RADAMISTO
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Musikverein Musikalische Leitung: Martin Haselböck Orchester: Wiener Akademie |
Radamisto - Carlos Mena |
„Sinnlicher
Händel“ Eine „Wiener Akademie“ mit Händel’scher Opernpracht: Martin Haselböck ließ den „Radamisto“ im Wiener Musikverein erklingen. Die Aufführung war „halbszenisch“, orientalisch stilisierte Kostüme und angedeutete Handlungselemente vermieden auf belebende Art und Weise die Starre rein konzertanter Aufführungen: ein genussvoller Abend. Martin Haselböck hatte diesen „Radamisto“ schon vor zwei Jahren bei den Salzburger Pfingstfestspielen aufgeführt, einige SängerInnen von damals haben auch den Weg nach Wien gefunden. Die Salzburger Produktion war von Hans Gratzer inszeniert worden, die Kostüme hatte Andrea Uhmann beigesteuert. Diese Kostüme boten in ihrer mehr silhouttenhaften Anlehnung an antik-persische Vorbilder dem Besucher einen augenfälligen Bezugspunkt – Radamisto, seine Gemahlin Zenobia, Radamistos Vater trugen Kardinalsrot, Polissena kam in strahlendem Weiß, ihr Gemahl Tiridate, Radamistos Gegenspieler, in herrschaftlichem Gold und Schwarz. Die ebenso stilisierten Bewegungen, ihre tragende Gestik, der schreitende Gang, spiegelten gut den hohen künstlerischen, aber auch den hohen moralischen Anspruch dieses Werkes wider. Es ist schön, wenn man merkt, dass der „Alltag“ hier vor der Türe bleiben darf, dass sich das schwarze Abendkleid in eine phantasievolle weiße Kostümgebärde wandelt, die angemessen zu den feinen Pianotönen passt, die von den Lippen Polissenas flehen. Da war das Podium des „Goldenen Saales“ dann auch ein würdiger Rahmen dazu. Die Sänger agierten hinter dem Orchester, fanden dort genug Platz zum statischen Spiel, zum Auf- und Abgehen. Das Tragen von langen Stäben, Herrschaftssymbolen gleich, das seltsame Auffalten von Kostümen, die dadurch fast zu Kulissen werden konnten, bereicherte die Darstellung wichtiger Handlungsmomente. Gesanglich erwuchsen aus der Sängerplatzierung keine Probleme, weil die Orchesterbesetzung klein war und der Saal auch jene angenehme Größe besitzt, die SängerInnen im Normalfall nicht zu übermäßigen Kraftanstrengungen nötigt. Martin Haselböck ließ schwungvoll musizieren, schuf aber auch immer wieder Ruheinseln für sinnliches Ausspannen in diesen Wechselbädern barocker Emotionalität. Sein Händel war keiner eines verbissenen „Originalklanges“, sondern mit einer feinen Glanzpolitur versehen; besonders schön auch die Solopassagen einzelner Instrumentalisten. Stellvertretend sei das Cello genannt, das Händel hin und wieder betörend zu „Musik“ kommen lässt. Und wenn Händel dann Hörner und Trompeten – jeweils im Paar – ins Orchester holt, dann weitet sich gleich nochmals der Horizont – und Tigranes erstrahlt im Glanz seiner ganzen Herrscherwürde. Das SängerInnen-Ensemble war sehr homogen, blieb immer im „grünen Bereich“. Trotzdem muss man den Radamisto von Carlos Mena hervorheben, ein Countertenor mit ausschwingender, tragender Altstimme, und klaren, deutlich gesungenen Koloraturen. Ihm war Florian Bösch als Tiridate ein markanter Widerpart, als Eroberer von Ländern und Frauenherzen, aber letztlich doch einsichtiger und kluger Herrscher. Überzeugend in der Selbstbehauptung ihrer Gefühle, Marina R. Cusi als Zenobia. Anmutig und zu leiseren Tönen fähig, die Polissena der Céline Ricci. Melba Ramos als Tigrane, Curtis Streetman als Farasmane, Linda Perillo als Fraarte rundeten den sehr positiven Gesamteindruck ab. Die Aufführung folgte der zweiten Fassung des Radamisto (HWV 12b), in der Radamisto mit Counternor und nicht mit Mezzosopran besetzt ist, und der Tiridates als Bariton/Bass, jedenfalls nicht als Tenor. Die zweite Fassung unterscheidet sich in vielen Punkten, besitzt außerdem ein wunderschönes Quartett im dritten Akt. (Eine konzertante Aufführung auf Basis der ersten Fassung gab es voriges Jahr im Konzerthaus zu hören.) Die oberen Ränge des Musikvereins waren nicht so gut besetzt, wie man es sich hätte erwarten können. Der Applaus war trotzdem stark und dankbar. |