RODELINDA
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Theater an der Wien
18.11.2024
Konzertante Aufführung

Musikalische Gesamtleitung: Raffaele Pe
Konzertmeisterin:
Elisa Citterio

La Lira di Orfeo

Rodelinda - Giuseppina Bridelli
Bertarido - Raffaele Pe
Grimoaldo - Luigi Morassi
Eduige - Sonia Prina
Garibaldo - Mirco Palazzi
Unulfo - Rafal Tomkiewicz

Start des konzertanten Barockopernzyklus
(Dominik Troger)

Das Schicksal der Langobardenkönigin Rodelinda hat 1725 das Londoner Publikum gerührt. Auch das Wiener Publikum hat sich an diesem Montagabend von Georg Friedrich Händels Oper gerne becircen lassen: Endlich spielt es wieder Barockoper im Stammhaus des Theaters an der Wien an der Linken Wienzeile und die zwei  „Hallenjahre“ im Ausweichquartier sind vorbei.

Zwar hatte der Aufführung kurzfristig sogar die Absage gedroht, wie dem Publikum am Beginn der Vorstellung mitgeteilt wurde: Aber nach hektischer Um- und Neubesetzung lief dann doch alles wie „am Schnürchen“. Karina Gauvin, als Rodelinda angekündigt, hatte wegen einer Erkältung kurzfristig absagen müssen. Daraufhin rückte Giuseppina Bridelli von der Eduige zur Rodelinda auf und Sonia Prina wurde von Mailand eingeflogen, um in die Rolle von Bertaridos Schwester zu schlüpfen.

Sonia Prina ist den Wiener Barockopernenthusiasten natürlich ein Begriff. Die Sängerin hat schon in der  Vergangenheit das Publikum auch auf die längsten „Händelläufe“ mitgenommen. Prina hat 2006 im Konzerthaus bei einer konzertanten Aufführung der „Rodelinda“ den Bertarido gesungen und ist an diesem Abend vom Bruder zur Schwester „mutiert“, die sie mit starker Persönlichkeit auszustatten wusste.

Der Abend hatte aber noch eine Besonderheit aufzuweisen. Der Countertenor Raffaele Pe war nicht nur als Bertarido aufgeboten, sondern zeichnete laut Programmheft auch für die musikalische Gesamtleitung verantwortlich. Pe konzentrierte sich dann aber auf das Singen, auch wenn er sich bei seinen Arien quasi selbst den Einsatz gab. Pe sorgte mit  der Arie „Vivi tiranno“ kurz vor dem Finale der Oper dann auch für ein gesangliches Prunkstück. Mit viel Leidenschaft und Virtuosität Händels Vorgaben folgend verkörperte er den in Exil geflüchteten Gatten Rodelindas, der zuerst von ihr tot geglaubt, sich dann doch wieder als höchst lebendig erweist.
Das  bestens eingespielte Ensemble La Lira di Orefo war von der violinisierenden Konzertmeisterin Elisa Citterio unter ihre Fittiche genommen worden.

Giuseppina Bridelli hat kurzfristig die Titelpartie übernommen. Sie ließ einen angenehm timbrierten Mezzo mit gut ausgebauter Höhe hören: eine ausgewogene, bewegliche Stimme, seit vielen Jahren am barocken Repertoire geschult.  Dazu gesellte sich Mirco Palazzi als machtbewusster Garibaldo mit  einem eleganten, wendigen Bass ausgestattet. Luigo Morassi sang den um Rodelinda werbenden Grimoaldo mit einem nicht minder eleganten, kernigen Tenor. Unulfo wurde vom Countertenor Rafal Tomkiewicz gegeben, ebenfalls virtuos und im Timbre eine Spur markanter als Raffaele Pe, wodurch er sich deutlich genug von Bertarido abhob, den er im dritten Aufzug aus den Banden Grimoaldos zu erretten hat. Das Ensemble harmonierte sehr gut miteinander und hinterließ trotz der kurzfristigen Umbesetzung einen geschlossenen Gesamteindruck.

Doe Mitwirkenden hatten sich außerdem auf eine „semiszenische“ Aufführung verständigt, zwar ohne Kostüm, aber im  Bühnenvordergrund hinter dem Orchester stand mittig ein großer Thronsessel und im dritten Akt kam sogar ein langes Schwert ins Spiel, mit dem Garibaldo versucht, den König zu ermorden – aber zum Glück kommt ihm Bertarido dazwischen. Die Handlung wurde dadurch leicht ironisiert. Aber wer sich an die szenische Produktion der „Rodelinda“ erinnert, die das Theater an der Wien  2011 gezeigt hat (eine „Koproduktion“ von Nikolaus und Philipp Harnoncourt), wird diese einfache, augenzwinkende,  konzertante Umsetzung wahrscheinlich umso mehr geschätzt haben.

Das kleine Orchester war auf den gedeckelten Orchestergraben vorgeschoben, die Protagonisten positionierten sich ganz an der Rampe, traten je nach Szene auf oder ab, bezogen mehrmals auch den Raum hinter dem Orchester ein. Nach dem Hintergrunde zu war der Großteil der Bühne durch eine Projektionsleinwand abgetrennt.

Für die konzertante Aufführung im Theater an der Wien hat man die drei Akte in zwei Teilen zusammengefasst, die Pause war  im zweiten Akt angesetzt worden (zwischen Unulfos „Fra tempeste funeste a quest'alma“ und Bertaridos „Con rauco mormorio“). Dem Programmheft konnte man außerdem entnehmen, dass das Ensemble eine neue Ausgabe der Partitur erstellt hat. Das Vorwort von Raffaele Pe zu dieser Neuedition ist im Programmheft abgedruckt, über die Neuedition selbst erfährt man dort leider nichts.

Auch beim dritten Besuch im renovierten und umgebauten Haus darf ein kleiner Rundgang nicht fehlen. Dieses Mal ging es hinab in die „Hölle“, die als Pausenraum ausgedient hat und in einen kleinen Veranstaltungsraum umgebaut worden ist. Hauptattraktion bei den wenigen Besuchern, die in der Pause der „Hölle“ einen Besuch abgestattet haben, war die neue Unisex-Toilette, die zuerst einige Verwirrung ausgelöst hat. Die ehemalige Herrentoilette links neben dem Höllenaufgang ist in ein barrierefreies WC umgebaut worden. Die beiden kleinen Pausenräume im dritten und zweiten Rang mit den Motivtapeten aus der Zeit um 1960 sind erhalten geblieben, während das neue große Publikumsfoyer im ersten Rang, wo jetzt auch die Einführungsvorträge stattfinden, in seiner hellen Kühle leider keine Individualität ausstrahlt: hier hat erneut der globalisierte „Einheitsgeschmack“ zugeschlagen, der sich schon seit Jahren durchs Wiener Stadtbild frisst.

Ich empfand Stimmen und Orchester akustisch kräftiger als bei Barockopernaufführungen vor der Renovierung. Nach der Pause schien es besser adaptiert zu sein oder es hat sich bei mir ein Gewöhnungseffekt eingestellt. Die Aufführung dauerte inklusive einer Pause knapp drei Stunden. Das Publikum war  sehr angetan und erklatschte sich als Zugabe noch die Wiederholung des von den Solisten gegebenen Schlusschores. Nach rund zehn Minuten Schlussapplaus strebte es den Ausgängen zu.