RODRIGO
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Theater an der Wien
20. Dezember 2019
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Thibault Noally

Ensemble: Orchestre Les Accents

Rodrigo - Vivica Genaux
Esilena - Emöke Baráth
Florinda - Julia Lezhneva
Giuliano - Emiliano Gonzalez Toro
Evanco - Dilyara Idrisova
Fernando - Anthea Pichanik


Sich selbst besiegen, ist der größte Sieg“
(Dominik Troger)

Kurz vor Weihnachten lud das Theater an der Wien zu einer konzertanten Aufführung von Georg Friedrich Händels „Rodrigo“. Die Oper wurde 1707 erfolgreich in Florenz uraufgeführt und war ein wichtiger Meilenstein in Händels Karriere als Opernkomponist.

Aufgrund von Manuskriptfunden in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde der bis dahin nur fragmentarisch überlieferte „Rodrigo“ auch für die Bühne wieder ein Thema; Mitte der 1984 erfolgte die Wiederaufführung bei den Innsbrucker Festwochen für Alte Musik. Die Handlung spielt im westgotischen Spanien und erzählt im Wesentlichen eine Dreiecksgeschichte: Im Zentrum stehen König Rodrigo, seine Gemahlin Esilena und ihre Nebenbuhlerin Florinda. Der Konflikt ist klar umrissen und die Arien sind mit Handlungsbezug recht gut in die langen Rezitative eingepasst. Die „Moral“ der Oper lautet: „Sich selbst besiegen, ist der größte Sieg“ – ein wahrhaft „aufklärerisches“ Motto. Ein Neuanfang wird gesetzt, getragen von geläuterten, „gebesserten“ Menschen.

Die Handlung im Detail: Der König hat mit Florinda einen Sohn gezeugt und ihr den Thron versprochen, das Versprechen aber nicht eingehalten. Florinda sinnt auf Rache. Gemeinsam mit ihrem, im Dienste Rodrigos stehenden Bruder Giuliano, und mit Evanco, dem Sohn des von Rodrigo besiegten Königs von Aragon, zettelt sie einen Aufstand an. Ein Vermittlungsversuch von Esilena, die auf Rodrigo zu Gunsten von Florinda verzichten würde, scheitert. Der Aufstand ist erfolgreich. Als Rodrigo hingerichtet werden soll, tritt Esilena mit dem Sohn Florindas und Rodrigos dazwischen – und der Anblick des Kindes bringt alle zur Vernunft. Rodrigo verzichtet auf den Thron und setzt Evanco als Nachfolger ein. Florinda heiratet Evanco und wird Königin.

Musikalische Hightlights sind nicht nur Florindas sechsezehntelgespickte Rachegefühle, es gibt im dritten Akt ein reizvolles Duett zwischen Rodrigo und Esilena, in dem sich die beiden Singstimmen zu einem verzierungsreichen „Pas de deux“ der Liebe vereinen. Esilena hat Händel an Ende des ersten Aktes eine große Arie mit Violonsolo gegönnt (laut Programmheft hat er sie aus einer zuvor in Rom komponierten Kantante übernommen). Rodrigo selbst argumentiert am Beginn gegenüber Florinda noch „süffisant“, wird durch die Kalamitäten aber rasch in Zweifel gestürzt. Die mit düsterer Bassbegleitung versehene Arie „Sommi die, se pur v’offesi“ im ersten Akt legt davon beredtes Zeugnis ab: die barocke Fassade scheint hier kurz brüchig zu werden, auch einen Herrscher kann Lebensüberdruss und Todesfurcht befallen.

Die Besetzung im Theater an der Wien war vorzüglich und brachte vornehmlich drei Sopranstimmen auf die Bühne, denen man in den letzten Jahren schon mehrmals mit großem Wohlgefallen hat begegnen dürfen: Julia Lezhneva sorgte als Florinda für glasklare Koloraturen und schwebende Piani; als zum Verzicht bereite Esilena trat Emöke Baráth an, ein lyrischer Sopran mit mozartischer Wärme in der Mittellage, gepaart mit technischer Finesse; Dilyara Idrisova lieh dem Königssohn Evanco kristallin-funkelnde Sopranlyrik, ebenso wie ihre beiden Kolleginnen sicher dem barocken Ziergesang ergeben. Die individuellen Unterschiede der Stimmen passten sehr gut zu den Persönlichkeiten der dargestellten Figuren.

Angeführt wurde dieses „Soprantrio“ von Vivica Genaux, die der ursprünglich von einem Soprankastraten interpretierten Partie des Rodrigo ihre bewegliche, leicht rauchig timbrierte Mezzostimme lieh. Dieser Mezzo war dank der virilen Tönung auch vom Stimmcharakter beim Rodrigo sehr gut aufgehoben. Als Tenor stand Emiliano Gonzalez Toro den Damen in Koloraturfähigkeit um nichts nach, und Anthea Pichanik ergänzte das hochkarätige Ensemble mit ihrer frischgetönten Altstimme. Frisch wirkte auch das Spiel des Orchesters Les Accents unter dem selbst die Violionsoli beisteuernden Dirigenten Thibault Noally: eine mit Gefühl und Wohlklang versehene Aufführung, die einem auch in den Rezitativen nicht langweilig wurde. Das 2014 von Noally gegründete Ensemble war zum ersten Mal im Theater an der Wien zu Gast.

Der Abend dauerte inklusive einer Pause an die dreieinviertel Stunden. Es gab starken, rund fünf Minuten langen Schlussapplaus.