JENUFA
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Wiener Staatsoper

14. April 2016

Dirigent: Ingo Metzmacher

Die alte Buryja - Aura Twarowska
Laca Klemen - Christian Franz
Stewa Buryja - Marian Talaba
Die Küsterin Buryja - Angela Denoke
Jenufa - Dorothea Röschmann
Altgesell - Il Hong
Dorfrichter - Alexandru Moisiuc
Seine Frau - Donna Ellen
Karolka - Hyuna Ko
Schäferin - Lydia Rathkolb
Barena - Ulrike Helzel
Jana - Annika Gerhards
Tante - Sabine Kogler

"Das Mühlenrad des Schickals"
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper spielt erstmals Leos Janaceks „Jenufa“ in Originalsprache. Fünf Aufführungen sind angesetzt. Die hier besprochene Aufführung war die dritte im Rahmen der Aufführungsserie und laut Programmzettel die 34. dieser Produktion in der Regie von David Pountney.

Eigentlich fällt eine Standortbestimmung der „Jenufa“ gar nicht so leicht: Verismo, Expressionismus und ein Schuss folkloristisch unterfütterter Schauerromantik? Beseelt das Werk nicht auch ein Windhauch aus Mährens Hain und Fluren durchzogen von den geheimnisvollen Stimmungen einer klirrenden monderhellten Winternacht in der ein Mord geschieht? Der innere seelische Raum und der äußere kommen im zweiten Akt zu einer metaphorischen Überdeckung die gruselig fast im Sinne eines Edgar Allen Poe dem Publikum das Grauen lehrt. Aber letztlich finden Laca und Jenufa zusammen, entwickeln sich weiter, schaffen Trost und lernen zu verzeihen. Das Finale birgt einen Hoffnungsfunken, der vielleicht ein kleines Feuer entfacht, an dem die beiden sich einige Jahre zwischen harter Arbeit und körperlichem Leid erwärmen können.

Im Rahmen von David Pountneys Inszenierung aus dem Jahr 2002 ist für Folklore und Naturstimmungen wenig Platz. Die volkskundig arrangierten Trachten der Hochzeitsgesellschaft wirken seltsam deplatziert in der weißen Riesenscheune. Auf der langen Hochzeitstafeln steht einfaches Geschirr. Alles ist auf die Tragödie fokussiert, die ihrem Höhepunkt zustrebt. Der naturalistische Anstrich des Bühnenbildes setzt sich bei der Figurenzeichnung fort, die nur manchmal beim „Fußvolk“ ein wenig ins parodistische kippt.

Im ersten Akt bestimmt das Innere einer riesigen Mühle die Bühne, das große Rad scheint alle zu zermalmen, hier dreht das Schicksal unerbittlich „seine Runden“: das Rad „Fortunas“, das jeden mitnimmt, und einen mal ganz nach oben trägt und dann wieder ganz nach unten wirft. Im zweiten Akt sind die Mehlsäcke aufgestapelt wie zu einem Mühlenbunker, im Vordergrund eine spartanisch eingerichtete Stube mit Herd und Tisch. Der dritte Akt zeigt die schon erwähnte Scheune.

Die Verwendung der Originalsprache bedeutete den Verzicht auf manch lieb gewonnene Textpassage und trug vielleicht zu einer „Entsentimentalisierung“ bei, die sich auch Pountneys Inszenierung auf die Fahnen geschrieben hat. Auch das Orchester unter Ingo Metzmacher ließ sich selten bei tieferen Seelenregungen ertappen. Rhythmisch durchkalkuliert und mit wenig Schmelz in den Violinen erklang die Oper von einer nüchternen Unerbittlichkeit getragen, die sich auch im Finale ein wärmeres, apotheosenhaftes Hoffnungsstrahlen versagte. Metzmacher machte sich weniger zum Anwalt der bedrängten Seele, um ihr Erlösung zu bieten, als der sie bezwingenden Schicksalsmächte. Derart sezierte er ostentativ analytisch und aus der Sicht des 21. Jahrhunderts den „musikalischen Körper“ Jenufas, bis er – sozusagen dem Schnitt von Lacas Messer folgend – hinter ihren weichen, runden Apfelwangen auf bleiche, verhärtete Strukturen stieß. Für „Romantizismen“ blieb kaum mehr ein Plätzchen frei.

Der Jenufa von Dorothea Röschmann lag die Weiche ihrer „Apfelwangen“ nicht in der Kehle – und ihre forcierten, sich verengenden Spitzentöne betonten für meinen Geschmack mehr die seelische Anspannung Jenufas, als ihre Reize. Ihr Sopran klang mir insgesamt etwas kühl, nahm letztlich auch dem Finale diesen Hoffnungsaspekt. Und seltsam war es schon, dieser Jenufa mit Angela Denoke eine Küsterin gegenüber gestellt zu sehen, deren Stimme einen durchaus noch blühender dünkte.

Denokes Bühnenautorität war zwar in jeder Sekunde spürbar, aber ihre im Leid sich sehr vermenschlichende Küsterin war vielleicht schon zu (!) begehrenswert in Stimme und Auftreten. Der überzeichnenden Dämonie, die letztlich dem Expressionismus zufällt, enthielt sie sich weitgehend. Der angegraute Granitfels, den dieser Mensch darzustellen hätte, war gewissermaßen noch mit zu lebendig wirkenden Moosen überzogen und der über das Kind verhängte Richterspruch geschah mehr aus Verzweiflung und nicht aus einem schicksalsanmaßenden, berechnenden Kalkül heraus. Es ist die Frage, wie viel Sympathie seitens des Publikums dieser Rolle zuträglich ist? Müsste man sich vor ihr nicht auch ein bisschen fürchten? Denoke hat in dieser Produktion oftmals die Jenufa gesungen, für mich war der Abstand von ihrer Küsterin zu ihrer Jenufa noch nicht groß genug.

Die beiden Streiter um Jenufas Gunst wurden von Marian Talaba und Christian Franz mit Kraft und wenig stimmlichem Raffinement umgesetzt. Marian Talabas Stewa ließ einen hellen, monochromen Tenor hören, in dem nicht unbedingt der Frauenschwarm und Verführer entdeckt werden konnte. Franz manövrierte mit heldentenoralem Nachdruck durch die Partie, schwankte im Spiel nicht unpassend hemdsärmelig zwischen Eifersucht und Liebe. Insgesamt fügten sich beide Sänger in ihrer Art doch gut in das desillusionierende Ambiente dieser Inszenierung ein. Aura Twarowska war eine junge – alte Burya, die vielen Nebenrollen sorgten handlungsgemäß für das die Hauptfiguren umgebende „soziale Substrat“.

Nach der zweiten Pause waren die leer gewordenen Plätze nicht mehr ganz zu übersehen. Janacek hat es nach wie vor nicht leicht im Repertoire. Der starke Schlussapplaus dauerte rund acht Minuten lang.