TOLOMEO, RE D'EGITTO
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Theater an der Wien
21.10.2010
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Alan Curtis

Il Complesso Barocco

Seleuce - Karina Gauvin
Elisa - Roberta Invernizzi
Tolomeo - Iestyn Davies
Alessandro - Romina Basso
Araspe - Matthew Brook


Zypriotische Verwicklungen
(Dominik Troger)

Auch diese Saison bietet das Theater an der Wien wieder eine Serie konzertanter Aufführungen von Barockopern an. Den Anfang machte Händels „Tolomeo, Re d’Egitto“.

Das Werk basiert auf dem Libretto „Tolome ed Alessandro“ von Carlo Sigismondo Capeces, das bereits von Domenico Scarletti vertont worden war – 1711 in Rom uraufgeführt. Nicola Francesco Haym hat es für Händel bearbeitet und dem englischen Geschmack angepasst. Scarlattis Version von Tolomeo war im Frühjahr 2009 im Theater an der Wien zu hören gewesen, ebenfalls in einer konzertanten Aufführung unter Alan Curtis und den Il Complesso Barocco.

Die historische Vorlage der Handlung bildet das Schicksal von Ptolemäus IX., der als Thronanwärter von der eigenen Mutter ausgebootet worden war. Die Oper schildert das Schicksal des Tolomeo im zypriotischen Exil, wo er als Hirte verkleidet lebt und von seiner Gemahlin Seleuce, die passender Weise ebenfalls als Hirtin auftritt, gesucht wird.

Tolomeo war Händels letztes Werk für die Royal Academy of Music und erlebte im Frühjahr 1728 seine Uraufführung. Mag sein, dass sich die wirtschaftlichen Probleme der Akademie und der damit verbundene Erfolgsdruck auch ein wenig in der Komposition niedergeschlagen haben. Verglichen mit Händels Opern-Highlights fehlt dem „Tolomeo“ die kühne, das gesamte Stück umfassende Virtuosität. Er wirkt in Summe zweckgebundener, unspektakulärer, schon in der kargen Szene, aber auch in der Instrumentation.

Einprägsam ist der Beginn, wenn Tolomeo am Strand von Zypern seinen bei einem Schiffbruch an Land gespülten Bruder findet, einprägsam ist der dritte Akt, mit einer packenden Selbstmordszene (Tolomeo leert einen Becher mit vermeintlichem Gift) sowie einem hübschen Duett zwischen Tolomeo und Seleuce und einiges an „eingestreuter“ Bravour für Seleuce und Elisa.

Die Aufführungsdauer war gegenüber der CD Einspielung von Il Complesso Barocco etwas verkürzt: Im Theater an der Wien kam man inklusive Pause mit zweieinhalb Stunden aus. Einige Szenen waren gestrichen worden.

Alan Curtis am Pult sorgte für eine zügige und schnörkellose Umsetzung, so als würde ihn Händel an diesem Abend nicht wirklich aus seiner „akademischen“ Reserve locken. Il Complesso Barocco steuerte ein ebenso klares, geradliniges Klangbild bei.

Die Aufführung ermöglichte eine Wiederbegegnung mit dem britischen Countertenor Iestyn Davies, der knapp über 30 Jahre alt, gerade eine Bilderbuch-Karriere hinlegt. Er vermag nicht nur durch bemerkenswerte Technik zu glänzen, sondern weiß seine Stimme auch in emotionale Farben zu tauchen. Im Duett mit der wiedergewonnen Seleuce erklang duftiges Liebesglück, herbstlich fahl und von Todesahnung erfüllt erklang die Szene mit dem Giftbecher. Seine Stimme besitzt für einen Countertenor überraschend große dynamische Reserven - so zumindest der Eindruck im Theater an der Wien. Davies hat zudem Archeologie (!) studiert - kein Wunder, wenn er als Tolomeo zu überzeugen vermag ;-)

Von Romina Basso (Alessandro) hätte man sich gerne mehr zu hören gewünscht. Die Partie kam ihrem altstimmig-getönten Mezzo entgegen, der in der unteren Mittellage sehr gediegen klingt, mit warmem Wohlklang. Das Verzierungswerk wurde von ihr mit durchgestaltetem und nuanciertem Vortrag bewältigt.

Roberta Invernizzi hatte als Elisa die Intrigantin beizusteuern, ein wenig heuchlerisch, ein wenig keck, jedenfalls temperamentvoll und die Zuhörer für mit ihrer lebhaften Art für sich einnehmend, wenn auch mit nicht immer ganz ruhig und klar geführter Stimme.

Karina Gauvins Sopran war für die Seleuce bestimmt – im Duett mit Tolomeo sehr schön harmonierend, in den Bravourarien war mir die Stimme phasenweise schon zu „bewegt“. Ihre in der nicht mehr so klargetönten Höhe leicht flackernde Expressivität könnte Puristen vielleicht stören, weil Gauvin dann doch jenes Quäntchen an außergewöhnlicher Virtuosität vermissen lässt, das sie womöglich erwarten.

Matthew Brook Bassbariton – im Programmheft als „Tenor“ ausgewiesen – sang einen tadellosen Araspe. Er ist hinter Seleuce her, bekommt sie aber nicht.

Das Publikum ging mit, klatschte nach jeder Arie und wurde für den begeisterten Schlussapplaus mit einer Zugabe des schon erwähnten Duetts belohnt. Es gibt inzwischen wirklich ein Stammpublikum für diese konzertante Barockopern-Reihe – und das Theater an der Wien war gut besucht, wenn auch einige Plätze, vor allem in den vordersten Reihen, leer geblieben waren.