rituals in einem seilgestrickten Pentagramm gefangen wird, das ihm den Verstand raubt und zugleich die Begrenztheit seiner Existenz und seiner Liebe hautnah aufzeigt: ein einfaches, aber sehr sprechendes Symbol, eingebettet und getragen von der typischen Bewegungschoreographie des Serapionstheaters. Es war überhaupt auffallend, wie wenig es brauchte, um beispielsweise eine Meeresstimmung zu erzeugen oder einen Sturm oder ein Erdbeben – wie hier die Körper mit den Elementen, die doch nur „Theater“ waren, verschmolzen und auf scheinbar ganz „einfache“ Art eine einprägsame Illusion von Naturphänomenen erzeugten. Eine sehr gut umgesetzte Idee dieser Kategorie war auch das „Löffelballett“ zum Hochzeitsessen. Vermischt mit Bühnennebel, Weihrauch, Feuerfontänen und einer geschickt eingesetzten Beleuchtung ergab sich ein Theater der Sinne und der Seelen, das beim Publikum großen Anklang fand. Auch diese dritte Aufführung, von der diese Besprechung berichtet, war ausverkauft, (für die fünf folgenden Aufführungen bis Ende März gibt es zu einigen Terminen schon Wartelisten).

„Alcione“ behandelt einen Stoff aus den „Metamorphosen“ des Ovid: die unglückliche Liebe zwischen Alcione und Ceix. Ihre Liebe endet tragisch – aber Neptun verwandelt sie nach ihrem Tod in Eisvögel, die ein ganzes Leben einander treu bleiben werden. Marais Musik wahrt auch in den tragischen Momenten eine verträumte Unbeschwertheit und Sensibilität, die mit vielen melodischen Einfällen und rhythmischen Überraschungen aufwarten kann. Das Ensemble Armonico Tributo Austria unter Lorenz Duftschmid hat sich darauf eingelassen, aber auch auf den manchmal hintergründigen Witz, und dem Abend einen würdigen musikalischen Rahmen gegeben.

Allerdings – und dieser Einwand muss sein – die hallende Akustik in dem dreischiffigen, von mächtigen korinthischen Säulen getragenen Odeonsraum, ist vor allem in den hinteren Reihen der „aufgerüsteten“ Publikumstribüne gewöhnungsbedürftig. Jedenfalls ergab sich dort ein etwas verwaschener, einlullender Klangeindruck, der das Orchester positiver zu beeinflussen schien als manche, der hauptsächlich jungen, noch nicht ganz ausgereiften SängerInnen. Hier ist vor allem Phorbas/Pan Yasushi Hirano zu nennen, dessen Gesang dort oben nur mehr ziemlich verschwommen zu vernehmen war. Steffen Rössler als Pélée kam besser zur Geltung. Für Ceix, Johannes Weiß, war diese neobarocke Raumesweite sicher auch abträglich: er blieb in Ausdruck und sängerischem Impetus hinter dem Gesang seiner liebsten Alcione, Svetlana Smolentseva, zurück. Insgesamt schienen mir die Damen besser zur Geltung zu kommen, wobei neben Smolentseva vor allem Johanna von der Deken in der kurzen Partie der Céphise zu überzeugen wusste.

Aber entscheidend für das Gelingen des Abends war ohnehin der Gesamteindruck, auf der offenen weiten Spielfläche geschickt die Spannung hielt, durch Unkonventionelles überraschte (wie die „Stellungswechsel“ des kleinen Orchesters) und eine entspannte Freude an Spiel und Gesang vermittelte, die schon wirklich rar geworden ist auf Theater- und Opernbühnen.