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Theater an der Wien
15.11.2009
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Attilio Cremonesi

Kammerorchester Basel

Fulvia - Veronica Cangemi
Ezio - Lawrence Zazzo
Valentiniano - Sonia Prina
Onoria - Kristina Hammarström
Massimo - Vittorio Prato
Varo - Antonio Abete


Spätrömische Geschichte
(Dominik Troger)

Der konzertante Barock-Opernzyklus im Theater an der Wien widmete sich an seinem dritten Abend Händels Oper „Ezio“. Das Werk beruht auf einem Libretto von Pietro Metastasio und wurde 1732 in London uraufgeführt.

Die Handlung treibt mit spätrömischer Geschichte allerhand Unfug und jagt den Hunnenbezwinger Ezio in eine schwierige Position zwischen Liebesleiden und Herrscherzorn. Kaiser Valentiniano ist mit ihm zuerst gar nicht zufrieden, aber standardgemäß gibt es in der Barockoper – im Gegensatz zur historischen Vorlage – ein Happy-end. Händel lässt im Ezio viel schöne Musik hören, verinnerlichte Momente wechseln mit forcierten expressiven Stücken. Lange Arien durchmessen intensiv die angesprochenen Gefühlsskalen, erfordern von den Sängerinnen und Sängern viel technisches Können und Gestaltungsgabe.

Das Kammerorchester Basel sorgte unter der musikalischen Leitung von Attilio Cremonesi für einen eher harten Klang. Cremonesi ließ sehr differenziert und akzentuiert spielen, zeigte Sinn für Poesie und Dramatik, belebte den Vortrag mit dynamischen Schattierungen und viel Enthusiamus, der sich nach etwas lauem Beginn zunehmend auf die Mitwirkenden übertrug. In der Ouvertüre kämpfte das Orchester noch ein wenig mit den engen Platzverhältnissen und der gebotenen Präzision – man hatte es zwischen Orchestergraben und einer Trennwand, die das Bühnenbild von „Der Prinz von Homburg“ verdeckte, eingezwängt. Es konsolidierte sich aber rasch, und hinterließ insgesamt einen sehr guten Eindruck. (Die kessen orangen Stöckelschuhe der Harfenistin im „Lamborghini-Design“ waren nicht zu übersehen ;-) Das Sängerensemble klebte notgedrungen weit vorne an der Rampe und sang über den tieferliegenden, zugedeckelten Orchestergraben hinweg.

Lawrence Zazzo steuerte als Ezio den Countertenor und Titelhelden bei: Mit Spannkraft und Präzision folgte er den langen Arien, mit fokussierter Tongebung und mit einem Schuss barockem Manierismus, der sich in akzentuiert gesungenen Verzierungen beifallheischend auslebt – das war sehr beeindruckend.

Veronica Cangemi (Fulvia) stand ihm um nichts nach. Ihr Sopran hat eine gewisse Nüchternheit, die ihrem Vortrag nicht nur Lieblichkeit, sondern auch ein gehöriges Maß an Selbstbestimmtheit vermittelt. Es braucht ein wenig, bis man sich mit damit anfreundet, weil sich der subtilere Reiz ihres Timbres nicht gleich auf dem „Tablett“ präsentiert. Auch bei ihr hat an diesem Abend die Fähigkeit begeistert, lange Arien zu gestalten, die Spannung zunehmend aufzubauen, um sie – je nach Händels Willen – mit Attacke oder Poesie zu beschließen.

Sonia Prina sang den Valentinianus. Ihre Stärke liegt meiner Meinung nach in den feurigen, dramatischen Arien. Das auschwingend Repräsentative eines römischen Kaisers ging mir ein wenig ab, zumal ihm Händel gleich in der ersten Szene eine tolle Arie beschert, in der er von der Ausweitung seiner Herrschaft träumt. Als Kaiser hatte Prina allerdings weniger mit ihrem Feldherrn Ezio zu kämpfen als mit einem widerspenstigen Notenständer, dem plötzlich die Noten zu schwer wurden – wie so manchem Kaiser wohl auch die Bürde seiner Herrschaft.

Kristina Hammarström besitzt im Vergleich mit Prina einen etwas weicheren, fraulicheren Mezzo, der gut zur Onoria passte – die Händel aber ein wenig sparsam mit Arien bedacht hat. Antonio Abete ließ als Varo einen flexiblen, dyonysischen Bass hören, wie geschaffen für barocke Intrigenspiele. Vittorio Prato prunkte als Massimo mit einem klangvollen und kernigen „italienischen“ Bariton.

Der Schlussapplaus nach dreineinhalb Stunden (inklusive einer Pause) war sehr stark und von vielen Bravorufen begleitet. Das Theater an der Wien zeigte allerdings einige leere Plätze – und das ist wenig verständlich. Mag sein, dass sich potentielle Besucher davon abschrecken lassen, weil es sich „nur“ um konzertante Vorstellungen handelt – das musikalische Erlebnis ist aber meistens sehr intensiv und die Aufführungen haben durchwegs hohes oder sehr hohes Niveau.

Weniger erfreulich war, dass nach Vorstellungsende die Ausgänge zur Millröckergasse wieder einmal verschlossen waren. Wer mit Applausende schnell das Haus verlassen möchte, wird dazu genötigt, sich durch das große Eingangsfoyer und an den Garderoben vorbei zu drängen. Auf die Frage, warum die Ausgänge verschlossen seien, wurde von Billeteurinnen geantwortet, es handele sich um Notausgänge. Versperrte Notausgänge? Das wollen wir lieber nicht gehört haben. Publikumsfreundlicher wäre es jedenfalls, wenn man dem Publikum Gelegenheit böte, das Haus auch über die Seitenausgänge zu verlassen.