DAS WUNDER DER HELIANE
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Konzertante Aufführung
Wiener Volksoper
28. Jänner 2017
Erstaufführung an der Volksoper

Musikalische Leitung: Jac van Steen

Heliane - Annemarie Kremer
Der Herrscher - Martin Winkler
Der Fremde - Daniel Kirch
Die Botin - Martina Mikelic
Der Pförtner - Andreas Mitschke

Der Schwertrichter - Mehrzad Montazeri
Der junge Mensch - Szabolcs Brickner
Sechs Richter - Karl-Michael Ebner, Christian Drescher, Ben Connor, Michael Havlicek, Daniel Ohlenschläger, Yasushi Hirano
Graf Albert -Thomas Ebenstein


Ein Abend für Raritätensammler

(Dominik Troger)

An der Wiener Volksoper gibt es für Raritätensammler jetzt ein ganz besonders Schmankerl: An drei Abenden wird Erich Wolfgang Korngolds „Das Wunder der Heliane“ konzertant zur Aufführung gebracht.

„Das Wunder der Heliane“ wurde 1927 in Hamburg uraufgeführt, bei der Wiener Erstaufführung im selben Jahr sangen Lotte Lehmann und Jan Kiepura die beiden Hauptpartien. Die Handlung beruht auf einem expressionistisch eingefärbten Mysterienspiel des 1919 jung verstorbenen österreichischen Schriftstellers Hans Kaltneker. Korngold ließ es vom Literaten Hans Müller in ein Libretto umarbeiten.

Die Oper singt ein Hohelied auf die Liebe. Im Finale fahren Heliane und ein fremder Jüngling in Liebe vereint zum Himmel auf. Das macht durchaus Sinn, weil die verkündete Botschaft lautet: „Nur die Liebe ist Ewigkeit“. Bis diese „mystische Hochzeit“ stattfinden kann, braucht es rund drei Stunden (inklusive einer Pause). Heliane hat die Ehe mit einem Herrscher zu erdulden, den sie nicht liebt – und der seinen Frust darüber an seinem Volk auslässt, dem er jegliche „Freude“ verbietet. Wer zuwider handelt, wird eingesperrt und hingerichtet. Dieses Schicksal droht am Beginn der Oper einem jungen Fremden – eben demselben, der mit Heliane schlussendlich himmelwärts entschweben wird.

Dieser Fremde wartet im Kerker auf seine Hinrichtung, als er von Heliane Besuch erhält. Sie will zwar nur trösten, aber beide entflammen in Liebe. Sie zeigt sich ihm nackt (!!), ohne sich ihm hinzugeben. Der Herrscher bekommt das mit, klagt Heliane des Ehebruchs an. Heliane soll ihre „Reinheit“ in einem Gottesurteil beweisen. Sie soll den Jüngling, der sich inzwischen erdolcht hat, wieder zum Leben erwecken. Überraschender Weise funktioniert das sogar: „Die Furcht versank, still steht die Zeit“ – und nachdem auch Heliane noch ihr Leben hat lassen müssen, entfaltet das Liebesmysterium seine Wirkung. Heliane – „Heilig die Heilende“, „Gesegnet die Segnende“ – erscheint dabei als eine Art von weiblichem „Parsifal“, tränkt als scheinbare Sünderin die Oper mit schwermütigem Eros und erlöst mit ihrer Liebesfahrt in den Himmel nicht nur sich selbst, sondern auch das Publikum im Sinne einer seligen, den Tod überwindenden Botschaft.

Korngold hat für diese Geschichte eine aufwändige Musik komponiert, Heliane einen hypertrophierenden, sich in seinem Übermaß fast schon in Schemen auflösenden Klangteppich gewoben, der mit seinen glitzernden, funkelnden, blechbläsergewaltigen, streicherschwülstigen und Harfenarpeggien gesättigten Mustern sich bis zum Kirchengeläute aufbauscht, in dem alle Wundersehnsucht eines aller Wunder längst beraubten Zeitalters mitzuschwingen scheint. Kurz formuliert: Der Aufwand, der betrieben wird, ist enorm und respekteinflößend, aber was ist das Ergebnis?

