PIRAMO E TISBE
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home

Theater an der Wien
28.2.2017
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Fabio Biondi

Ensemble Europa Galante

Piramo - Vivica Genaux
Tisbe - Desirée Rancatore
Der Vater Tisbes - Emanuele D’Aguanno


Hasse-Portal

„Romeo und Julia in der Antike

Das Theater an der Wien ermöglichte im Rahmen seiner konzertanten Opernaufführungen dem Wiener Publikum die Begegnung mit Johann Adolf Hasses „Piramo e Tisbe“.

„Piramo e Tisbe“ wurde 1768 in Wien uraufgeführt. Es handelt sich um keine Opera seria mit gesangsvirtuoser Ausrichtung, sondern um ein knapp zwei Stunden langes „Intermezzo tragico in zwei Akten“, in dem Hasse und sein Librettist Marco Coltellini neue formale Wege beschreiten. Komponiert wurde das Werk für eine Privataufführung, 1770 folgte eine weitere, überarbeitete und sehr gut aufgenommene Aufführung in der kaiserlichen Sommerresidenz in Laxenburg – berichtet das Programmheft.

Die Handlung von „Piramo e Tisbe“ ist Ovids „Metamorphosen“ entnommen und dürfte soweit bekannt sein: Pyramus und Tisbe sind verliebt, der Vater Tisbes hat etwas dagegen. Das Liebespaar beschließt zu fliehen. Pyramus glaubt, als er am Treffpunkt eintrifft, Tisbe sei von einem Löwen überfallen worden: Selbstmord. Tisbe findet den sterbenden Pyramus: Selbstmord. Der Vater findet das tote Liebespaar: Selbstmord.

Hasse und Coltellini stellen die Liebe von Piramus und Tisbe radikal ins Zentrum, es gibt keine ausschmückenden Szenen oder Figuren – es treten nur der Vater, die Tochter und de Liebhaber auf. Der Vater, der seine Tochter einem anderen Manne verheiraten möchte, bedroht die Liebe zwischen Tisbe und Piramo existentiell. Aber der Konflikt ist privater Natur. Er erinnert in seiner Konzeption an das in Deutschland ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode kommende „Bürgerliche Tauerspiel“ und entwickelt in der Darstellung der Gefühlswelt der Protagonisten eine fast „pietistisch“ zu nennende Empfindsamkeit. Auch das tragische Ende der Geschichte (drei Selbstmorde!) widerspricht dem üblichen „lieto fine“ in der Opera seria oder den als „Pausenfüller“ eingeschobenen Intermezzi mehr als deutlich.

„Piramo e Tisbe“ springt gleich in medias res, Tisbe beklagt in einer Arie ihr Liebesleid und im nahtlos anschließenden begleiteten Rezitativ verzehrt sie sich in Sehnsucht nach ihrem Geliebten. Die Sprache ist gefühlsbetont und betrifft die echten, gewissermaßen „verbürgerlichten“ Emotionen der Protagonisten. Die Figur des Vaters ist weniger psychologisch feinfühlig gearbeitet und steht noch mehr in der Tradition der Opera seria. Hasse hat den Liebenden feinfühlige Streicher verordnet oder es blitzt zum Beispiel an handlungsrelevanter Stelle ein kurzes Cellosolo im Rezitativ auf, um gleichsam die Unverhandelbarkeit dieser Liebe zu unterstreichen.

Barocker Formalismus ist nicht mehr gefragt, Hasse hat zwischen Arien und Rezitativen teils fließende Übergänge geschaffen. Bemerkenswert ist etwa der gestützte Übergang im ersten Akt von der zweiten zur dritten Szene, wenn die Erregung, mit der der Vater seiner Tochter die Meinung gesagt hat, in der allein zurückbleibenden Thisbe weiter brodelt – sich dann auch auf hinzutretenden Pyramus überträgt, und den Entschluss zur Flucht beschleunigt. Hasses Musik hat zum Teil deutliche Anklänge an Gluck und die finale Tenorarie lässt den Idomeneo erahnen.

Die Besetzung im Theater an der Wien hat das Werk bereits 2010 in Salzburg bei den Pfingstfestspielen gegeben. Fabio Biondi und das Ensemble Europa Galante waren mit weichen Streichern Hasses musikalischer Empfindsamkeit ein passender Anwalt. Desirée Rancatore sang die Tisbe mit einer schon etwas ins Metallische spielenden Sopranstimme und nicht mehr wirklich koloraturaffin. Ich hätte mir für die Partie einen blühendere, klarere Sopran gewünscht. Vivica Genaux gab den Piramo mit ihrem leicht dunkelfunkelnden Mezzo, Emanuele D’Aguanno sang den Vater: ein eher heller Tenor, aber mit ein bisschen Metall in der guter Höhe, was ihm den Anstrich eines lyrischen Helden gab und ihn sehr jugendlich erscheinen ließ.

Das Publikum spendete starken Applaus.