HÄNSEL UND GRETEL
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Volksoper
3.1.2024


Dirigent:
Ben Glassberg

Peter - Morten Frank Larsen
Gertrud - Annely Peebo
Hänsel - Maria Hegele
Gretel - Hedwig Ritter
Die Knusperhexe - Ulrike Steinsky
Sand- und Taumännchen
- Cinzia Zanovello


„Märchenzeit in der Volksoper“
(Dominik Troger)

„Hänsel und Gretel“ an der Volksoper bedeutet: viele Kinder und Jugendliche auch in der Abendvorstellung um 19 Uhr, ein Publikum, das sich spätestens nach der Pause im „Hexenakt“ wirklich mitreißen lässt. Wenn die Hexe durch die Luft saust, dann tobt das Haus.

„Hänsel und Gretel“ an der Volksoper hat längst Kultstatus erlangt. Die inzwischen schon fast vierzig Jahre alte Inszenierung von Karl Dönch, dem ehemals langjährigen Direktor des Hauses, und die märchengerechten Bühnenbilder und Kostüme von Toni Businger sind auch schwer zu übertreffen. Schon das liebevoll designte, ca. A5-große von Toni Businger als Kuverttasche gestaltete Abendprogramm, auf dem ein großer Lebkuchen abgebildet ist, bezeugt die Ausrichtung auf eine jugendliche oder junggebliebene Zielgruppe. Es enthält den Besetzungszettel sowie drei eingeschobene Kartons mit der Inhaltsangabe. Die Kartons können aufgeklappt werden und zeigen dann das dazu passende Bühnenbild wie ein kleines „Papiertheater“. Die Handlung spielt an der Volksoper in einer noch ganz unhinterfragten Märchenzeit, das Besenbinderhaus und das Hexenhaus nehmen zentral die Bühne ein. Und der Wald mit seinen Bäumen und der goldenen Engelsparade verströmt den Reiz von handkolorierten Ansichtskarten.

An der Volksoper wird nichts erklärt oder interpretiert oder modernisiert. „Hänsel und Gretel“ erscheint wie herausgeschnitten aus einem alten Bilderbuch. Für die Küche im Haus des Besenbinders hat sich Toni Businger, wie er im Abendprogramm wissen lässt, allerdings von der Küche in Mozarts Geburtshaus inspirieren lassen, insofern ist sogar an der Volksoper das Märchen nicht mehr ganz „authentisch“. Aber diese naive Liebe zum Detail, dieser Humor, wenn die Eule mit rotglühenden Augen vom Baumstamm lugt, diese unverstellte, sinnenverzaubende Lust am Theater, die sich in dieser Inszenierung ausdrückt, ist heutzutage ein rares Gut geworden. Zum Abendsegen marschieren wirklich Engel auf, stehen dann auf der Bühne mit ihren goldenen Flügelchen und verbreiten herzerwärmendes Märchenglück, ganz so, wie es Hänsel und Gretel träumen. Und am Schluss wird die Hexe lebensgroß als Lebkuchen präsentiert (sogar mit dem Raben auf ihrer Schulter) – und dann wird der Lebkuchen zerteilt, damit ihn die Kinder aufessen können.

Die prekären Lebensverhältnisse des Besenbinderpaares und ihrer Kinder kommen in der Volksoper viel besser zur Geltung als beispielsweise in der „Hänsel und Gretel“-Produktion der Staatsoper. Dass Papa Besenbinder ein bisschen schräg tickt, beweist er damit, dass er durch das Fenster ins Haus einsteigt. Dem Schnaps ist er nicht abgeneigt, auch Frau Besenbinder kostet mal davon. Und wenn er ihr mit dem Besen droht, hält sie ihm das Messer entgegen, mit dem sie gerade Erdäpfel schält. Morten Frank Larsen hat die Figur mit einem zwar kräftigen, an diesem Abend aber schon etwas beansprucht klingenden Bariton nachdrücklich gestaltet: Gut Kirschen essen ist mit diesem Besenbinder nicht, wenn er einmal in Rage gerät – und Annely Peebo hielt als seine Frau resch dagegen.

Ihre Kinder waren voller Spiellust und -laune. Hedwig Ritter ließ die Gretel zwar zu oft wie eine Sieglinde durch die Volksoper schallen, mit seltsam unaustarierten, angestrengt klingenden „Ausbrüchen“ ihres Soprans, aber darstellerisch überzeugte sie als naiv-herzliches Mädchen. Der Hänsel von Maria Hegele war gesanglich noch etwas ausbaufähig, aber sehr gut auf Gretel abgestimmt – beide gewannen schnell die Herzen des Publikums. Ulrike Steinsky (für Karl-Michael Ebner eingesprungen) war eine köstliche, selbstironische Hexe, auch wenn ihre Stimme in den letzten Jahren an Volumen verloren haben dürfte. Cinzia Zanovello gab ein liebenswürdiges Sand- und Taumännchen. Ben Glassberg, seit Anfang des Jahres neuer Musikdirektor des Hauses, ließ ziemlich flott spielen. Die Vorstellung war knapp vor 21 Uhr zu Ende. Vielleicht wollte man das jugendliche Publikum auch nicht zu lange hinhalten? Das Orchester klang wie tags zuvor bei „La bohème“ recht kompakt, mit mir schon zu dominantem Blech (obwohl ich in der rechten Saalhälfte lokalisiert war).

Bei einem Vergleich der beiden von mir besuchten Aufführungen schneidet die Staatsoper in rein musikalischer Hinsicht besser ab. Was Inszenierung, Spiel und Gesamterlebnis anbelangt, ist sie gegen die Volksoper aber chancenlos. Deshalb: Auf in die Volksoper zu „Hänsel und Gretel“! Und wer die Aufführungen diese Saison versäumt hat, wird nächste Weihnachten hoffentlich wieder Gelegenheit dazu haben. Der Schlussbeifall war stark, verebbte allerdings rasch: Dauert an der Staatsoper der „Standardapplaus“ fünf Minuten, sind es an der Volksoper offenbar nur vier.

PS: Was die Handynutzung während der Vorstellung betriff, ist die Lage hoffnungslos. Die eingespielte, charmante Bitte der Direktorin am Beginn, man möge das Handy doch ausschalten, verhallte in vielen Ohren ungehört: Die Ouvertüre tönt keine drei Minuten, schon wird der Chatverlauf gecheckt. Ein Vater liest sich minutenlang auf dem Handy die Inhaltsangabe durch – den Nachtmodus kennt er nicht. Das Hexenhaus im dritten Akt will natürlich fotografiert werden, also heraus mit dem Smartphone – und so fort ....