VEC MAKROPULOS
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Janacek-Portal

Staatsoper
Premiere
13.12.2015

Dirigent: Jakub Hrusa

Inszenierung:
Peter Stein
Bühnenbild: Ferdinand Wögerbauer
Kostüme: Annamaria Heinrich

Licht: Joachim Barth

Emilia Marty - Laura Aikin
Albert Gregor - Ludovit Ludha
Krista - Margarita Gritskova
Jaroslav Prus - Markus Marquard
Janek Prus - Carlos Osuna
Dr. Kolenaty - Wolfgang Bankl
Hauk-Sendorf - Heinz Zednik
Vítek - Thomas Ebenstein
Maschinist - Marcus Pelz
Aufräumerin - Aura Twarowska
Kammermädchen - Ilseyar Khayrullova


Geschmackvolle Premiere
(Dominik Troger)

Leos Janàceks „Vec Makropulos“ wurde 1926 in Brünn uraufgeführt. In Wien wurde das Werk kaum gespielt. Die letzten Aufführungen gab es in 1990er-Jahren an der Volksoper. An der Staatsoper gelangte Janàceks vorletztes Bühnenwerk mit dieser Premiere zur Erstaufführung.

Die Geschichte ist eigentlich schnell erzählt – obwohl sie im Detail sehr kompliziert ist: Die Tochter des Leibarztes von Rudolf II, Elina Makropulos, wird Opfer eines medizinischen Versuchs. Ihr Vater testet an ihr ein lebensverlängerndes Mittel. Das Mittel funktioniert. Als Emilia Marty taucht Elina in Janàceks Oper 300 Jahre später wieder auf. Sie ist eine geheimnisvolle und ziemlich gefühlskalte von Verehrern umschwärmte Sängerin. Marty hat aber ein Problem. Sie muss die Wirkung des Zaubermittels erneuern und in den Besitz des Rezeptes kommen, das sich nicht mehr in ihrer Hand befindet. Das wird ihr allerdings durch einen komplizierten Erbschaftsstreit erschwert. Schließlich tauscht sie eine Liebesnacht gegen das Dokument – entschließt sich aber zuletzt, das Mittel nicht anzuwenden und zu sterben.

Der Stoff basiert auf einer Komödie von Karel Capek. Bei Janàcek erhält die Komödie einen tragischen Zug, auch wenn viele Pointen in den Dialogen verstreut sind, die dank der Untertitelungsanlage der Staatsoper nicht spurlos an einem vorübergehen. „Vec Makropulos“ ist eigentlich ein Konversationsstück bis das Abtreten der Elina alias Emilia zu einem großartigen musikalischen und seeleaufwühlenden „hymnischen“ Finale genützt wird.

Die Staatsoperninszenierung von Peter Stein bietet dem Publikum geschmackvolle Bühnenbilder, passende Kostüme und eine genaue Personenregie. Die Schauplätze der drei Akte wurden in keinem (!) Einheitsbühnenbild zusammengefasst und boten im ersten Akt ein Anwaltskanzlei (im Stil des 19. Jhdt.), im zweiten Akt die Bühne eines Opernhauses (Innenraum der Wiener Staatsoper vor dem Krieg), im dritten ein mondänes Hotelzimmer (etwa 1920er-Jahre). Allein der Verzicht auf ein Einheitsbühnenbild kann schon fast als „revolutionär“ bezeichnet werden. Das Publikum dankte es dem Regieteam mit viel Beifall – nur ein oder zwei Buhrufer waren beim Verbeugungsritual mit dieser „Revolution“ nicht einverstanden.

Das Staatsopernorchester unter Jakub Hrusa sorgte beim Hausdebüt des Dirigenten für eine spannende Wiedergabe, wobei es Hrusa gelang, trotz der kleinteiligen Partitur den Blick für das Ganze nicht zu verlieren und durchaus witzige Pointen ebenso herauszukitzeln wie schließlich eine fulminante Schlusssteigerung hinzulegen, die – wie bei Janàcek üblich – aus dem Ganzen emporwächst wie wenn sich ein Mosaik gleichsam von selbst zusammenfügt.

