L´INFEDELTA DELUSA
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Musikverein
14.11.2009

Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt


Concentus Musicus Wien

Vespina - Juliane Banse
Sandrina - Martina Janková
Filippo - Werner Güra
Nencio - Kenneth Tarver
Nanni - Florian Boesch


Köstlich burlesk
(Dominik Troger)

Während an der Staatsoper die „Götter dämmerten“ genoss das Publikum im Musikverein eine amüsant-deftige Haydn „Burletta“, die 1773 auf Schloss Esterhàza uraufgeführt worden ist: „L´infedeltà delusa“ wurde konzertant gegeben.

Die hochadelige Gesellschaft (darunter bei der zweiten Aufführung auch Maria Theresia, von Gottes Gnaden Römische Kaiserin Wittib), wird sich damals gewiss nicht minder an der teils deftigen Komödie ergötzt haben, die im bäuerlichem Milieu spielende Heiratsprobleme zum Besten gibt.

Nikolaus Harnoncourt, spiritus rector und kömodiantischer Verwalter von Haydns musikalischem Humor, hatte es sich nicht nehmen lassen, vor dem Konzert eine einleitende Ansprache zu halten und das Publikum vor allem zu einem aufzufordern: zum Zuhören. Seiner Meinung nach charakterisiere Haydn die handelnden Figuren so trefflich, dass man das Programmheft mit dem Libretto gar nicht vor der Nase haben müsse. Nun, wenn Harnoncourt das sagt, dann stimmt es auch – und er sollte gleich darauf beweisen, mit welch fast schön boshaft zu nennender Akribie Haydn die Gefühle seiner Bühnenfiguren offengelegt hat.

Unter Harnoncourts Leitung und mit dem Concentus Musicus als „ausführendem Organ“ entpuppte sich „L´infedeltà delusa“ als Meisterstück musikalischen Humors, das praktisch jede Nuance der Handlung aufgreift und kommentiert. Die Handlung selbst, die nur fünf Figuren kennt, dreht sich um Liebesprobleme die dank weiblicher Liste doch noch behoben werden (Vater will, das seine Tochter einen anderen, als ihren Liebsten heiratet etc.). Durch Vespina, die sich als alte Frau, Diener, Edelmann und zuletzt Notar verkleidet, wird eine Intrige gesponnen und das Eheglück errungen. Wirklich sympathisch werden einem die Figuren dabei nicht, nur Sandrina, wenn sie sich nach Frieden in ihrem Herzen sehnt, erinnert kurz an Aufklärungsideale.

Haydns Musik deckt die Gefühlsregungen schonungslos auf, den provinziellen Charakter des autoritären Vaters Filippo, den Zorn und die Gewaltbereitschaft des armen Bauern Nanni und den spöttischen Hochmut des reichen Bauern Nencio, er begleitet die Darstellung der alte Frau durch Vespina mit einer komponierten Krankheitsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Harnoncourt hat das alles „sinnvoll“ arrangiert, der Klangredekünstler folgte Haydn in jede Pointenpause und geschickt eingestreute Dissonanz, kurbelte energetisch in strettahafte Arienfinali und ließ mit repräsentativem Pomp und Glanz spielen, wenn es angebracht war.

Zudem schien man mit jedem Takt zu merken, wie sich Haydn hier auch um sein kompositorisches Renommee bemüht hat, mit welchem Einfallsreichtum er zu Werke ging: Er spielt mit großen Arienformen, die er dem Bauernvolke in den Mund legt und dadurch parodiert, er lässt sich zu einem aufschäumenden Trinklied hinreißen, dass nicht mehr weit von der „Champagnerarie“ entfernt ist, er sorgt für einen aufputschenden Schluss mit „Fanfarengetön“ – eine praktikable Überleitung zum anschließenden Maskenball – 1773 nicht 2009. Köstlich auch die Verulkung des notariellen Akts – ein in der Komödie jener Zeit gern geübter Spott, hier durch Haydns Kunst veredelt.

Im Sängerensemble hatte Juliane Banse (Vespina) die reizvolle Aufgabe sich stimmlich verkleiden zu dürfen (und für die Optik genügte ein Kopftuch oder ein Sakko). Sie bot vier köstliche Charakterstudien, bei denen sie auch von ihrem inzwischen gereifteren Sopran profitieren konnte. Die Höhen kam manchmal eine Spur zu markant, die traurig-lyrische Grundfarbe, die der Stimme in den Anfangsjahren ihrer Karriere eine melancholische Mädchenhaftigkeit verliehen hat, klang jetzt ein wenig nachgedunkelt fraulicher. Laut Programmheft sind diese Saison Debüts von Donna Elvira (Budapest) und Arabella (Innsbruck) angesagt.

Martina Jankovà steuerte die Sandrina bei: Ihr Sopran erklang hell und klar, wurde locker und natürlich geführt, zeigte lyrische Leichtigkeit ebenso wie die formale Gestaltungskraft für anspruchsvolle Arien – an denen Haydn wie erwähnt auch bei dieser „Burletta“ nicht geizte.

Werner Güra stellte den zarten-lyrischen Glanz seiner Stimme in den Dienst des „alten Bauern“ Filippo. Als böser Vater Sandrinas ging er etwas handfester zur Sache und sang sehr charakterstark.

Florian Bösch sang einen der Brautwerber, den armen Bauern Nanni, der in einer herrlich übertreibenden „Zornarie“ seinem Ärger über den bösen Filippo Luft machte.

Der reiche Bauer Nencio wurde von Kenneth Tarver beigesteuert. Der junge amerikanische Tenor ließ eine leicht aufschmelzende Mittellage hören, die sehr viel Charme besitzt. Die Höhe wurde gut aus der Gesangslinie entwickelt, klang aber noch ein bisschen schmal.

Das Publikum war recht angetan und spendete nach rund zweieinhalb Stunden (eine Pause) viel Applaus.