HERCULES
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Theater
an der Wien Musikalische Leitung: William Christie Orchester: Les Arts Florrisants |
Hercules - William Shimell |
„Hercules“
im Theater an der Wien Händel hat Herkules, dem antiken Kraftlackel, ein „musical drama“ gewidmet, in dem er diesem Heroenschicksal jede Menge an berührender Musik und tugendhaften Ermahnungen abgewinnt. Das Werk steht jetzt mit drei Aufführungen auf dem Programm der Wiener Festwochen.
Eigentlich ist das Werk ein Oratorium. Aber so genau kann man das nicht sagen. Händel hatte sich zwar zu diesem Zeitpunkt bereits vom Opernschaffen zurückgezogen, aber das Oratorium beruht klassischer Weise auf biblischen Sujets. Die in den letzten Jahren erfolgreich betriebene bühnengerechte Aufmachung des „Hercules“ zeigt, dass er zurecht „Oper“ genannt werden darf. Manches Oratorienhafte mag man ihm aber ansehen – ich denke da beispielsweise an die dramaturgische Funktion des Chores, als „Volk“ und als „moralisches Gewissen“. Der Abend begann verheißungsvoll: Zuerst verhüllte ein blauer, windbewegter Vorhang die Bühne. In seinem bauchigen Bauschen konnten sich die ZuseherInnenphantasien hervorragend einnisten – während William Christie die Einleitungsmusik erklingen ließ. Dann trat Lichas, Malena Ernman, hinzu, lenkte das Augenmerk auf die um Herkules trauernde Dejanira (Ann Hallenberg). Bald lüftete sich der Vorhang ganz und der sandbedeckte, karge, von hohen Mauern umgebene Innenhof einer Königsburg erschien. In der Mitte große Bruchstücke einer Bronzestatue; Herkules zerstückelt. Eine Blechtonne im Hintergrund. Der windgewellte Vorhang hatte etwas mehr versprochen. Der erste Akt brauchte Zeit, um sich zu entfalten. Es dauerte, genau gesagt, bis zu Herkules Heimkehr, Iole (Ingela Bohlin) als Kriegsbeute im Schlepptau. Bis dahin konnte man schon erahnen, dass die Besetzung nur zum Teil das erhoffte Niveau erreichen würde, und dass sich Luc Bondy ein wenig damit plagte, den Chor richtig ins Spiel zu bringen. Beide Vermutungen sollten sich im Laufe des Abends bestätigen. Der Chor, statisch angelegt, hat der Tugendrede des Librettos und dem Anspruch des antiken Stoffes zu wenig an Autorität verliehen. Bei den SängerInnen erwiesen sich Ann Hallenberg und Ingela Bohlin als die tragenden Bühnenpersönlichkeiten. Hercules (William Shimell) spielte erst in der Sterbeszene seine Qualitäten aus. Toby Spence blieb als Hyllus, Hercules Sohn, eher blass, und Malena Ernman (Lichas) blieb hinter den erstgenannten Damen zurück. Was die von mir angesprochene Sinnlichkeit betrifft, so kam sie sehr stark im zweiten Akt zum Ausdruck, im gerademal knielangen Unterkleid und den schönranken Beinen von Ingela Bohlin, die, verbunden mit ihrem klaren, schlanken Sopran, ein Flair auf die Bühne zauberten, das den Mythos wie selbstverständlich ins „Jetzt“ transferierte. (Dazu hätte es gar nicht dieser Modezeitschrift bedurft und dieses strohhalmbewehrten Glases mit rotfarbenem Inhalt.) Luc Bondy deutet an, dass Dejaniras Eifersucht nicht grundlos gewesen ist. Das passt zu der Absicht der Inszenierung, die Halbgötterstory auf die Erde herunterzuholen und die schicksalshafte Wucht des antiken Stoffes psychologisch dezent aufzuschlüsseln. Bohlin hatte schon bei ihrem Auftritt im ersten Akt, mit gefühlvollem Ausdruck, innig um ihren von Herkules erschlagenen Vater geklagt. Händel stösst in dieser Szene musikalisch in Räume vor, die – von William Christie mit viel Feingefühl enthüllt – den Zuhörer minutenlang in Bann schlagen. Ann Hallenberg, als Dejanira nach und nach von Eifersucht zermartert, war ihr eine ebenbürtige Gegenspielerin, noch dazu mit der schwieriger umzusetzenden Rolle betraut. Sie war die „Primadonna“ des Abends, aber ganz ohne Allüren, schlicht in dem von Bondy geschneiderten Regiekonzept. Trotzdem verfehlte sie ihre Wirkung nicht, am Schluss dem Wahnsinn verfallend. Händel hat diesen dritten Akt zum Teil sehr expressiv angelegt, fast als Gegensatz zu den vorherigen zwei Akten. Hercules windet sich im tödlichen Gewand am Boden, das von Dejanira als Liebesbeweis gedacht, doch nur eine verräterische Falle des von Herkules einst besiegten Nessus gewesen ist. Am Schluss wird Hercules als Statue – die zusammengesetzten Bronzeteile vom Beginn – auf die Bühne gezogen. Iole und Hyllus werden ein Paar. Der Abend dauerte inklusive einer Pause rund dreieinhalb Stunden und endete mit Ovationen. (Nachtrag 15. Juni 05: Es gab vereinzelte Buhrufe für die Regie. Von meinem Platz war das nicht so deutlich auszumachen, aber die Besprechung auf der Homepage des Neuen Merker bestätigt dieses Eindruck.) |