RODELINDA
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Theater an der Wien
20.3.2011
Premiere

Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt
Inszenierung: Philipp Harnoncourt
Ausstattung: Herbert Murauer
Lichtdesign: Bernd Purkrabek

Concentus Musicus Wien

Rodelinda - Danielle de Niese
Bertarido - Bejun Metha
Grimoaldo - Kurt Streit
Eduige - Malena Ernman
Garibaldo - Konstantin Wolff
Unulfo - Matthias Rexroth


Rodelinda, die Gangsterbraut
(Dominik Troger)

Händel im Theater an der Wien als Barockopern-Persiflage? Rodelinda wird zur Gangsterbraut. Philipp Harnoncourt hat schon zünderere Regiearbeiten gezeigt.

Was der Regisseur an diesem Abend wirklich wollte, wird einem auch nach dreieinhalb Stunden nicht klar. Die einzige Erklärung läuft auf eine Demontage hochtrabender Händel’scher Gefühlswelten hinaus, denn sonst könnte man als Zuschauer überhaupt nicht mehr ernst nehmen, was einem da im Theather an der Wien vorgesetzt wurde.

Dass „Rodelinda“ nicht unbedingt zur Opera buffa taugt, dieses Beweises hätte es allerdings nicht bedurft. Harnoncourt hält sich auch nicht stringent daran, er flüchtet vielmehr vor den Höhenflügen und Tiefgängen der Händel’sche Emotionalität in den „Gag“, der von üppigen Machtspielchen der „Rodelinda-Königs-Bande“, mit ihren überdrehten Waffenprotzereien und Frauenunterdrückungen kontrastiert wird.

Über den Humor, den Harnoncourt dabei an den Tag legte, kann man natürlich trefflich streiten. Immer wieder wurde einem unverblümter Slapstick serviert (zwei Tritte gegen den Kaffeeautomaten und „Kottan“ lässt grüßen) – von der putzsüchtigen Reinigungsfrau bis zu den Möbelpackern, die kurz nach Beginn gleich einen Kasten hoch schleppen. Zum Finale lässt der einsichtige Grimoaldo Getränkedosen servieren: bezogen auf diese Inszenierung eine Geste von ausgeprägter Symbolik.

Diese Rodelinda ist szenisch irgendwann im späten 20. Jahrhundert angesiedelt. Das Bühnenbild stellt ein Haus dar, mit einem ersten Stock und noch Treppen himmelwärts, das sich immer wieder dreht, offene Räume und Stiegen zeigt, und von allerhand Menschen bewohnt wird, die nichts mit der Handlung zu tun haben: Bodyguards, eine Prostituierte, die schon erwähnte Putzfrau, irgendwo gibt es auch Unterstandslose, die sich auf einem Feuer, das in einer Metalltonne brennt, ihr Essen garen. Wenn Bertarido aus dem Kerker flieht, bricht er sich eine Durchgang in den Orchestergraben. Man lacht – oder auch nicht – über diese inszenierten Lappalien.

Die musikalische Seite war in Summe enttäuschend. Hätte das Ensemble auf dem Niveau von Bejun Metha (Bertarido) agiert, es wäre eine Freude gewesen, zuzuhören. Letztlich sorgte Metha knapp vor dem Schluss noch mit einer furiosen Arie für gesangliche Virtuosität und reichhaltigen Ausdruck.

Aber möglicherweise hat sich das Inszenierungskonzept hemmend ausgewirkt. Der musikalische Fluss geriet immer wieder ins Stocken. Vor allem die erste Stunde wirkte auf mich zerfahren. Die SängerInnen mussten während ihrer Arien ganze Choreographien absolvieren – und dann wurden ihre Darbietungen noch von den „stummen“ Nebenfiguren gerahmt, die dauernd beschäftigt waren (sogar wenn sie schlafend im Liegestuhl lagen, mussten sie Fliegen verscheuchen).

Aber auch die gesanglichen Ressourcen schienen begrenzt. Danielle de Niese ist eine aparte Bühnenerscheinung, das leicht rauchige Timbre ihrer Stimme weckt Phantasien. Aber leider wird diese Stimme sehr eindimensional geführt und lockt nicht gerade mit atemberaubender Technik. Neben Bejun Metha konnte Matthias Rexroth als Altus recht gut mithalten. Etwas blasser kam Malena Ernmann über die Rampe, manchmal etwas leise, wie ein wenig ermüdet. Kurt Streit gab einen gesanglich soliden, aber ziemlich einfärbigen Grimoaldo, der vor allem durch starken Körpereinsatz Konturen gewann. Gesanglich ebenfalls solide, aber für meinen Geschmack auch nicht gerade „zündend“, Konstantin Wolff als „böser“ Garibaldo. Zu dem wirkte das Spiel des Concentus Musicus unter Nikoaus Harnoncourt ziemlich nüchtern. Virtuoses Musizieren und Aussingen schien fast ein wenig Tabu zu sein.

Der Applaus war stark, es gab einige deutlich hörbare Buhrufe gegen die Regie. Kurioserweise unterbrach N. Harnoncourt den Schlussapplaus und forderte Orchester und Solisten noch zu einem abschließenden Chor auf.