CARDILLAC
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Staatsoper
25. Juni 2015

Dirigent: Michael Boder

 

Cardillac - Tomasz Konieczny
Die Tochter - Angela Denoke
Der Offizier- Herbert Lippert
Der Goldhändler - Wolfgang Bankl
Der Kavalier - Matthias Klink
Die Dame -Olga Bezsmertna
Führer der Prévoté - Alexandru Moisiuc


„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“
(Dominik Troger)

An der Wiener Staatsoper treibt der Goldschmied Cardillac sein Unwesen. Die Produktion vom Oktober 2010 wurde mit drei Aufführungen wieder ins Repertoire genommen – und Paul Hindemiths expressionistische Künstleroper hat schon ihre Reize. Besprochen wird die zweite Aufführung der laufenden Serie.

Die Staatsoper spielt – wie heute allgemein üblich – die Erstfassung von 1926, in der Hindemith sich mit expressionistischem Pathos und ohne moralische Anmerkungen der „Künstlerproblematik“ widmet. Es handelte sich laut Programmzettel erst um die zehnte Aufführung dieser Inszenierung. Nach 1945 gab es an der Staatsoper (laut Online-Datenbank des Hauses) insgesamt drei Neuproduktionen (1964 / 6 Aufführungen, 1994 / 15 Aufführungen, 2010 / bis dato insgesamt 10 Aufführungen). Nächste Saison steht das Werk nicht auf dem Spielplan. Sehr intensiv wurde die Pflege der Oper also nicht gerade betrieben – einer Oper, die durchaus Spannung zu bieten hat und mit einer Spieldauer von rund eineinhalb Stunden auch das „Sitzfleisch“ nicht sehr beansprucht.

Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf hält sich an die „Stummfilm-Ästhetik“ der Uraufführungszeit und verzichtet weitgehend auf psychologische Deutungsmuster. Der szenisch etwas schablonenhaft wirkende Expressionismus korrespondiert mit der Hindemith’schen Musik, die das Schicksal des Goldschmieds, der die Käufer seiner Werke ermordet, um sich wieder in den Besitz der von ihm gefertigten Schmuckstücke zu bringen, auf die „Schablone“ einer „neobarocken Nummernoper“ montiert. Ulrich Schreiber prägte dafür in seinem „Opernführer für Fortgeschrittene“ den Begriff des „Bauhaus-Barock“. Im Gegensatz zu anderen Künstleropern jener Jahre – etwa Ernst Kreneks „Jonny spielt auf“ – bewahrt sich „Cardillac“ durch die Psychopathologie des Goldschmieds aber eine besondere Facette, die das Werk über den Charakter des Zeitstücks hinaushebt. Daraus resultiert die Hartnäckigkeit, mit der sich die Oper im Repertoire hält – auch wenn die Wiener Aufführungszahlen wie dargestellt überschaubar sind. Die einst von E.T.A. Hoffmann ersonnene Geschichte ist einfach zu gut.

Für Tomasz Konieczny ergab sich mit der Wiederaufnahme erneut die Chance eines „Partieupgrades“. In der Premiere stand der Sänger als Goldhändler auf der Bühne – und schon damals hätte man sich seine stimmliche Energie für den Cardillac gewünscht. Koniecznys Stimme gibt dem Cardillac eine expressionistische Kontur, die sie durchschlagskräftig und mit leicht greller Farbe übertüncht in die „Auslage“ stellt. Konieczny singt den Cardillac mit einer kraftvollen Besessenheit, die den Abend über die Brüche des sprachlich oft sehr knapp formulierenden Librettos hinweg trägt und verklammert. Dieser Goldschmied hat noch viel von einem gröberen Schmied – und weil einem bei Konieczny ohnehin immer sein exemplarischer Alberich einfällt – die Abstammungslinie dieses Cardillac lässt sich in die vorzeitlichen Klüfte Nibelheims zurückverfolgen. Im Rahmen dieser Produktion, die nicht auf psychologische Details abzielt, ist der Sänger eine ideale Besetzung, manifestiert sich bei ihm das Gold im glühenden Zustand der Schmelze und weniger in der schmuckstückhaften Ausarbeitung.

Angela Denoke lieh der Goldschmiedtochter ihren sinnlichen Sopran, konnte in diesem Inszenierungsrahmen aber weniger mit ihrer psychologischen Darstellungskunst auftrumpfen. In der Höhe machte ihr die Partie einige Mühe – vielleicht aus Sympathie mit ihrem geliebten Offizier, Herbert Lippert, dem es stimmlich ähnlich erging. Die Partie ist für den Sänger inzwischen nicht mehr ganz so zuträglich wie bei der Premiere. Auch mit Matthias Klink trat als Kavalier die Premierenbesetzung an. Klinks fester lyrischer Tenor klang mir im Timbre etwas spröde, überzeugte aber mit klarer Artikulation und Belastbarkeit. Wolfgang Bankl sang einen passenden Goldhändler. Olga Beszmertna gab die verführerische, mit etwas dunkleren Stimmfarben malende Dame, Alexandru Moisiuc den gesanglich etwas raubeinigen Führer der Prévoté.

Michael Boder hat das Dirigat vom aus dem Amte geschiedenen Franz Welser-Möst übernommen. Er dirigierte straff und stilsicher, beließ Hindemiths Musik eine „barocke“, spielerische Nuance, die sich erst nach und nach zu „opernhafter Dramatik“ aufschaukelte. Der Schlussapplaus dauerte rund fünf Minuten lang.