HERCULES
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Theater an der Wien
26.2.2015
Konzertante Aufführung

Dirigent: Harry Bicket

The English Concert
The Choir of The English Concert

Hercules - Matthew Rose
Dejanira - Alice Coote
Hyllus - James Gilchrist
Iole - Elizabeth Watts
Lichas - Rupert Enticknap
Priest of Jupiter - Andrew Rupp
First Trachinian - John Bowen


Verhängnisvolle Eifersucht
(Dominik Troger)

Es ist jetzt auch schon wieder fast 10 Jahre her, dass Georg Friedrich Händels „Hercules“ im Rahmen der Wiener Festwochen im Theater an der Wien szenisch aufgeführt worden ist. Jetzt war dieses „Oratorium“ auf Basis eines antiken Stoffes dortselbst in einer konzertanten englischen Produktion zu hören.

„Hercules“, 1745 uraufgeführt, war zu Lebzeiten Händels wenig erfolgreich, gilt heute aber als eine der bemerkenswertesten Arbeiten aus seiner späten Schaffensperiode. Das Werk ist kein „klassisches Oratorium“, weil ihm kein biblischer Stoff zugrunde liegt, und hat – wie eingangs angemerkt – in den letzten Jahrzehnten immer wieder szenische Umsetzungen erlebt – zuletzt etwa 2014 in Toronto durch Peter Sellars, der die Handlung in eine Irak-Nachkriegs-Trauma-Geschichte verpackt hat (damals sang auch Alice Coote die Dejanira). Bei einer konzertanten Aufführung darf man sich einer solchen Aktualisierung allerdings enthoben fühlen, und es tritt stärker in den Vordergrund, dass der ganze „Hercules“ auch als Streitschrift wider die „Eifersucht“ gelesen werden kann, die etwa im zweiten Akt, wenn der kommentierende Chor selbige als „Höllenfluch“ bezeichnet, schon leicht plakative Züge annimmt.

Doch würde dieses Werk längst seine Faszination verloren haben, könnte man in ihm nur ein akademisches Lehrgedicht zur Affektbeherrschung erkennen. Händel bohrte tiefer, bemühte sich um eine psychologische Entwicklung in der Darstellung von Dejaniras Eifersucht. Bemerkenswert ist vor allem jene Arie im zweiten Akt „Resign thy club and lion’s spoils“, mit der Dejanira Hercules wieder für sich zu gewinnen sucht und doch – ähnlich wie Fricka in Wagners „Ring“ gegenüber Wotan – einen weiblichen Zynismus ahnen lässt, der nichts Gutes verspricht. Dejanira entscheidet sich schließlich, ihrem Gemahl das Kleid bringen zu lassen, dass sie vom sterbenden Zentaur Nessus mit dem Hinweis „geerbt“ hat, es würde die erkaltete Liebe ihres Mannes neu entfachen. Ahnt Dejanira, dass dieses Erbstück eines Herkules-Opfers den Helden in Gefahr bringen könnte oder ist sie nur naiv?

Händel löst sich im „Hercules“ musikalisch von konventionell gebrauchten barocken Formen, setzt diese sehr zielgerichtet ein, und mit begleiteten Rezitativen wählt er immer dann eine offene „musikdramatische“ Form, wenn die Protagonisten die aufklärungshuldigende Kontrolle über ihre Gefühle verlieren. Harry Bicket und The English Concert und der Chor folgten Händels Vorgaben straff und überzeugend, das Orchester mit etwas trockenem Spiel. Aber es lag ein seidiger Glanz im Klang, der die oratorienhafte Strenge und zugleich die Süße so manch poetischer Gefühlsmalerei der Händel’schen Arien schlüssig zu vereinen wusste. Das akzentuierte und auch dynamisch schattierte Spiel sorgte außerdem für eine prägnante – sozusagen auch „didaktisch“ lesbare Interpretation – die den Gefühlsüberschwang mit einem leicht nüchternen Pathos abfederte.

Eigentlich spielt Dejanira die Hauptrolle in dieser Geschichte. Alice Coote war bei der Dejanira in ihrem Element, das nicht so sehr die glanzvolle virtuose Gesanglinie betonte, sondern auf einen theatralisch ausgeformten Charakter zielte, der – wie sie im letzten November an der Wiener Staatsoper als Octavian bewiesen hat – die Komik einschließt und jene selbstironische Nuance, die den eigentlichen Humor auszeichnet. Dadurch konnte Coote die weiter oben angesprochene Doppelbödigkeit in Dejaniras Versuch, die Liebe ihres Gatten zurückzugewinnen, anschaulich vorführen, und später für die im Wahnsinn endende Erschütterung, die sie erfasst, eine breite Palette an lebhaften Ausdrucksmöglichkeiten finden. Es war sicher ein Vorteil, dass sie die Rolle bereits szenisch erarbeitet hat. Sie blieb auch nicht steif vor dem Notenständer stehen, sondern wechselte öfters den Platz oder wendete sich zur Seite und brachte das in die Aufführung ein, was oft als „semi-konzertant" bezeichnet wird.

Matthew Rose sang die Titelpartie mit ausgewogen ausstaffiertem Bass, sonor, aber nicht zu üppig, beweglich, aber nicht zu wendig: also ein Mann in den besten Jahren und fast schon ein bisschen bürgerlich – und treu, wie er gegenüber seiner Gemahlin Dejanira betont. (Und das Werk gibt keine offensichtlichen Hinweise, die einen daran zweifeln ließen.) Um den Countertenor-Nachwuchs braucht einem derzeit nicht bange zu sein. Rupert Enticknap, bis Sommer 2014 Mitglied des Jungen Ensembles des Theater an der Wien, hat sich seit seinen Auftritten in der Kammeroper prächtig weiterentwickelt. Die Stimme besitzt einen schön gerundeten, tragfähigen, lyrischen Klang, der die poetischen und klagenden Weisen, die Händel Lichas in die Kehle gelegt hat, mit einem milden Glanz versah. Zu detaillierten Gefühlsregungen fähig zeigte sich auch James Gilchrist als Hyllus, nuanciert und mit schlankem, feinsinnigem Tenor ausgestaltend, besang er seine Liebe zu Iole im zweiten Akt. Iole ist zwar der Katalysator für Dejanieras Eifersucht, aber die Partie bleibt eher eine Nebenrolle. Elizabeth Watts lieh ihr eine leicht dunkel überhauchte lyrische Sopranstimme, die sich in den ruhigeren Passagen am wohlsten fühlte.

Das Publikum im sehr gut gefüllten Theater an der Wien spendete der Aufführung einen starken Schlussapplaus.