LA JUIVE/DIE JÜDIN

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Allgemeine Theaterzeitung, Montag den 26.10. 1840. Heinrich Adami berichtet aus dem K.K. Hoftheater nächst dem Kärtnertore.

("Die Jüdin" wurde wegen der Zensur gekürzt und mit veränderten Personen und Ortsangaben aufgeführt.)

Nachdem die für den 15. October angekündigt gewesene erste Wiederaufführung der großen Oper "die Jüdin" von Halevy mit ganz neuer Besetzung, wegen einer plötzlichen Heiserkeit des Hrn. Pfister, der darin die Tenorpartie des Grafen Arnauld (=Leopold) übertragen war, wieder abgesagt werden mußte, erfolgte deren Darstellung nunmehr vorgestern, den 24. October, vor einem ungemein zahlreich besuchten Hause, doch mit einem weit minder günstigen Erfolge, als er dieser Oper in den Jahren 1836 und 1838 hierzu Theil geworden war.

 

Es ist bekannt, wie ausgezeichnet damals das Gesangs- und Darstellungstalent der Dem. Klara Heinefetter gerade in dieser Oper sich geltend zu machen wußte. Ebenso wurde die Rolle Eleazars das eine Mal von Breiting, das andere Mal von Wild, wenn gleich von jedem in verschiedenartiger Auffassung, doch mit dem bedeutendsten theatralischen Effecte gegeben. Und dann die Rolle der Prinzessin Isabella (=Eudoxie), in der zuerst Dem. Löwe, späterhin Dem. Lutzer erschien. Nur Staudigl allein war für die Rolle des Comthurs (Kardinal Brogni) aus der früheren Besetzung noch übrig geblieben. Auch nun behauptete er, was die musikalische Durchführung dieses mehr als schwierigen als dankbaren Parts betrifft, seine Stellung wieder so ehrenvoll, wie sonst. Im Spiele ließe sich für die Rolle wol etwas mehr thun, was den dramatischen Eindruck dieses Charakters bedeutend erhöhen müßte. Mad. Hasselt-Barth sang die Sara (=Rachel). Es war nicht zu verkennen, daß sie mit gewohntem künstlerischem Eifer auch dieser Aufgabe ein großes Studium gewidmet hatte, und vielfach bemüht war, die tragische Bedeutung der Rolle im Spiel und Gesang gehörig heraus zu heben, allein sie wurde von ihrer Umgebung viel zu wenig im gleichen Sinne unterstützt, und so ging denn mancher schön vorbereitete Effect ihrer Darstellung erst ganz verloren. Dem. Kern als Isabella, so hübsch sie auch ihre Gesangstellen vortrug, ist denn doch noch zu sehr Anfängerin, und noch zu wenig mit der Bühne vertraut, um einer solchen Rolle, die Bravour, Kenntniß des Effects, und vor Allem auch Spiel verlangt, ihr volles Recht widerfahren zu lassen. Der Eleazar des Hrn. Erl, obgleich in einzelnen Momenten Gelungenes darbietend, zeigte sich im Ganzen doch als eine der schwächeren Leistungen dieses sonst so verdienten Sängers. Ich halte die Darstellung dieses Charakters für eine der größten und schwierigsten Aufgaben, die ein Künstler sich stellen kann, denke mir aber auch, wenn ein großes Talent, dem ebenso die Effecte der Stimme, wie jene des Spieles willig zu Gebote stehen, damit in die Schranken träte, die Wirkung als eine ungeheure. Derlei außerordentliche Talente, unter deren Händen jeder Charakter, den sie uns vorführen, zum in sich abgeschlossenen Kunstwerke wird, werden nun freilich unter den jetzt lebenden Sängern vergebens gesucht, und insbesondere könnte man es für einen lächerlichen Eigensinn halten, von den deutschen Tenoristen jetzt, wo man schon mit einer leidlich hübschen Stimme zufrieden sein muß, zu allem Uiberflusse noch ein außerordentliches Schauspieltalent zu verlangen. Hr. Pfister, dessen Part ziemlich zusammengestrichen war, gab sich mit dem Reste seiner Rolle alle Mühe, und wirkte wenigstens nicht störend. Gleiches ist über Hrn. Just zu sagen, dem die kleine Rolle des Ratsherrn Theobald (Ruggiero) übergeben war. Chöre und Orchester, in dieser Oper nicht wenig in Anspruch genommen, hielten sich sehr wacker. Dirigent war Hr. Capellmeister Reuling.

Über die Musik zu dieser Oper ist jetzt kaum ein weiterer Bericht mehr nöthig. Der neueren französischen Schule angehörend, theilt sie alle Vorzüge und Fehler mit anderen Werken dieses Genres. Nur habe ich mich nie davon überzeugen können, daß die Tendenzen, welche durch alle diese neueren, gewiß mehr langen,als großen Opern gefördert werden sollen, der Idee eines musikalischen Kunstwerkes, wie uns solche in den Schöpfungen der alten Meister verwirklicht worden ist, entsprechen. Effect heißt jetzt die große Losung der modernen Componisten. Neues, Niedagewesenes muß erfunden werden, und kein Sujet ist ihnen bizarr, keines gräßlich und empörend genug, wenn es nur dazu dient, die Schaulust der übersättigten Menge neu anzuregen, ihr Ohr durch Lärm und Spectakel aller Art zu betäuben, und nur für jene edleren, stilleren Empfindungen, denen der Meister sonst die Macht seiner Töne lieh, keinen Raum übrig zu lassen. Wenn man sich in das Gedächtnis zurückruft, was alles seit den letzten Jahren auf dem in ganz Europa tonangebenden Theater der Pariser großen Oper zur Aufführung gebracht wurde, (und uns ist davon nur das Wenigere, und auch dieses Wenigere in einer das ästhetische Gefühl nicht so verletzenden, krassen Form vorgeführet worden,) so bleibt dem Componisten, der jetzt noch sein Glück gegen die gefeierten Meister des Tages dort versuchen wollte, wahrhaftig nichts anderes mehr übrig, als sich nur gleich den Untergang der Welt und das jüngste Gericht als Opern-Textbuch schreiben lassen, denn alle anderen Stoffe sind ja ohnedies längst ausgebeutet, und der Himmel gebe nur, daß diese letzte und größte aller großen Opern nur ja recht bald von irgendwem componirt werde, denn dann ist doch Hoffnung vorhanden, daß man wieder einmal zu der längst vergessenen einfachen Weise der Opernmusik, wie die auch in Frankreich einst heimisch war, zurückkehre, und sie vielleicht dann gar in die Mode bringe. Doch von Paris aus müßte der Impuls hiezu gegeben werden, das versteht sich von selbst, wenn diese frommen Wünsche in Erfüllung gehen sollen.