GIUSTINO
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Kammeroper
4. Dezember 2019
Premiere

Musikalische Leitung: Markellos Chryssicos

Ensemble: Bach Consort Wien

Giustino - Meili Li
Arianna - Jenna Siladie
Anastasio - Rafal Tomkiewicz
Leocasta - Tatiana Kuryatnikova
Vitaliano - Johannes Bamberger
Amanzio - Kristjan Jóhannesson
Polidarte - Dumitru Madarasan
Fortuna - Ilona Revolskaya



Händel and Crime“
(Dominik Troger)

Die zweite Produktion der laufenden Saison an der Wiener Kammeroper galt Georg Friedrich Händels „Giustino“. Der amerikanische Regisseur James Darrah gab mit dieser Aufführung sein Österreich-Debüt.

Die 1737 uraufgeführte Oper erzählt die Geschichte vom Bauern Giustino, der zum oströmischen Kaiser aufsteigt. An ihr wird exemplarisch abgehandelt, wie das Schicksalsrad der Glücksgöttin Fortuna die menschlichen Geschicke einmal zum Guten, dann wieder zum Schlechten wendet. Die Handlung enthält spektakuläre Szenen, ein Bär tritt auf, ein Seeungeheuer, Giustino bewältigt Gefahren wie ein neuzeitlicher „Superman“.

1986 wurde das Werk an der Wiener Volksoper in einer parodistischen Inszenierung von Harry Kupfer und mit dem Altisten Jochen Kowalsky in der Titelpartie zu einem großen Erfolg. In der konzertanten Opernreihe im Theater an der Wien wurde vor einigen Jahren die Vivaldi’sche Vertonung des Stoffes gespielt.

In der Neuproduktion der Kammeroper erinnert nur mehr der Schriftzug „Constantinople“ an Byzanz. Es handelt sich um den Namen eines Motels am Rande der Mojave-Wüste. Dort spielen sich seltsame Dinge ab, sektenartige Verschwörungen finden vor grünen 1970er-Jahre-Tapeten statt – zu denen Händels Musik irgendwie sinnbefreit, aber auch nicht unhübsch, den Soundtrack abliefert.

Ich erspare es mir, die Geschichte nachzuerzählen. Letztlich wird es aber Arianna gelingen, die Macht an sich zu reißen, während ihre Mitstreiter durch kollektiven Selbstmord ihre Lebenslichtlein ausblasen. Gespielt wird bei guter Personenführung in einem Motelzimmer voll verstaubter Morbidität, das Serienmördern gefallen könnte.

Das führt phasenweise zu fast grotesken Überzeichnungen, die aber keine durchgehende Spannung erzeugen. Ähnlich dem Rad der Fortuna pendelt der Abend zwischen Aufmerksamkeit und Verflachung – und man hätte ruhig ein paar Arien streichen können, um die 2 ¾ Stunden lange Aufführung (inklusive Pause) zu verdichten.

Barockgesang hat viel mit Spezialistentum zu tun – die beiden Countertenöre Meili Li (Giustino) und Rafal Tomkiewicz (Anastasio) besaßen also einen klaren Startvorteil. Meili Li bot nach meinem Eindruck ohnehin die beste Leistung des Abends, war auch in der Lage seinen Countertenor sehr feinfühlig lyrisch zu führen; Tomkiewiczs Stimme färbte mir ein wenig zu grell, was allerdings den durch die Inszenierung überzeichneten Bühnencharakter stützte.

Jenna Siladie führte als Arianna einen schon etwas gehärteten Sopran ins Feld, darstellerisch stark in der Szene, als das Monster bereits bedrohlich das Messer wetzt. Die lockere Fortuna der Ilona Revolskaya versprühte bei ihrem ersten Auftritt dollarnotenwerfenden Casino-Charme und Tatiana Kuryatnikova war eine leicht schelmisch unterfütterte Leocaste. Die tiefen Männerstimmen (Kristjan Jóhannesson und Dumitru Madarasan) waren Intriganten und Bösewichte und kamen ihren diesbezüglichen Anforderungen nach, Johannes Bamberger gab den soziopathischer Vitaliano, der B-Movie-haft durchs Motel schlurfte. Am Pult des animiert aufspielenden Bach Consort Wien stand Markellos Chryssicos.

Am Schluss gabs den in der Kammeroper üblichen Premierenjubel.