PARTENOPE
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Theater an der Wien
Premiere

22.2.2009

Dirigent: Christophe Rousset

Inszenierung: Pierre Audi
Ausstattung: Patrick Kinmonth
Licht: Matthew Richardson


Les Talens Lyriques

Partenope - Christine Schäfer
Emilio - Kurt Streit
Arsace - David Daniels
Rosmira - Patricia Bardon
Ormonte - Florian Boesch
Armindo - Matthias Rexroth


„Barocke Seifenoper?
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien setzte in seiner neuesten Produktion auf Händels wenig bekannte Oper „Partenope“. Die Premiere war musikalisch vorzüglich – die Inszenierung wenig aussagekräftig.

„Partenope“ wurde 1730 uraufgeführt. Das Werk beleuchtet die Liebesverwirrungen am Hofe von Partenope, Königin von Neapel. Im Zentrum steht neben der Königin vor allem Rosmira alias Eurimene, die als Mann verkleidet ihren verflossenen Verlobten Arsace am Hofe aufspürt, um sich an ihm zu rächen. Arsace, Favorit der Königin, verliert im Laufe der Intrige die bevorzugte Stelle im Herzen Partenopes und soll sich schlussendlich auf königliches Geheiß wieder mit Rosmira zusammenfügen. Doch solch aufklärerisches „Happyend“ war Regisseur Pierre Audi verdächtig – und deshalb darf Rosmira im Finale mit dem kämpferischen Emilio auf einem chromsilbernen Edelbyke von der Bühne rauschen – von sattem Motorensound begleitet. Arsace geht leer aus.

Die Handlung stellt die Personen wie ein einem Liebesexperiment einander gegenüber. Man fühlt sich ein wenig an „Cosi fan tutte“ erinnert. Das Thema „Liebe“ wird in vielen Schattierungen abgehandelt, von der subtilen Anziehungskraft des gleichgeschlechtlichen Eros bis zu einem männlichen Sadomasochismus wie er im eroberungswütigen Emilio auftritt. Die Musik scheint einfacher, melodischer, in den Violinen manchmal bis zur feinen Ironie verinnerlicht. Es fehlt die überzüchtete Virtuosität, mit der Händel so manche antike Sage und Historie abgehandelt hat. Doch Emilio gibt auch Anlass für eine zünftige Schlachtenmusik am Beginn des zweiten Aktes – sie begleitet den Kampf, den er um Partenopes Liebe angezettelt hat.

Regisseur Pierre Audi scheint – so das Programmheft – in „Partenope“ mehr eine barocke „Seifenoper“ gesehen zu haben und im Web fand ich den Begriff „Barock-Operette“. So eindeutig erklärt sich Händel aber nicht. Diese „Genre-Zuschreibungen“ resultieren mehr aus dem Gefühl eines heutigen Zuschauers, dem sich die Identitätsprobleme barocker Geschlechterbeziehungen in ihrer Dramatik und in ihrem Humor nur noch schwer entschlüsseln – samt dem moralischen Überbau der Aufklärung. (Mozart und da Ponte sind uns bereits um jenen Epochenschritt näher, der die französische Revolution ausgelöst hat.)

Audi verlegte „Partenope“ in eine ziemlich gleichförmige, substanzlose Gegenwart: das oft bewegte Bühnenbild zeigte Teile einer architektonisch spröden, aber mondänen Villa am Meer. Partenope wird von Männern umschwärmt, die Audi kaum als eigenständige Charaktere geformt hat. Partenope selbst ist keine Königin, keine Partylöwin, pflegt ihre Gefühle mit steter Hingabe – so wie sie sich mit ihrem Fitnesstrainer zu Stretching und zu Yoga-Übungen auf dem Dach des Bungalows einfindet. Nur Rosmira alias Eurimene treibt die Handlung an, wirkt wie ein Katalysator im behäbigen selbstbezogenen Getriebe einer Geldgesellschaft, die sich um die Beschaffung desselbigen nicht mehr zu kümmern braucht.

Der gewalttätige Auftritt Emilios, der mit einer Abteilung Soldaten den Strand stürmt, ist unter solchen Vorzeichen kaum plausibel, passt nicht in das auf der Bühne gezeigte Gesellschaftsbild. Audi folgt hier mehr Händel, bei dem dieser Kampf, den der König der Kumanen um die Königin von Neapel führt, durchaus als reale Bedrohung von Partenopes Herrschaft zu sehen ist – und wenn Emilio Land gegen Liebe tauschen möchte, dann rührt er an eine – unter den damaligen politischen Bedingungen – durchaus interessante Frage. Über den veränderten Schluss wurde schon kurz referiert: die Wiederaufnahme der Beziehung zwischen Rosmira und Arsace wird von Audi abgelehnt. Eine Rückkehr zum Status quo ist für ihn nicht möglich.

Musikalisch sorgte Christophe Rousset mit den differenziert aufspielenden Les Talens Lyriques für eine vielschichtige Orchesterbegleitung, die sich modellierend um jede Phrase kümmerte und zugleich viel Platz für die zu vermittelnden Emotionen ließ. Christine Schäfer sang eine untadelige Penelope, ohne Hang zum sängerischen Exhibitionismus, vibratolos, stringent in den Verzierungen: eine selbstsichere Frau im besten Lebensalter, der dann doch die Liebe einen Strich durch die Rechnung macht.

Patricia Bardon war das Salz in der Suppe, mit schönem, kräftigem Mezzo forderte sie Arsace heraus, der vom Countertenor David Daniels mit technischer Perfektion und großer Feinfühligkeit gesungen wurde. Der Altus Matthias Rexroth, Armindo, ließ eine volltönende Stimme hören, gerundet im Klang, deutlich von Daniels unterschieden, dessen Stimme zarter klingt, feiner, mehr die nervösen Seelenabgründe zu vermitteln weiß. Ormonte, Florian Boesch, wurde von Händel gesanglich stiefmütterlicher bedacht – das wenige, das er zu singen hatte, klang schön und ausdrucksstark. Ebenfalls sehr gut bei Stimme: Kurt Streit als Emilio. Sein Tenor klang locker und ausgeruht, sicher in den Verzierungen, wie immer stark im Ausdruck.

Das Publikum spendete langen und starken Beifall. Für die Regie waren möglicherweise doch ein oder zwei Buhrufe hineingepackt.