Korngolds eifrig betriebener musikalischer Eklektizismus (vor allem Richard Strauss, aber auch Gustav Mahler und Richard Wagner standen Pate) wird durch das Libretto, das seinen Eklektizismus (Hofmansthal, Wagner ...) ebenfalls nicht verleugnen kann, nicht „gerettet“, sondern noch verstärkt. Außerdem hatte der Mystizismus des Stückes schon 1927 etwas „Anachronistisch“ an sich – und wer bedenkt, dass die „Heliane“ damals gegen Ernst Kreneks erfolgreiche Oper „Jonny spielt auf“ antreten musste (ein halbes Jahr davor uraufgeführt), dem wird deutlich, wie weit sich der Publikumsgeschmack bereits in den 1920er-Jahren von dem metapherngeschwängerten „Kunstreligionsnirwana“, in das Heliane und ihr Jüngling entschweben, entfernt hat.

Dass sich die Volksoper für drei Aufführungen den Aufwand einer Einstudierung „angetan“ hat, verdient große Bewunderung. Das Orchester füllte zusammen mit dem dahinter platzierten Chor die über den Orchestergraben vorgezogene Bühne. Die Sänger standen an der Rampe. Der Jugendchor der Volksoper (die stark an den „Parsifal“ gemahnenden Seraphischen Stimmen) und eine Abteilung Posaunisten tönten bei Bedarf von der Galerie. Der Text wurde dankenswerter Weise über der Bühne zum Mitlesen angezeigt. Das Haus war nicht ausverkauft, aber gut genug besucht, um gegenüber dem vor 60 Jahren verstorbenen Komponisten den Anstand zu wahren.

Die Volksoper bot eine zur Aufopferung bereite Besetzung auf. Die expressive Führung der Singstimmen, unter der vor allem Tenöre zu „leiden“ haben, teilt „Das Wunder der Heliane“ mit dem kompositorischen Zeitgeschmack – und der junge Fremde ist natürlich ein Tenorpartie, damit Tenor und Sopran dann ihre gemeinsame Liebesreise antreten können. Daniel Kirch sang einen achtbaren, im Ausdruck etwas einförmigen Fremden. Sein Tenor war für die angesagte Expressivität wohl eine Spur zu leichtgewichtig, um sich eine durchschlagskräftigere, metallischere Höhe und fülligere Mittellage „leisten“ zu können.

Annemarie Kremer ist in den letzten Jahren an der Volksoper als Salome aufgetreten, brachte insofern das Rüstzeug für die Heliane mit. Sie vermochte durchaus die individuelle Emotionalität der Figur herauszuarbeiten und die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft zu erringen, was in Anbetracht der von Korngold in die Schlacht geworfenen Mittel gar nicht so einfach ist. Ihr Sopran neigte allerdings zu einem starken Vibrato und hätte für meinen Geschmack die Partie noch weitaus blühender und sinnlicher ausmalen können. Martin Winklers Bassbariton sorgte für einen kräftigen, etwas trockenen Herrscher, grimmig, wenig sympathisch, ein wenig alberichartig und kein Mann zum Verlieben. Martina Mikelic – in ein raffiniert geschnittenes Kleid gewandet, das viele Blicke auf sich zog – steuerte ihren klangvollen Mezzo als Botin bei. Viel Mitgefühl ließ Andreas Mitschke als Pförtner einfließen, während Mehrzad Montazeri dem alten Schwertrichter eine passende, mit leicht sprödem, metallischem Tenor hinterlegte Unnahbarkeit verlieh. Engagiert gingen auch die übrigen Mitwirkenden in kleineren Partien und natürlich der Chor und das Orchester ans Werk. Dem Dirigenten Jac van Stehen gelang es, die Klangmassen sinnvoll zu bändigen und mit ihnen eine gewisse Sinnlichkeit zu erzeugen sowie die Spannung einigermaßen aufrechtzuerhalten.

Die Aufführung wurde eifrig beklatscht, die Raritätensammler konnten wieder ein Werk aus einem ihrer Dutzenden Opernführer abhaken, und Korngold wird auch weiterhin vor allem mit seiner „Toten Stadt“ einen kleinen, aber weitaus nachhaltigeren Beitrag zu den Spielplänen der Musiktheater bestreiten.

Weitere Aufführungen folgen noch am 2. und 5. Februar 2017.