Gegenüber der Jahresvorschau kam es zu Umbesetzungen: Als Albert Gregor feierte der Ludovit Ludha Hausdebüt, er hat die Partie relativ kurzfristig von Rainer Trost übernommen. Janek Prus wurde von Carlos Osuna gesungen, in der Saisonvorschau wird für diese Partie noch Norbert Ernst genannt. Die 337-jährige Emilia Marty wurde von Laura Aikin realisiert. Ihr sah man das Alter erst am Schluss an, als sie mit einer mumienartigen grünbraunen „Gesichtspackung“ von der Welt ihren Abschied nahm – diesen „Grottenbahneffekt“ hätte man seitens der Regie vielleicht doch überdenken sollen. Aikin zog sich die Maske beim Solovorhang ab – und war beim nächsten Verbeugungsritual wieder mit dem attraktiven Gewand gekleidet, dass sie weitgehend während des dritten Aktes getragen hatte. (Nach einem Ohnmachtsanfall und einem Arztbesuch erscheint Marty zum Finale im Nachthemd und mit der angesprochenen „Alterserscheinung“.)

Aikin hat vor Jahren schon als Lulu bewiesen, dass sie mit Beständigkeit zum Ziel kommt – um in den entscheidenden Augenblicken, wie diesmal im Finale, über sich hinauszuwachsen. Im ersten Akt habe ich Aikin noch nicht als berühmte Sängerin mit „mythischem Vorleben“ wahrgenommen, sondern als „gewöhnliche“ Frau in dieser mit meterhohen Aktenschränken versehenen Anwaltskanzlei, eine Frau, die allerdings bald liebesstürmisch von Albert Gregor belagert wurde. Im zweiten Akt verschärfte sich ihre Kühle zu einer skalpellartigen Kälte – und die Liebesnacht mit Jaroslav Prus schien Emilia am Beginn des dritten Aktes in einen Eisblock verwandelt zu haben. Aber der Eisblock begann zu schmelzen, als ihre Erinnerungen Oberhand gewannen. Diese emotionale Veränderung, von der letztlich die Wirkung der ganzen Oper abhängt, gelang nachvollziehbar, und die Figur lud jetzt zum Mitfühlen ein – lud dazu ein, ihre schreckliche Einsamkeit zu spüren. Aikins Sopran war für die Partie eine Spur zu lyrisch, mehr dem Konversationston angemessen, aber sein klares und festes Timbre brachte die elegante Kühlheit des Charakters gut zum Ausdruck und blieb sich letztlich auch in den dramatischen Passagen treu.

Die Partie des Albert Gregor erfordert viel durchschlagskräftige, tenorale Expressivität, die Ludovit Ludha bei seinem Hausdebüt angemessen vorrätig hatte. Jaroslav Prus, der in den Genuss einer Liebesnacht von Emilia kommt, war beim auch stimmlich stattlich seine Position vertretenden Markus Marquardt im Wesentlichen gut aufgehoben. Ein prägnanter Thomas Ebenstein als Vitek und Wolfgang Bankl als jovialer, stimmstarker Dr. Kolenaty waren weitere Vertreter der Rechtszunft. Margarita Gritskova steuerte auch stimmlich den hübschen Sängerinnennachwuchs bei, nicht ohne Charme der Janek Prus von Carlos Osuna. Die Begegnung mit Heinz Zednik als schrulligem Hauk-Senkdorf bewies einmal mehr, dass Bühnenpräsenz und Humor nicht vom Alter abhängen. Gut präpariert waren die weiteren Mitwirkenden in den kleinen Rollen. Das Publikum reagierte auf den Abend mit rund 16 Minuten langem Applaus. Die Aufführung dauerte von 19.00 bis 21.15 Uhr inklusive einer Pause.

Fazit: Die Oper hat zwar nicht das Zeug zu einem Publikumsmagneten*, aber die Produktion ist sehenswert, auch wenn man sich den Genuss von Janàceks Musik in diesem Fall erst „verdienen“ muss. (Der erste Akt hat einigen Längen, bis die Erbschaftsangelegenheit durchbesprochen ist.)

* An der Volksoper insgesamt 13 Aufführungen in den Saisonen 1993/94 und 1994/95.