DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
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Theater a.d. Wien im Museumsquartier Halle E
Premiere
15. Oktober 2022

Dirigent: Giedré Šlekyté

Inszenierung: Stefan Herheim
Bühne: Silke Bauer
Kostüm: Doris Maria Aigner
Licht: Paul Grilj
Choreografie: Beate Vollack

Wiener Symphoniker

Arnold Schönberg Chor

Förster - Milan Siljanov
Försterin / Schopfhenne / Eule /
Frau Pásek - Alzbeta Vomácková
Füchsin Schlaukopf - Mélissa Petit
Fuchs - Jana Kurucová
Harašta - Marcell Bakonyi
Schulmeister / Mücke / Dackel / Hahn /
Specht - Ya-Chung Huang
Pfarrer / Dachs - Levente Páll
Gastwirt - Zarachias Galaviz
Franzl / Eichelhäher - Anna Kufta
Sepp - Petra Kukkamäki
Frosch - Stephen Ralph
Schopfhenne / Grille - Liliya Namisnyk
u.a.m. dazu Tänzerinnen und Tänzer


Überfrachtete Opernzoologie
(Dominik Troger)

Premierenervös beobachtet Leoš Janácek im weißen Anzug und mit Gehstock ausgerüstet das in die Halle E des Museumsquartiers einströmende Publikum. Neo-Intendant des Theaters an der Wien und Regisseur Stefan Herheim beginnt seine Arbeit am Haus mit bekannten „Stilmitteln“ und lässt – wieder einmal – den Komponisten an seinem Werk „leibhaftig“ anteilnehmen.

Herheim hätte sich seinen Einstand leichter machen können: Leoš Janáceks Opern sind eher keine „Selbstläufer“ und das „Schlaue Füchslein“ ist nicht einfach zu inszenieren. Janácek packt eine ganze „Zoologie“ in seine Oper, für die man erst einmal eine adäquate Bühnensprache finden muss. Herheim hat sich für einen Antagonismus aus Illusion und Desillusion entschieden, bricht die Handlung gleich am Beginn, in dem er die „Natur“ als Ergebnis einer Kulissenwerkstatt „demaskiert“. Die blaue Libelle wird gerade zusammengebaut, Menschen wuseln herum, Janácek mittendrin. Was der Förster und eine junge Füchsin dort verloren haben, weiß man nicht so genau, aber ohne die beiden kommt die Geschichte nun mal nicht aus.

Zum Glück rückt die Werkstatt schnell in den Hintergrund und im Finale des erstes Aktes gibt Herheim eine Kostprobe seiner „Theaterpranke“, wenn das Füchslein die Hühner killt. Die Hühner werden als Näherinnen und Eierlegemaschinen gehalten, sie wirken etwas dumm und werden vom Hahn eifersüchtig überwacht. Herheim lässt sie vom Füchslein mit Elan und überdrehten Humor „erwürgen“. Die Dorftypen werden insgesamt gut ironisiert – auch der Komponist, der seine zweifelhafte Bühnenexistenz als Schulmeister legitimieren darf.

Allerdings verliert sich Herheim im Verlauf des zweiten Aktes in einer „Metaebene“, die er dann bis zum Schluss nicht mehr los wird. Schließlich (so im Programmheft nachzulesen) möchte er anhand des „Füchsleins“ die Verwandlungs- und Erneuerungskraft des Musiktheaters herausarbeiten und er überfrachtet in Folge die Oper mit viel zu viel Metaphorik. Aber zuerst wird mit feinfühligem Humor noch die Liebesszene zwischen der Füchsin und ihrem Zukünftigen ausgespielt – allerdings erst nach einer unnötigen Pause, die den zweiten Akt teilt – bevor die Geschichte endgültig aus dem Rahmen kippt.

