THEODORA
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Theater an der Wien
18. November 2021
Konzertante Aufführung

Dirigent: Maxim Emelyanychev

Il Pomo d’Oro
Chor Il Pomo d’Oro

Theodora - Lisette Oropesa
Irene - Joyce DiDonato
Septimius - Michael Spyres
Valens - John Chest
Didymus - Paul-Antoine Bénos-Dijan
Bote - Massimo Lombardi


„Erbauliche Tugend
(Dominik Troger)

Der konzertante Opernzyklus im Theater an der Wien wurde mit einer Aufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium „Theodora“ fortgesetzt. Die Besetzung war vorzüglich, das Haus bis auf ein paar einzelne Plätze bestens gefüllt.

Es war der letzte Abend, ohne der von der Wiener Stadtregierung den „Kultuverliebten“ verordneten 2G+-Regelung, die ab Freitag, den 13.11., Opern-Theater-Konzertbesuche nur mit gültigem PCR-Test (48 Stunden) möglich macht. Eine Regelung, die aber nur für drei Tage gilt, weil inzwischen ab Montag für 20 Tage ein österreichweiter Lockdown ausgerufen wurde. Es überrascht also nicht, wenn in der Pause der „Theodora“ wahrscheinlich mehr über die Auswertungsgeschwindigkeit und Verfügbarkeit von PCR-Tests geplaudert wurde, als über das Schicksal der frühchristlichen Märtyrerin.

„Theodora“ wurde 1750 uraufgeführt, der Erfolg war überschaubar. Die Handlung spielt zur Zeit der Christenverfolgung unter Diokletian. Es gibt einen bösen römischen Statthalter und zwei sich keusch liebende Christen – Theodora und Didymus – die beide zusammen in den Tod gehen, weil sie ihrem Glauben nicht abschwören wollen. Als Vorlage diente ein Text von Robert Boyle aus dem 17. Jahrhundert. Händel und sein Librettist Thomas Morell haben sich davon zu einem sehr erbaulichen, empfindsamen Werk anregen lassen, dessen Aufführung sich an diesem Abend (inklusive einer Pause) über mehr als dreieinhalb Stunden erstreckte.

3+-Stunden Erbaulichkeit also und kein rettender Gott, der Theodora und Didymus zu Hilfe eilt und vor der Hinrichtung bewahrt. Die Geduld und das Einfühlungsvermögen des Publikums werden vor eine nicht unerhebliche Herausforderung gestellt. Und Händel selbst hat mit kompositorischer Sparsamkeit einer Empfindsamkeit gepflogen, die nur die Heiden ein bisschen musikalischen „Lärm“ schlagen lässt. Wahrscheinlich war das schon Händels Zeitgenossen zu „heilig“.

Die musikalische Leitung lag in den Händen von Maxim Emelyanychev, der vom Chembalo aus das Orchester Il Pomo d’Oro leitete. Emelyanychev lebte eine unbedingte Hingabe an das Werk und das übertrug sich auf die Mitwirkenden. Sie machte es möglich, dass sich die Musik als Medium „transzendentaler Erfahrung“ gerierte. Als Beispiel sei eine Arie der Irene im ersten Teil angeführt („As with rosy steps the morn“), in der Joyce DiDonato mit ihrer wohltönenden Stimme den Lobpreis des Heilands und die Hoffnung auf das ewige Licht bis in feinste dynamische Nuancen voll auskostete. In solchen Momenten wuchsen die einzelnen Gesangsnummern zu Klangräumen meditativer Versenkung, denen Emelyanychev dankenswerter Weise nicht mit überzogenenen Tempi oder schroffen Kanten eine säkulare Brechung aufzwang.

Der Kunst der vokalen Emanation pflegte auch Lisette Oropesa im Schwelgen christlicher Tugendhaftigkeit – ein edler Sopran mit einem dunklen rubinhaften Glitzern, das Theodora eine sanfte, aber unbeharrliche Beständigkeit verlieh. Im Finale traf sich Theodora mit Didymus, dem Countertenor Paul-Antoine Bénos-Dijan, zu einem innigen, sich an der kommenden Glückseligkeit entzückenden Duett, bevor sie zur Hinrichtung geleitet werden. Paul-Antoine Bénos-Dijan sang mit leidenschaftlichem Ausdruck und war ganz der aufopferungsbereite Liebhaber. Zur illustren Gesangsrunde gesellte sich noch Michael Spyres mit „romantischem“ Tenor als Septimius, der in der Partie aber nicht wirklich gefordert wurde. John Chest lieh dem Bösewicht Valens einen schlanken, griffigen Bariton. Der Chor Il Pomo d’Oro stand den Solisten um nichts nach.

Die Aufführung fand bei offener Bühne statt, die die karge Tiroler Alpenlandschaft aus der aktuellen Produktion von „La Wally“ zeigte. Es gab zwar Auf- und Abtritte, aber die Sänger hatten alle die Noten dabei – gedruckt oder auf einem Display – und semi-konzertant „gespielt“ wurde nur andeutungsweise. Der starke Schlussapplaus für diese in wunderschöne Musik verpackte christliche Tugendlehre dauerte rund sieben Minuten lang.