FEAR DEATH BY WATER (A BEACH OPERA)

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Museumsquartier HalleE
22.3.2003

(Premiere 18.3.03)

Libretto: Christian Baier (nach Motiven von T.S. Eliots "The Waste Land")

Musikalische Leitung: Peter Burwik
Inszenierung: Michael Scheidl
Bühnenbild: Nora Scheidl
Kostüme: Tanja Hauser
Klangregie: Peter Böhm
Licht: Harry Godula

exxj...ensemble XX.jahrhundert & Monoblue Quartet

Eine Koproduktion von NeTZZeiT & exxj

Belladonna (Sprechrolle) - Birgit Doll
Mädchen - Morenike Fadayomi
Tiresias - Walter Raffeiner
Der Mann mit den drei Stäben (Sprechrolle) - Alexander Wächter
Der phoenizische Seemann (Stumme Rolle) - Michael Pink
Erster Animator (Stumme Rolle) - Günter Bubbnik
Zweiter Animator (Stumme Rolle) - Michael Born



Sandburgen
(Dominik Troger)

Den Trieb ungehemmter Neugierde konnte ich nicht bezähmen, denn ich wollte auch unbedingt noch in den Genuss einer „Beach Opera“ kommen – und das mitten in Wien. Nun haben die Kubikmeter feinsten Bausandes, die den Boden der Halle E im Museumsquartier bedeckten, meinen Erwartungen durchaus entsprochen. So etwas bekommt man wirklich nicht alle Tage zu sehen.

Man hatte die Halle ausgeweidet, die Sitzreihen entfernt und statt dessen den schönsten Sandstrand Wiens implementiert. Zwar ist ein Strand ohne Meer nur eine halberte Sache, und weil das mit dem Sandstrand schon die beste Idee der ganzen Produktion gewesen ist, konnte also wirklich nur eine halberte Sache daraus werden. Aber Wien liegt eben trotz aller bühnenbautechnischen Bemühungen nicht am Meer.

Das nach Motiven von T.S. Eliots „The Waste Land" gefertigte Werk hat mich, ich möchte das lieber gleich gestehen, ziemlich ratlos zurückgelassen. Ich kenne den Text von Eliot nicht, aber ich habe auch so nicht verstanden, was man dem Publikum mitteilen wollte. Das wirklich lesenswerte Programmheft (2 Euro 70 Cent für ein A4-Kartonmappe mit vielen eingelegten Blättern) ist sehr reich an möglichen Bezügen, und man ist einigermaßen erstaunt darüber, was in dieser runden Aufführungs-Stunde alles nicht vermittelt worden ist. Irgendwie wirkte die Aufführung wie ein um fünfunddreißig Jahre zu spät in Szene gesetztes Happening frustrierter Mittelständler, bevor das Golfspielen „erfunden“ worden ist. Dank des Programmheftes nimmt man auch die letzten Worte des Sehers Tiresias mit nach Hause, die darin abgedruckt sind: „Wie schwer das Vergessen, wenn Erinnerung fehlt.“ Nun, in diesem Fall erinnert man sich ja, also wird einem das Vergessen umso leichter fallen!?

Am verheißungsvollsten waren der Beginn – und wie noch auszuführen sein wird – das Ende. Als Publikum fühlt man sich ja gleich sehr intensiv angesprochen und seltsam erregt, wenn man mal keine Sitzreihen vorfindet, und gleichsam auf die Bühne wie in eine Arena gebeten wird. Der Weg führte, nach dem Kartencheck, einen Gang entlang, dann ums Eck in eine Art Hotelzimmer mit einem mehrteiligen Spiegelkasten. Durch die Spiegeltüren geschritten, fand man sich dann auf einem Sandstrand wieder. Rechts weiter vorne saß verträumt eine kleine Jazzband im Sand, man sah Schauspieler waagrecht in der Luft schweben – in Schlaufen gehalten, die an Stahlseilen von der Decke baumelten. Hatte man sich langsam durch den Sand vorwärtsgetastet stieß man plötzlich auf eine fußgezogene Linie, die zu übertreten einem untersagt wurde. Hier begann also der „Bühnenraum“.

Man bezog also nahe dieser Linie Posten und wartete. Die Sänger und Schauspieler kletterten aus ihren Schlaufen, scheuchten die Zuschauer von drei im Saal verteilten Sandhügeln (die waren von den Nachzüglern erklommen worden, um bessere Sicht zu gewinnen), und begannen mit irgendeinem seltsamen Gestammel. Vorne, da saß noch ein Mädchen auf der „Bühne“, vor einer Art blumengeschmückter Grube. Ein Seemannsgrab, wie sich bald herausstellte: denn dessen Geist kletterte auch flugs heraus und mischte sich bleichgeschminkt und starren Blickes unter das Publikum. Plötzlich fühlte man sich angestoßen, von hinten angerückt, und da sah man schon schmalbrüstige Heurigenbankerl angeschleppt, die als Sitzgelegenheit dienen sollten. Man setzte sich. Das Geschehen hatte sich inzwischen endgültig in den abgegrenzten Bühnenraum verlagert – und das Publikum begann, die Rücken zu krümmen.

In der Folge spielten sich banale Strandszenen ab, wobei Belladonna ein paar Panikattacken hatte, die sie mit Schreien verjagte, wobei der Seher Tiresias zwischendurch ein paar musikalisch an den Berg’schen Wozzeck erinnernde Statements abgab, wobei so ein Typ in schwarzem Gewand mit Handy herumrannte und von Tellerminen und Seeminen quatschte. Dann ertranken die Kinder der Belladonna irgendwo im dunklen Hintergrund der E-Halle, und der Geister-Matrose buddelte seine eigene Leiche aus. Der schwarzangezogene Typ holte sich die Leber raus oder was anderes Fleischiges und legte es zu den Würsteln am Grill. Davor hatte sich schon alles zu einem Videovortrag zusammengefunden, der in rascher Bildfolge Sujets wie Sport, Krieg, Explosionen usf. zur allgemeinen moralischen Aufrüttelung verbreitete. Irgendwann war damit Schluss und dann kam endlich das nach dem Beginn zweitbeste: die Protagonisten verbeugten sich von eben dieser Videowand und nahmen den plätschernden Applaus des Publikums ganz zeitgemäß und virtuell entgegen. Und irgendwann verplätscherte der Applaus, und das Video lief weiter, aber das Publikum lief nach Hause. Beim Hallenausgang durfte man sich noch – wenn man wollte – mit bereitgehaltenen Schuhbürsten den Sand vom Leder fegen.

De Erkenntnisgewinn insgesamt war also ein sehr geringer. Und die musiktheatralische Relevanz des Ganzen mit einer stark jazz-lastigen Grenzgängerei zwischen zeitgenössischer „Klassik“ und modernen Rhythmen ergab zwar eine sehr flüssige, leicht zu rezipierende Musik, die aber der Flachheit der Handlung wenig entgegenzusetzen vermochte. Nicht Gram sein darf man dem Bühnenbild. Man hätte diesen Strand nicht missen mögen. Das war eine hübsche Idee, die den Abend auf jeden Fall wert gewesen ist.

PS: Alle Mitwirkenden waren nicht nur mit Eifer bei der Sache, sondern auch mit Mikrophonen ausgerüstet, wohl ein unvermeidliches Hilfsmittel in Anbetracht des offenen Bühnenambientes.