KATJA KABANOVA
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Theater an der Wien
Premiere
13.4.2008

Dirigent: Kirill Petrenko
Inszenierung: Keith Warner

Ausstattung: Kaspar Glarner
Licht: Wolfgang Göbbel



RSO Wien
Arnold Schönberg Chor

Neuproduktion des Theaters an der Wien

Dikoj - Anatoli Kotscherga
Boris - Robert Brubaker
Kabanicha - Anja Silja
Tichon - Raymond Very
Katja - Melanie Diener
Kudrjas - Johannes Chum
Varvara - Stella Grigorian
Kuligin - Gabriele Nani
Glasa - Magdalena Anna-Hofmann
Feklusa - Verena Gunz
Zena - Petra Simková
Muz - Andrew Johnson


Hautnah
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien kann mit Janáceks Katja Kabanova den nächsten großen Erfolg verbuchen. Musik und Regie sorgten für eine mitreißende Umsetzung dieses Psychodramas um unterdrückte Leidenschaften und Gewissensqualen.

Knappe eindreiviertel Stunden lang und ohne Pause hielt Kirill Petrenko das RSO Wien zu höchster Spannung an, verdichtete die Musik zu einem nie abreißenden Strom kleinteiliger Akzente, die manchmal schroff, dann wieder melancholisch verträumt und zu kurzen Motiven verbunden, die Charaktere der Bühnenfiguren umreißen. Janáceks Konsequenz ist hier unerbittlich – und am Schluss schneiden Violinen des Hasses zwischen den vermeintlichen Dank, den Katjas Schwiegermutter für die Anteilnahme der Umstehenden bereit hält. Leerläufe gab es da keine, sondern ein engmaschiges Beziehungsgewebe, in das man sich als Zuhörer vom ersten Takt an verfing – und das sich zwischen barbarischem Pulsieren und Momenten verträumten Loslassens spannte.

Keith Warner brachte das äquivalent auf die Bühne, pinselte Figurenpsychologie mit filmischer Tiefenschärfe auf die großflächigen Kulissenarrangements klassischer Oper: das Bett der Wolga, rechts und links von einer steilen Uferböschung mit einem Weg begrenzt, mal mit einer Brücke überspannt, von Ruderbooten befahren oder einfach als Bühne für das Zimmer im zweiten Bild des ersten Aktes. Der große Strom, in dem Katja sterben wird, als beständige Bedrohung, als romantischer Platz für Liebesgeflüster oder einfach nur als praktikable Dekoration. Hier bewegten sich die Figuren, flüssig und immer mit dem Blick auf den Charakter und das Beziehungsgeflecht, in das sie gestellt sind. Man spürte, wie ernst Warner das Geschehen nimmt, und wie er ihm einen Freiraum schafft, in dem sich die Geschichte dann gleichsam „von selbst“ erzählt.

Das Resultat waren einprägsame Bilder, in denen sich naive Theatergläubigkeit mit psychologischer Genauigkeit verbanden: schon zum Vorspiel das Kleid, dass den Fluss hinabtreibt, bis zur Begrenzung des Orchestergrabens, Anfang und Ende in eins gefasst. Oder der ins surreale spielende Felsen im Strombett, Katjas Hausrat darangeschmiegt, die Daseinsenge ihres Lebens wie eine Mauer aufgerichtet, auf der sie sitzend klagt und ihren Mädchenträumen nachhängt. Gewaltigen Eindruck machte auch der Schluss, die einknickende Brücke, auflodernder Höllenatem.

Melanie Diener lebte Katja mit großer Intensität, realitätsbezogen, ohne zu sehr eine auf die Tränendrüsen drückende Verklärung zu bemühen. Die Schärfe des Schicksals, das hier vorgestellt wird, wurde auch von den SängerInnen nicht verwässert, und Diener fand in Katja das schwärmerische Element ebenso wie diese traurige Verzweiflung eines durch die Lebensumstände ausgehöhlten Herzens.

Anja Silja verlieh der Schwiegermutter herrische Züge, die ans psychopathische grenzten, obwohl sie immer Haltung bewahrte. Das Spiel, dass sie mit Katja treibt ist perfid. Siljas starke Bühnenpersönlichkeit war eine ganz prägnante Erscheinung an diesem Abend. Stella Grigorian (Varvara) war ein verführerischer Wirbelwind, der mit Kudrjas (sehr gut: Johannes Chum) schließlich nach Moskau geht. Die beiden Kontrahenten um Katja, Raymond Very (Tichon) und Robert Brubaker (Boris), setzten die von ihnen verlangten „Kontrapunkte“. Anatoli Kotscherga steuerte den polternden Dikoj bei.

Der Beifall hielt lange an und war sehr stark. Es gab nur zustimmenden Applaus.