SUSANNA
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Theater an der Wien
10.9.2009
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: William Christie

Les Arts Florissants Chœur et Orchestre

Susanna - Sophie Karthäuser
Joacim - Max Emanuel Cencic
First Elder - William Burden
Second Elder - Alan Ewing
Daniel - David D. Q. Lee
Attendant - Emmanuelle De Negri
Chelsias - Maarten Koningsberger
A Judge - Ludovic Provost


Ein Kleinod
(Dominik Troger)

Wer bei „Susanna im Bade“ bisher an Rubens oder Tintoretto gedacht hat, konnte sich zum Saisonstart im Theater an der Wien eines Besseren belehren lassen: nicht nur mit Farben, sondern auch mit Tönen wurde das Schicksal der badenden Susanna gemalt, die lieber tugendhaft in den Tod gegangen wäre, als dem Erpressungsversuch von zwei lüsternen alten Männern nachzugeben.

Händels Oratorium „Susanna“ folgt in der Handlung einem Bericht aus dem biblischen Buche Daniel und wurde 1749 uraufgeführt. Das Werk zählte bisher zu den Raritäten. Jetzt steht es auf dem Konzertprogramm der Les Arts Florissants unter William Christie, die auf einer Europatournee auch in Wien gastierten. „Susanna“ ist ausgesprochen hübsch und zeigt zugleich die Spannweite des Begriffs „Oratorium“ auf: neben wenigen Chören dominieren zarte, idyllische Regungen ebenso wie buffoneske Elemente. Händels Musik vermittelt jedenfalls nicht die fleischliche Üppigkeit der kunsthistorischen „Vorlagen“, deren Maler Susanna damaligen Schönheitsidealen folgend, entsprechend „ausstaffiert“ haben.

Über weite Strecken herrscht ein fast kammermusikalischer Ton. Er entzündet sich an der blühenden Liebe und Tugendhaftigkeit Susannas, die Händel mit zartem musikalischem Liebreiz umkleidet. Mit bissigem Hohn hat er die begierigen Triebe der beiden Mitglieder des Ältestenrates aufgedeckt, die stark in die Nähe der Opera buffa gerückt werden und doch Susanna mit dem Tode bedrohen. Als die Maid ihrer Zudringlichkeit eine Absage erteilt, beschuldigen diese Susanna des Ehebruchs und erwirken ihr Todesurteil. Erst Daniel in seiner gottgegebenen, jugendlichen Klugheit, entlarvt die falsche Anschuldigung. Susanna wird gerettet, die beiden Verleumder trifft der Tod. Für die Moral in der Geschichte sorgt der Chor, der sie zum Beispiel am Schluss des ersten Aktes imposant und mit „fugierter“ Strenge predigt.

Les Arts Florissants spielten mit viel Gefühl, kosteten die Emotionen aus, verfielen trotz gelebter historischer Aufführungspraxis nie in einen nüchtern-harten „Originalklang“. Orchester und Dirigent traten spürbar in den Dialog mit den Sängern, blumig umgarnten die Violinen oder Celli, wenn Susanna im ersten Akt ihr Liebesglück besang. Die Positionierung des Orchesters auf der Bühne hinter (!) den Sängern förderte dieses spielerische, nuancenreiche Umgehen miteinander, das zugleich von einer Sicherheit und einem Zusammenspielen im wahrsten Sinne des Wortes zeugte. Dadurch wurde auch das Publikum zum konzentrierten Zuhören angespornt: Es war so mitgerissen, dass es sogar auf das Husten vergaß.

Die Sängerinnen und Sänger agierten an der Rampe, wo sie von der Seiten auf und abtraten und mit dezenten oder humorigen Einlagen ihren Gesangspart gestisch begleiteten. Die beiden Ältesten nutzten beispielsweise eine Fotografie von Susanna, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen oder bezogen das Dirigentenpult mit ein. Außerdem kam der vorzügliche Chor, der hinter dem Orchester in der Bühnentiefe postiert war, zwei, drei Male nach vorne, etwa zum Schluss des ersten Aktes. Das belebte und löste die Starre geschickt auf, die konzertanten Aufführungen oft inne wohnt. Zugleich profitierten die Sänger und die Zuhörer, weil nicht über das Orchester hinweg gesungen werden musste.

Das Solistenensemble war also im Stande, diese feinfühlige Musik auch entsprechend umzusetzen beziehungsweise mit süffisantem Humor zu würzen. Die belgische Sopranistin Sophie Karthäuser vermittelte als Susanna sowohl die sensiblen Seelenregungen als auch die aus Gottvertrauen gespeiste Standhaftigkeit, angesichts des erpresserischen Verführungsversuches und des Todesurteils. Ihre Stimme scheint vom Volumen nicht allzu groß, die räumlichen Gegebenheiten kamen ihr sicher entgegen. Das Timbre ist einnehmend, klar, aber nicht zu hell – eine Stimme gerade recht für zartere Liebeslyrik und so manche sich daran anschließende verzückte Verzierung.

Max Emanuel Cencic äußerte als Susannas junger Gemahl vor allem seine Herzenszuneigung und seine Klagen. Sein Countertenor wurde sicher geführt. Das Timbre seiner Stimme ist reizvoll, hat ein gewisses viriles Fluidum, und lässt sich auch ausdrucksstark einsetzen. Im Vergleich mit David D. Q. Lee, dem zweiten Countertenor auf der Bühne und Interpret des Daniel, überzeugte Cencic insgesamt durch die klarere „Durchleuchtung“ seines Gesangsparts. Lees Stärke waren fast schon sopranartig zu nennende, überraschend kraftvolle Töne, die dem jungen Sänger viel Aufmerksamkeit sicherten, auch wenn mir persönlich der Feinschlifff noch ein wenig abging.

Die beiden „Bösen“, First und Second Elder, wurden von William Burden und Alan Ewing gesungen. Pointiert und entlarvend stellten sie im Sinne Händels die Charaktere bloß, die sie zu verkörpern hatten. William Burden besitzt einen makellosen lyrischen Tenor mit einem Einschlag ins Charakterfach. Alan Ewings Bass stand dem um nichts nach. Burden spielte köstlich den von „schüchterner Wollust“ gepeinigten Mann, der erst durch den Second Elder angespornt (der sich selbst mit einer tausendjährigen Eiche vergleicht), initiativ wird. An der Figur des First Elder hat Händel noch eine hübsche musikalische Pointe gesetzt: er lässt ihn gegen Ende des ersten Aktes eine forsche Kampfarie singen „When the trumpets sounds to arms“, ohne ihm aber eine Trompete im Orchester zuzugestehen. Zwei Trompeten dürfen erst ganz am Schluss beim finalen Chor mitspielen. Emanuelle de Negri (An Attendant) stellte sich in ihrer nicht allzu langen Partie mit jugendlich frischem und reinem Sopran vor. Maarten Koningsberger (Chelsias) und Ludovic Provost (A Judge) rundeten den überaus positiven Gesamteindruck.

Schon zur Pause nach dem ersten Akt war das Publikum begeistert und spendete Ovationen. Nach Ende der Vorstellung gab es viel dankbaren Jubel für diesen außergewöhnlichen und genussvollen Abend.