RINALDO
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Theater an der Wien
14. Dezember 2013
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Riccardo Minasi

Ensemble: Il pomo d'oro

Goffredo - Varduhi Abrahamyan
Almirena - Emöke Baráth
Rinaldo - Franco Fagioli
Eustazio - Xavier Sabata
Argante - Giancula Buratto
Armida - Karina Gauvin



Kreuzritter im Zaubergarten“
(Dominik Troger)

Zauberin Armida will sich einen Kreuzritter angeln, um die heilige Stadt Jerusalem zu retten: Das Theater an der Wien lud am Samstagabend zu einer konzertanten Aufführung von Georg Friedrich Händels „Rinaldo“. Gespielt wurde die Fassung von 1711.

„Rinaldo“ war Händels Einstieg in das Londoner Opernbusiness und ein großer Erfolg. Das Libretto basiert auf Torquato Tassos „La gerusalemme liberata“ – und stimmt ein Loblied auf Rittertugend und wahre Liebe an, der sogar die verführerische Zauberin Armida nichts anhaben kann. Händels „Rinaldo“ ist ein Held, der den Weg der Tugend geht und der Verführung widersteht. Schließlich darf er seine Geliebte Almirena erst ehelichen, nachdem er sich heldisch im Kampf um Jerusalem hervorgetan hat – und am Schluss sind alle happy.

Die Szenenanweisungen machen einem den Mund sowieso wässrig: Da fliegt Armida mit einem von zwei Drachen gezogenen Wagen durch die Luft – und ihren Zaubergarten wird man sich auch entsprechend ausstaffiert vorstellen dürfen, ein Rausch von knospenden Rosen, lustvoller Pflanzenornamentik, Teiche und Brunnen, barocke Heckenlabyrinthe für neckische Spielereien. Ein Blick in „La gerusalemme liberata“ beweist ohnehin, dass Herr Tasso mit Worten recht deutlich zu verschleiern wusste, was er an erotischen Anzüglichkeiten eigentlich sagen wollte: die hohe Kunst der Verführung versteht die „nackten Tatsachen“ geschickt zu umgehen.

Bei den Londoner Aufführungen hat man, so verrät ein Beitrag im Programmheft, zum idyllischen Liebesduett zwischen Rinaldo und Almirena im ersten Akt einen Sperlingsschwarm im Opernhaus freigelassen, um das musikalische Vogelgezwitscher spektakulär abzurunden. Im Theater an der Wien wurde das Vogelgezwitscher vom Band eingespielt.

Im Zentrum stand natürlich Franco Fagioli als Rinaldo. Fagioli könnte man inzwischen als die „Cecilia Bartoli“ unter den Countertenören bezeichnen, atemberaubend im Vortrag, publikumsaffin, begierig jede einzelne Phrase lustvoll auszuschmücken und ihre Verzierungen auszubilden, als eine genussvoll zelebrierte Reise in alte Opernzeiten. Ein bisschen primadonnenhafte Überzeichnung und Notenakrobatik gehören hier zum Business, und legen zugleich Zeugnis für die Hochschaubahn der Gefühle ab, die der Titelheld dieser Oper meistern muss. Schon allein der enorme Stimmumfang des Sängers lässt einen immer wieder erstaunen.

Die Bandbreite unter den Countertenören ist inzwischen so groß, dass bei Besetzungen sehr gut nach dem Stimmcharakter variiert werden kann. Xavier Sabata sorgte als Kreuzritter Eustazio für ruhigere, lyrische Momente, sein Countertenor war an diesem Abend der „süßere“ und hob sich von der Heroik Rinaldos deutlich ab. Fagiolis Timbre tönt viriler und scheint mehr dazu geeignet, die etwas überspannten Heldenfiguren der Barockoper im wahrsten Sinne des Wortes „in Szene zu setzen“.

Emöke Baráth wurde zwar wegen einer Erkältung angesagt, sang aber eine davon unbeeinflusst wirkende ausdrucksvoll und lyrisch gefasste Almirena, der Händel im „Rinaldo“ nicht nur mit dem bekannten „Lascia ch’io pianga“ ein paar wunderbare Momente musikalischer Innigkeit und Poesie ermöglicht hat. Baráths lyrischer Sopran erwies sich hier als zart und doch in allen Lagen wohl gerundet, technisch mit Finesse und doch im Ausdruck mit passender, zu Herzen gehender Schlichtheit – keine Überraschung, dass sie in der Publikumsgunst gleich nach Fagioli rangierte.

Karina Gauvin mit ihrem nach wie vor lyrisch gestimmten, aber leicht apart timbrierten Sopran, der da und dort schon etwas „fester“ klingt, war als Armida ebenfalls ideal besetzt: eine reizvolle Mischung aus Verführung und Liebe, die Rinaldo schon aus der Reserve locken könnte.

Varduhi Abrahamyan steuerte einen geschmackvoll gesungenen Goffredo bei, ihr hätte man mehr die Mutter Almirenas zugetraut als deren kreuzritternden Vater, aber in einer Barockoper darf das so sein. Mit Gianluca Buratto stellte sich ein junger aufstrebender Bass dem Wiener Publikum vor – als Herrscher von Jerusalem vielleicht eine Spur zu „gemütlich“ im Ausdruck, aber schlussendlich hat auch er im Finale der Oper noch sein Glück gefunden: nämlich mit Armida.

Das 2012 gegründete Ensemble Il pomo d’oro unter Riccardo Minasi erwies sich als vorwärtsdrängende Begleitung, mit einigen hervorragenden solististischen Einzelleistungen. Das Publikum war vom Abend sehr angetan. Es gab fast zehn Minuten Schlussapplaus und sehr viele Bravorufe, auch viel Szenenapplaus während der drei Akte. Der Abend dauerte inklusive einer Pause dreieinviertel Stunden.

Gesungen wurde bei offenem Vorhang vor dem sterilen Bühnenbild der aktuellen „Lazarus“-Produktion. (Schade, dass nicht dieser „Rinaldo“ szenisch und dafür das Schubert’sche Fragmentoratorium „Lazarus“ konzertant gegeben wurde.)