DIE FEUERSBRUNST
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Odeon
15.6.2001
Wiener Festwochen, Opernhaus Halle (Saale) und Goethe Theater Bad Lauchstädt

Musikalische Leitung: Martin Haselböck

Inszenierung: Brian Michaels, Christoph Werner
Bühnebild und Kostüme: Birgit Angele

Orchester: Wiener Akademie
Puppentheater der Stadt Halle

Odoardo - Wolfgang Holzmair
Colombina - Doerthe Maria Sandmann
Steckel - Anton Graner
Leander - Markus Schäfer
Hanswurst - Wolfgang Bankl
Ein Geist - Helmut Wildhaber


"Haydn's Existenzkrise???"
(Dominik Troger)

Haydn hat auch Opern für Marionettentheater komponiert. Die "Feuersbrunst" ist eine solche. Entstanden, so genau weiß man das nicht, in der zweiten Hälfte der 1770er Jahre. Die Neubelebung anlässlich der Wiener Festwochen förderte viel hörenswerte Musik zutage, war aber in szenischer Hinsicht - vor allem nach der Pause - desaströs.

Aber der Reihe nach: Da spielen die Wiener Festwochen also eine Haydn Oper, die angeblich irgendwann Anfang der 60er Jahre einmal bei den Bregenzer Festspielen ausgegraben worden ist, und von der seither nie wieder etwas zu hören war. Der Vorstellungsbesucher kauft also pflichtbewusst ein Programmheft und beginnt selbiges nach einer Inhaltsangabe zu durchforschen. Umsonst. Aber er findet - neben allerhand Wissenswertem über Haydn, seinem Wirken auf Schloss Eszterháza und der Entwicklung und Beliebtheit des Puppen- bzw. Marionettenspiels, immerhin folgenden Satz: "Hinter der volkstümlich-grotesken Handlung rund um den Rauchfangkehrer Hanswurst, der die Tochter des gräflichen Gutsverwalters liebt, und den Diener Steckel, der sein verpfändetes Elternhaus zurückerhalten will, tun sich soziale und zwischenmenschliche Abgründe auf, die die scheinbar harmlose Guckkastenburleske zum versteckten Existenzdrama mutieren lassen."
Nun gut, denkt man sich, also offenbar ist die Handlung nicht so komplex, dass man nicht mitkommen könnte - aber das mit dem "Existenzdrama" lässt schon Böses ahnen. Trotzdem ist man mal verärgert, nichts weiter über den Inhalt zu erfahren - nach der Vorstellung weiß man aber auch warum. Ein kurzer Handlungsabriss oder eine Szenenfolge hätte den existentialistischen Ansatz als pure Farce entlarvt.

Das Textbuch genügt wirklich einfachsten Ansprüchen, entbehrt aber (zumindest in der gezeigten Fassung) auch der üblichen Deftigkeit Hanswurtstiadischen Vorstadttheaters - und dadurch steigt erst einmal das Langeweilepotential für heutige Zuseher ungemein. Nun hatte man vor der Pause wirklich rechts eine kleine Puppenbühne platziert auf der große Handpuppen vom Puppentheater der Stadt Halle agierten - während die Sänger, links vorne an einem großem Tisch sitzend, zu ihren Arien aufstanden, zum Puppentheater traten, mit den Puppen, die ihren Charakter verkörperten, kurz schäkerten und dann ihre Arie sangen. Das Orchester war ebenfalls links, etwas weiter hinten postiert und das ergab in Summe so einen Art Gastgarten, mit einem Puppentheater drin. Das gab dem Ganzen eine recht hübsche Note und täuschte auch über die völlige Inkompetenz des Regisseurs in Sachen Personenführung hinweg. Es genügte dem harmlosen Anspruch des Werkes, das man ohnehin nur wegen dem Namen Hadyn sich anzusehen und vor allem anzuhören gekommen war. Und manchmal durfte man ein bisserl lachen. Die Puppenspieler waren schwarz gekleidet, hielten die Puppen mit einer Hand, während die andere, als Hand der Puppe agierend, allerhand kunstfertige Verrenkungen und Tätigkeiten zuwege brachte. Man sah's und ward soweit zufrieden.

Das Orchester spielte auf historischen Instrumenten mit wohligem Klang, der schon in der munter vorgetragenen Overtüre sehr angenehm auffiel. Die Sänger, darunter Wolfgang Bankl und Helmut Wildhaber, ließen gesanglich nichts, spielerisch leider viel zu wünschen übrig. Hauptsächlich war man also - wieder einmal - vom Haydn'schen Esprit überrascht. Haydns Witz offenbart sich beispielsweise bei der Arie eines vermeintlichen Geistes, der in Wirklichkeit ein Säufer ist, der nicht sterben kann - und deshalb scheint die Arie auch elendslang einfach so dahinzugehen, man ist schon geneigt dabei einzuschlafen, bis man aufgrund des Refrains kapiert, dass das Absicht ist. Haydns intellektuelles Spiel mit Hanswurst und Konsorten, ist eine sublime Art, sich über diese vorstädtischen Charaktere lustig zu machen, und die noble Gesellschaft im prunkvollen Schloss Eszterháza wird diese Zwischentöne auch verstanden haben. Vor der Pause brennt dann noch das Haus ab, was eine hübsche pyrotechnische Einlage generiert und das Publikum angeregt in die Pause entlässt, um das Programmheft weiter nach nicht vorhandenen Inhaltsfetzchen zu durchstöbern.

Und jetzt zum zweiten Teil des Abends, den schließlich ist ein Haus abgebrannt und da kommt blöderweise diese "Existenz" ins Spiel. Denn, oh Kulturschock, man will dem Publikum ernsthaft glauben machen, das Haus wäre wirklich abgebrannt, und das Theater gleich mit dazu. Das Interieur des ersten Aktes hat sich in Chaos gewandelt. Grüne Bierkisten (alle von einer Marke, Sponsoring?) liegen herum. Vom Puppentheater steht nur noch ein Rudiment, Requisiten liegen durcheinander, Puppen fehlt der Kopf, dazwischen irrlichtern Musiker, Puppenspieler, Sänger umher, gehen sich gegenseitig auf die Nerven, versuchen dem Zuseher hilflos klar zu machen: Ja, jetzt geht es uns echt beschissen, unser Theater ist abgebrannt und wir sind nervlich völlig k.o. Ein Puppenspieler darf sogar ein bisserl rabiat werden, sein Halle-Deutsch passt wunderbar ins Interieur dieses aus einer Wiener Hans Wurstíade gewachsenen Existenzdramas. Sehr zäh kommt die Opernhandlung wieder in Schwung, aber weil jetzt dauernd die existentielle Realität dieser Bühnengemeinschaft mit hineinspielt, verliert man bald den Faden. Am Schluss taucht der Hanswurst noch als Bettelweib auf und singt eine Arie im Falsett. Warum und wieso, weiß man nicht, man stellt nur fest, dass hier Haydn wieder ein musikalisches Gustostückerl gelungen ist. Aber das nimmt man kaum mehr wahr. Denn ende gut, alles gut, das Liebespaar hat sich gefunden und man freut sich schon darauf, die ungemütlichen Sitze im Odeon verlassen zu dürfen.

Der Applaus nachher galt einer schönen muskalischen Darbietung, schwer getrübt durch die hier dargelegten Umstände.