ORESTE
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Kammeroper Bach Consort
Wien |
Oreste - Eric
Jurenas |
Das Theater in der Wien hat in der Kammeroper ein Opernpasticcio von Georg Friedrich Händel auf den Spielplan gesetzt: „Oreste“ erzählt von den Abenteuern des Agamemnon-Sprosses auf Tauris. Händel hat für dieses 1734 uraufgeführte Pasticcio Musik aus eigenen Werken recycelt und das Stück außerdem mit viel Ballettmusik versehen. In der Kammeroper wurde eine Fassung ohne Ballettmusik gespielt, auch der (für die Regie wohl zu tendenziös positive) Schlusschor wurde gestrichen. Die Aufführung dauerte inklusive Pause an die zweidreiviertel Stunden. Erzählt wird die bekannte Geschichte von Orest, der auf Tauris von der eigenen Schwester geopfert werden soll. Im Gegensatz zum Mythos wird in diesem Stück, das nach einem Libretto von Giovanni Gualberto Barlocci gefertigt worden ist, Toante, der tauridische König, unter der Mitwirkung von Orest gemeuchelt, das Volk sozusagen vom Tyrannen befreit. Dann steht dem „lieto fine“ nichts mehr im Wege. Die Inszenierung hat das Stück in eine nicht näher bezeichnete Gegenwart versetzt. Das Bühnenbild zeigt eine Art Hangar, vielleicht für U-Boote, vielleicht ein Bunker. Es gibt ein Rohrpostsystem. Der Bunker oder das U-Boot verfügt über Waffensysteme und über Überwachungskameras. Das deutlich asymmtrische Bühnenbild lässt die Bühne der Kammeroper größer erscheinen, als sie ist. Die Kostüme bieten neben militärischer Standardausstattung auch Überraschungen. Der Auftritt Ermiones im roten Taucheranzug hat Sexappeal, die Kopfbedeckung Ifigenias würde auch als Oberpriesterzylinder für einen Ramfis taugen. Ausstatterin Olga von Wahl hat sich bei ihrer Kreation dankenswerter Weise nicht nur auf die typischen schwarzen Schmuddel-T-Shirts beschränkt, die deutsche Regieteams so gerne in die politisch aufmunitionierte Bühnenschlacht werfen. Aber ganz ohne politisch korrekte Hinterfragung dieses anno dazumal nach wenigen Aufführungen von der Bühne verschwundenen und erst 1988 (!) wieder zur Aufführung gebrachten Pasticchios ging es natürlich nicht ab: Regisseur Kai Link entdeckte im „Oreste“ sogar marketingwirksam „schauderhafte Aktualität“ wie das Programmheft verrät. Deshalb hadert er mit dem von Händel verordneten Happy-end und lässt im Finale keine Glücksgefühle über das günstige Schicksal aufkommen, das Orest, Pilade, Ermione und Ifigenia aus einer lebensbedrohlichen Situation befreit hat. Orest verschwindet nach der Beseitigung des Toanto als möglicherweise neuer Diktator mit Ermione im „U-Boot“, das sicherheitshalber noch aufmunitioniert worden ist, Pylades spielt verdächtig suizidgefährdet mit einer Pistole herum – und Ifigenia macht sich allein davon. Es sei aber positiv vermerkt, dass sich Link mit netten Spässchen (auch so eine moderne Regiekrankheit) zurückgehalten hat. Den Gugelhupf, mit dem Filotete der Priesterin Ermione seine heiratswillige Liebe erklärte, hat für einiges Gelächter gesorgt, ebenso die zudringlichen Überwachungskameras oder ein gewisses „Agentenambiente“. Link hat sich aber durch so manche Slapstick-Einlage nicht vom großen erzählerischen Bogen abbringen lassen. Die Personenführung war zweckmäßig, den engen Verhältnissen angepasst, längere Arien wurden auch von Tätigkeiten wie Umkostümierungen mehr oder weniger sinnvoll begleitet. Dass sich in Summe ein Gesamteindruck ergab, bei dem man den neuen „politischen“ Schluss nicht als mutwillig empfinden musste, spricht für den Regisseur. Musikalisch blieb der Eindruck etwas flach. Händel hat reizvolleres zu bieten als diesen „Oreste“. Das Bach Consort Wien unter Rubén Dubrovsky servierte die schwungvolleren Nummern mit Energie, bei den langsamen, lyrischen Stücken machte sich oft eine zu große Gleichförmigkeit breit. Eric Jurenas sang einen etwas kantigen Oreste, der gut in diese Inszenierung passte. Sein flexibler Countertenor ließ eine metallische gefärbte Stimme hören, die er mit Energie einzusetzen vermochte. Eine solche Stimme eignet für die Darstellung vom Schicksal verfolgter Kämpfernaturen und entzieht sich einer „poetisch-musikalischen Vereinnahmung“, was sie für zeitgenössisches Musiktheater interessant machen dürfte. Frederikke Kampmann und Carolina Lippo sorgten für lyrisches Sopranfeeling, koloraturaffin, aber im spielerisch-virtuosen Ausdruck und Spannen großer Bögen noch ausbaufähig. Kampmann besitzt wohl die etwas hellere Stimme, bei Lippo klang in der Mittellage südlichere Wärme durch. Matteo Loi sorgte für einen präsent fiesen Toante, dem Händel musikalisch wenige Möglichkeiten geboten hat, zu brillieren. Florian Köfler ließ als Filotete eine im Stimmmaterial ausbaufähige Bassstimme hören. Julian Henao Gonzalez ist mit seiner lyrischen Stimme im italienischen Fach deutlich besser aufgehoben. Gespielt wurde gut – und in Summe war das wohl – trotz einiger Längen – bis jetzt die überzeugendste Kammeropern-Produktion des Jungen Ensembles des Theaters in der Wien in dieser Saison. Die
Premiere schloss mit dem obligaten Schlussjubel |