Zum Hochzeitsreigen der Tiere treten berühmte Liebespaare der Operngeschichte auf (Desdemona und Otello, Papageno und Papagena, Butterfly, Bohéme usf.), die Janáceks tierisches Liebespaar in ihre Reihen aufnehmen. Aber das Glück währt nur kurz: Die Opernpärchenmänner meucheln die Opernpärchenfrauen. Der übelbeleumundete Harasta wird zum Todesboten überhöht und „radelt“ die Leichen mit einem Mähdrescher zusammen. Als Köder für das Füchslein dient ein blutiger, aus roten „Knödelchen“ zusammengenähter menschlicher Körper. Nach einigem Hin und Her steuert die Füchsin selbst den Mähdrescher auf den Wilderer und den Förster zu und wird erschossen. Gegen Ende befindet man sich offenbar wieder in der Kulissenwerkstatt: Der Komponist zieht sich in ein überdimensionales Herz zurück und verstirbt in einer Herzkammer. Aber zumindest rückt das Herz in den Hintergrund, wenn der Förster über Pilze, Frauen und den Kreislauf der Natur sinniert.

Herheim wollte bei seinem ersten Antreten als neuer Intendant wahrscheinlich die Möglichkeiten des Ausweichsquartiers voll ausreizen – das Stammhaus an der Linken Wienzeile wird schließlich zwei Jahre lang renoviert. Aber Herheim hat bereits 2004 (!) bei seiner „Madama Butterfly“-Inszenierung an der Volksoper einen gewissen Giacomo Puccini mitspielen lassen. Das Wasser, mit dem er 18 Jahre später fürs Theater an der Wien aufgekocht hat, schmeckte insofern schon ein bisschen abgestanden. Und wer sich gern an die Produktion der Staatsoper aus dem Jahr 2014 erinnert, an das märchenhafte Naturalienkabinett eines Otto Schenk, oder an die originelle, zeichentrickfilmunterstützte konzertante Lösung mit dem Cleveland Orchester unter Franz Welser-Möst, der wird sich bei Herheims Deutung vielleicht fragen, wie das alles mit Janáceks Oper zusammenpassen soll.

Auf der musikalische Seite sind zuerst einmal die Wiener Symphoniker unter Giedré Šlekyte zu nennen, die Janáceks Musik mit analytischer Klarheit entwickelte. Der Orchesterklang kam in den oberen Rängen der Halle gut an (ich habe mir nur eine Karte in der billigsten Kategorie gegönnt), bei den Gesangstimmen bin ich mir nicht mehr so sicher. Der Förster von Milan Siljanov tönte jedenfalls kräftig und dürfte einen kernigen (Bass-)Bariton besitzen. Das Füchslein der Mélissa Petit – darstellerisch sehr gut und mit starker feministischer Ausdeutung der Partie – klang doch recht lyrisch und etwas leise. Jana Kurucová von Herheim am Beginn angesagt, ließ phasenweise einen kräftigen Mezzo hören. Unter den übrigen Mitwirkenden tat sich vor allem Ya-Chung Huang hervor, der als stolzer Hahn, Schulmeister, Janácek u.a. in viele Rollen schlüpfen musste.

Die Halle war bis auf wenige leere Plätze (COVID- und grippalen Infekten geschuldet?) voll, mit einer ganzen Reihe an illustren Gästen, auch der Nicht-Mehr-Intendant des Hauses machte seinem Nachfolger die Aufwartung. Der Schlussbeifall nach rund zwei Stunden war stark und die Aufführung blieb ohne Widerspruch. Für die Folgevorstellungen gibt es noch ausreichend Karten, Plätze in der günstigsten Preiskategorie (laut Website ab 40,80 Euro) sind allerdings knapp bemessen und umfassen nur die vier letzten Hallenreihen.

PS: Leider gibt es im Programmheft keine Biographien zu den Mitwirkenden.

PPS: Die Halle E im Museumsquartier ist bei weitem kein vollwertiger Ersatz für das Theater an der Wien, aber das war von vornherein klar.